Lag der Engpass der Nachkriegswirtschaft in der Beschaffung von Gütern zur Befriedigung der Nachfrage, so liegt heute der Engpass eher in der Bereitstellung von Betriebskapital und dem aufspüren von Marktpotenzial zur Absatzsteigerung bei teilweise schrumpfenden Märkten. Diesem Wandel unterliegt auch das Controlling. Auch wenn das Controlling bis ins 13. Jahrhundert zurückreicht und keine amerikanische Erfindung ist, so ist das Controlling erst in den letzten Jahrzehnten durchdringender in das Bewußtsein der Unternehmensführung gerückt und stark angelsächsisch beeinflusst.
In dem vorliegenden Kompendium haben die Autoren die Aspekte betrachtet, die dem Begriff Controlling zuzuordnen sind. Orientiert sich der Großteil der betriebswirtschaftlichen Fachliteratur eher an die Situation eines Großunternehmens, so werden in diesem Buch lt. dem Herausgeber „Controllingkonzepte aufgezeigt, die in einem mittelständischen Unternehmen unter bestimmten Bedingungen zum Einsatz kommen können“. Als Fallstudie wurde ein fiktives Familienunternehmen der Morgengenuss GmbH mit ihren 807 Mitarbeitern und einem Umsatz von etwa 250 Mio. Euro (wobei die Daten des Umsatzes der Leser erst in späteren Kapiteln erfährt), mit einer klassischen formalen Unternehmensstruktur, konstruiert. Haupttätigkeitsbereich ist die Produktion und der Absatz von Kaffeemaschinen. Wurden in der Vergangenheit alle Entscheidungen vom Unternehmer vorgenommen, so lenkt durch die Unternehmensübergabe an die Tochter nun sie die Geschicke dieses Unternehmens. So weit die Rahmendaten. Und hier setzt der Herausgeber bei der Erörterung und Darstellung der potenziellen Controllinginstrumente an.
Wie es sich für ein wissenschaftliches Buch gehört, wird im ersten Teil die theoretische Grundlage des Controlling beschrieben.
Der Controllingprozess wird in die Einheiten Beschaffung, Produktion, Marketing, Logistik, Personal, Investition, Schnittstelle und Risiko gegliedert. Jedes dieser Themen wird ausführlich in eigene Kapitel behandelt. Konkret: Was sind die jeweiligen Controllinginstrumente, die angewendet werden können. Die in diesen Kapiteln aufgeführten Instrumente werden exemplarisch anhand der Fallstudie verdeutlicht. Somit wird der Leser immer in die Lage versetzt festzustellen, wie das erworbene Wissen umgesetzt werden kann. Eine kritische Würdigung über Grenzen und Möglichkeiten der vorgestellten Instrumente schließt die Erörterungen in jedem Kapitel ab.
Auch wenn die über 900 Seiten erst abschreckend wirken, so ist je nach Interessenlage ein querlesen möglich. Ein ausführliches Stichwortverzeichnis ermöglicht die zielorientierte Suche nach bestimmten Themen. Auch wenn einzelne Passagen dem Leser ein wissenschaftliches Abstraktionsvermögen abverlangen, so zeigen die Fallbeispiele, wie eine praktische Umsetzung erfolgen kann.
Es bleiben Fragen offen, wo dediziertere Antworten wünschenswert wären. Nur zwei Beispiele, die weitere Fragen aufwerfen. So wird auf S.100 festgestellt, dass die Wirkungsweise einzelner Controllinginstrumente auf die Mitarbeiter selten ins Kalkül einbezogen werden. Warum dies aber ist, wird zwar u.a. durch die mangelnde fächerübergreifende Verbindung zwischen Controlling und Organisation gesehen. Kann es aber sein, dass Unternehmensethik nicht schon immer ein Stiefkind der BWL war und nach wie vor ist und hier auch die Ursache liegt?
In der Fallstudie hat das mittelständische Unternehmen keine Auslandstöchter. Viele Unternehmen haben Töchterunternehmen im Ausland und erwirtschaften ihren Umsatz und Profit maßgeblich im Ausland. Ob und inwiefern ändert sich das Controlling und die Controllinginstrumente bei Unternehmen, die Global aufgestellt sind? Diese Frage wurde leider nicht erörtert. Die Darstellungen in diesem Buch verhaften doch eher in traditionell funktionsorientierten nationalen Denken.
Zweifelsohne liegt hier ein gut strukturiertes, nachvollziehbares Buch zum Thema Controlling vor.
Rezension von Christoph Tigges (IBM Deutschland)