Wer sich ein Auto kaufen will, legt in der Regel eine Vielzahl von Kriterien an die zur Wahl stehenden Fahrzeuge an. Klassische Gütemaße sind hier Drehmoment, Höchstgeschwindigkeit, Fahrverhalten, Sicherheit, Raumangebot, Markenwert, Preis, Design und viele mehr.
Was im Kontext einer privaten Investition in ein Fortbewegungsmittel als selbstverständlich erscheint, ist für viele Finanzinstitute bei der Evaluation der Qualität von Ratingverfahren noch nicht fest etabliert. Oft werden Aussagen über die Performance bankinterner Ratingverfahren an isolierten Merkmalen festgemacht.
Robert Rauhmeier versucht die Validierung von Ratingsystemen auf eine breitere Basis zu stellen. Nachdem er in einem umfangreichen einleitenden Teil den Aufbau von Ratingverfahren und Methoden der Schätzung von Ausfallwahrscheinlichkeiten durchgeht, diskutiert er eine Reihe von Strategien und Techniken der Qualitätssicherung von Ratingverfahren. Die Performancemessung bezieht sich hierbei sowohl auf die Trennschärfe, d.h. auf die korrekte Sortierung von gerateten Objekten nach der Bonität, als auch auf die Richtigkeit der für die einzelnen Objekte geschätzten Ausfallwahrscheinlichkeiten.
Rauhmeier versucht bewusst eine eindimensionale Qualitätseinschätzung von Ratingverfahren über einzelne isolierte Merkmale zu vermeiden. Statt dessen stellt er einen Methodenkanon zusammen, wie einzelne Aspekte der Performance von Ratingverfahren begutachtet werden können. Dieser Ansatz umfasst ein Kennzahlensystem ebenso wie grafische Analysen. Die Kennzahlen werden definiert, diskutiert und wenn möglich mit theoretischen Benchmarks verglichen, sofern diese ableitbar sind.
Wie es sich für eine umsichtige wissenschaftliche Analyse gehört, überprüft der Autor seinerseits die Stichhaltigkeit der formulierten Gütemaße anhand einer Simulationsstudie und einer Anwendung der Methoden auf einen empirischen Datensatz. Er zeigt, dass – wie es im Risikomanagement üblicherweise der Fall ist – die Aussagekraft des Kennzahlensystems und der Interpretationsrahmen einzelner Kennzahlen kontextabhängig ist, d.h. dass sie von Eigenschaften der gerateten Objekte, wie etwa der Höhe der Ausfallwahrscheinlichkeiten abhängt.
Der größte Teil der vorgestellten Methoden besteht direkt aus klassischen statistischen Techniken oder sehr nahen Ableitungen. Klassische statistische Tests nehmen in den meisten Fällen Unabhängigkeit der Beobachtungen an. Diese Annahme vereinfacht Methoden oft dramatisch, da die genaue Art von Abhängigkeiten nicht beschrieben werden muss. Bei vielen Anwendungen ist sie auch richtig und unkontrovers, im Kreditrisikomanagement jedoch fraglich, wie der Autor selbst anspricht. Er geht dennoch auf die Problematik bei den Analysen nicht weiter ein. Er unterlässt es auch, diese wichtige Fragestellung in die Simulationsstudie zu integrieren, wo er die Eigenschaften der simulierten „wahren Welt“ selbst bestimmen kann und sehen könnte, wie sich reale Korrelationen der Kreditnehmer auf die Qualität der Ratingverfahren und der vorgeschlagenen Validationstechniken auswirkt.
Die Thematik der Performancemessung ist für Banken, die selbstentwickelte interne Ratingverfahren anwenden, ein notwendiges Element der Selbstkontrolle im Risikomanagementprozess. Rauhmeier stellt ihnen eine Reihe hilfreicher Tools für diese Aufgabe zur Verfügung. Die Arbeit ist für den Anwender insofern besonders hilfreich als der Autor die Strategien der Validierungsmethoden in einfachen und klaren Worten formuliert und dann in mehreren Schritten zu einer präzisen mathematischen Formulierung überleitet, auch wenn diese Schritte nicht zu unterschätzen sind. Der Leser erhält eine Einführung ebenso wie das für die praktische Umsetzung unentbehrliche Formelwerk. Das Buch ist deshalb allen Entwicklern und mathematisch orientierten Anwendern von Ratingverfahren sehr zu empfehlen.
Rezension von Dr. Uwe Wehrspohn