Aktuelle Umfragen unter den Verbrauchern belegen zweifelsfrei: Viele Menschen stehen der Finanzdienstleistungsbranche mit einer gehörigen Portion Skepsis gegenüber. Diverse internationale Bankenkrisen innerhalb weniger Jahre sowie häufige Berichte über gravierende Fehlberatung und hohe, nicht nachvollziehbare Gebühren haben das Vertrauen der Kunden in Geldinstitute erodieren lassen.
Laut dem Edelman Trust Barometer 2012 sind die Finanzdienstleistungen das zweite Jahr in Folge der Sektor, dem weltweit das geringste Vertrauen entgegengebracht wird; die Banken liegen hier auf dem vorletzten Platz. Im Bankensektor ist das Vertrauensniveau in Japan und Korea am höchsten. Die Verbraucher in Großbritannien, Deutschland und Frankreich dagegen sind infolge der Eurokrise am misstrauischsten. Misstrauen spiegelt sich unmittelbar in den Handlungen der Konsumenten wider. Laut dem World Wealth Report von Capgemini und Merrill Lynch des Jahres 2009 entzogen weltweit über 25 Prozent der Millionäre ihrem Vermögensverwalter zumindest einen Teil ihrer Geldanlagen aufgrund mangelnder Transparenz oder ungenügenden Risikomanagements. Eine nicht geringe Anzahl beendete sogar die Geschäftsbeziehung mit ihrem Vermögensverwalter. Die Verbraucher wechseln in Sachen Management ihrer Finanzen zunehmend auf den Fahrersitz und ergreifen selbst die Initiative, so die Autoren und Finanzdienstleistungsexperten Roger Peverelli, Reggy de Feniks und Walter Capellmann.
Die Autoren stellen ihre nachdenklich machende und erkenntnisreiche Vision für die Banken und Versicherungsunternehmen der Zukunft vor. Das Buch enthüllt die radikale Veränderung der Verbraucherwahrnehmung und identifiziert die sechs wichtigsten Verbrauchertrends, die die Finanzdienstleister beherzigen müssen. Will sich die Finanzbranche tatsächlich neu erfinden, muss der Kunde zurück in den Mittelpunkt, so die Autoren.
Um zukünftig genau den richtigen Ton anzuschlagen, müssen die Finanzleute verstehen, welche Auswirkung die vergangenen drei Jahre auf die Verbraucher hatten – wie diese drei Jahre ihre Gefühle, Wahrnehmungen und Einstellungen gegenüber den Finanzdienstleister veränderten, so Peverelli, de Feniks und Capellmann. Die Autoren stellen im einführenden Kapitel klar, dass Vertrauen lebenswichtig für die Branche ist. Ohne jede Ausnahme gehört zu jeglicher kommerzieller Transaktion ein gewisses Maß an Vertrauen. Die moderne Gesellschaft kann nicht funktionieren, wenn die Menschen sich nicht untereinander vertrauen und auch kein Vertrauen zu den Schlüsselinstitutionen besteht. Durch die "Unsichtbarkeit" der Dienstleistung gilt dies im Besonderen für Banken und Versicherer. Vertrauen schafft Wert. Es reduziert die Kosten der Erschließung neuer Märkte, bindet Mitarbeiter ans Unternehmen und verbessert die Beziehung zwischen den Stakeholdern.
Das Buch liest sich wie eine To-do-Liste der Finanzdienstleister. Diese Liste kann helfen, die richtigen Antworten auf die Herausforderungen einer neuen finanziellen Realität zu finden: Wie kann das Verbrauchervertrauen wiederherstellt werden? Wie kommt man quer über alle Kanäle den Verbrauchern näher? Wie sollten soziale Medien genutzt werden? Wie können Kundenorientierung und profitables Wachstum in Einklang gebracht werden?
Das Buch wird angereichert durch Beiträge von über 50 Führungskräften von führenden Finanzinstituten und Branchenexperten wichtiger Business Schools, unter anderen: Allianz, Aviva, AXA, Barclays, BBVA, Bethmann Bank, BNP Paribas, La Caixa, Citigroup, Deutsche Bank, Fidor Bank, HSBC, ING Group, Bank of Korea, Lloyds Banking Group, MoneYou, Notenstein Privatbank, Rabobank, Grupo Santander, Standard Chartered, Groupe Société Générale, Schweizerische Post, Swiss Re, UniCredit Group und Zurich Financial Services.
Wer sein Institut allen Anfeindungen und widrigen Bedingungen zum Trotz auf Kurs halten will, muss das Geschäftsmodell von Grund auf überdenken, sagen die Autoren Peverelli, de Feniks und Capellmann. Hierbei ist es von entscheidender Bedeutung, ein wahrhaft auf Vertrauen beruhendes Unternehmen aufzubauen: Vertrauen auf Führungskraft und Fähigkeiten des Managements, die Fairness der Kundenprozesse sowie Vertrauen der Mitarbeiter untereinander. Ein Unternehmen kann nur dann das Vertrauen seiner Kunden zurückgewinnen, wenn die Mitarbeiter mit Hingabe an der Wiederherstellung der Vertrauenswürdigkeit arbeiten. Und die Mitarbeiter können dies nur mit ganzem Herzen tun, wenn sie selbst dem Unternehmen, für das sie arbeiten, voll vertrauen. Ein Unternehmen kann seinen Kunden nur dann transparent und ehrlich entgegentreten, wenn es auch nach innen transparent und ehrlich ist.
Das Fazit der Autoren: Da die Branche auch weiterhin von der Restrukturierung in Anspruch genommen werden wird, stellt dies zweifellos eine große Herausforderung dar. "Wie sich die Finanzbranche neu erfindet" wird bei diesem Wandlungsprozess ein treuer Begleiter sein.
Autor der Rezension: Frank Romeike