Ein Blick in den Rückspiegel oder das Einsortieren von Risiken in einer Risikomatrix (oder haben Sie zukünftige, geopolitische Risiken schon einmal hinsichtlich ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit und ihrem Schadensaumaß bewertet?) hilft nur begrenzt beim Nachdenken über potenzielle Zukunftspfade. Denn Risiken liegen bekanntlich versteckt in den dunklen Seitengängen einer für uns unbekannten Zukunft. Klassische "Risikobuchhaltung" macht blind für die wesentlichen zukünftigen Risiken und Chancen!
Um den Blick aus der Vergangenheit in die Zukunft zu schwenken, hilft vor allem das strukturierte Denken in (zukünftigen) Szenarien. Doch was versteht man genau unter einem Szenario? Etymologisch lässt sich der Begriff der Szenarien bis auf Platon zurückverfolgen. Der antike griechische Philosoph und Schüler des Sokrates stellte die Zukunft in Bildern dar. Das Höhlengleichnis ist eines der bekanntesten Gleichnisse der antiken Philosophie. Hierbei handelt es sich um ein Gleichnis zur Veranschaulichung seiner Ideenlehre. Das Höhlengleichnis stellt dabei den Aufstieg des Menschen durch vier Stufen der Erkenntnis sinnbildlich dar.
Die Menschen leben in einer Höhle an Ketten gefesselt und blicken auf eine Felswand, während hinter ihnen ein Feuer flackert. Auf der Felswand sehen sie nur die Schatten von Gegenständen, die hinter ihnen vorübergetragen werden und welche vom Schein des Feuers als Schattenbilder an die Wand vor ihnen projiziert werden. Die Menschen halten einzig diese Schattenbilder für die Wirklichkeit (das Seiende) und befinden sich damit auf der ersten Stufe der Erkenntnis: der bloß sinnlichen Wahrnehmung.
Fakt ist, dass wir unsere bequeme Höhle verlassen müssen und uns mit potenziellen Zukunftspfaden beschäftigen sollten. Der US-amerikanische Stratege, Kybernetiker und Futurologe hatte auf diesen professionellen Umgang mit Unsicherheit bereits vor Jahrzehnten hingewiesen: Aus der Vergangenheit kann jeder lernen. Heute kommt es darauf an, aus der Zukunft zu lernen!
Mit dem Buch "Szenario-Management: Von strategischem Vorausdenken zu zukunftsrobusten Entscheidungen" liefert das Autoren-Duo Alexander Fink und Andreas Siebe fundiertes und praxiserprobtes Wissen zur Entwicklung potenzieller Zukunftsbilder sowie zur Umsetzung in robuste Strategien.
Das Buch ist in fünf Teile gegliedert: Im ersten und einführenden Teil werden die begrifflichen Grundlagen gelegt. Im zweiten Teil (Szenario-Entwicklung) werden die drei Phasen der Szenario-Entwicklung beschrieben. Wie können Einflussfaktoren identifiziert werden? Wie projiziert man anschließend die relevanten Einflussfaktoren? Und wie entstehen schlussendlich die unterschiedlichen und konsistenten Szenarien? Im dritten Teil (Szenario-Interpretation) konzentrieren sich die Autoren auf den in der Praxis besonders kritischen Übergang zwischen Szenarien und Entscheidungen. Wie werden beispielsweise Szenarien aufbereitet und kommuniziert? Wie werden aus Szenarien Chancen, Risiken und Handlungsoptionen abgeleitet? Und wie werden einmal entwickelte Szenarien bewertet und verfolgt? Im vierten Teil (Strategie) wird die Nutzung von Szenarien bei der Entwicklung von Unternehmens- und Geschäftsstrategien beschrieben. Näher betrachtet wird hier zunächst das Werkzeug der Strategieszenarien und anschließend ein entsprechender Strategieprozess. Im fünften Abschnitt (Innovation) widmen sich die Autoren dem zweiten, großen Einsatzgebiet von Zukunftsszenarien. Hierbei wird zunächst eine Systematik vorgestellt, mit der sich Szenario-Prozesse im Innovationsumfeld gestalten lassen. Darauf bauen dann Anwendungen in den Bereichen Produktentwicklung und strategische Produktplanung, strategische Marketing und Marktforschung sowie New Business Development auf. Im sechsten Teil (Veränderung) widmet sich das Autoren-Duo zunächst dem Zusammenhang zwischen Szenarien, Strategien und Veränderung. Daraus resultieren zwei weitere Kapitel: Zunächst wird die Organisation von Szenario-Prozessen erläutert. Anschließend und abschließend beschreiben die Autoren, wie Szenarien in einen kontinuierlichen strategischen Früherkennungsprozess eingebunden werden – und welche Rolle sie damit im Zukunftsmanagement beziehungsweise im Corporate Foresight spielen.
Fazit: Das Buch kann allen Entscheidern und Menschen, die sich strukturiert und systematisch mit potenziellen Zukunftsszenarien beschäftigen möchten, wärmstens empfohlen werden. Das Buch verfügt über eine klare Struktur, einen roten Faden und ist in einer leicht lesbaren und praxisorientierten Sprache verfasst. Man merkt beim Lesen, dass die Autoren über eine langjährige Erfahrungen im Bereich des Szenario-Managements verfügen und die Thematik nicht nur theoretisch bearbeiten.