Viele Risiken auf der Risikolandkarte

2014 wird besser


2014 wird besser: Viele Risiken auf der Risikolandkarte News

In der letzten Woche veröffentlichten die Wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute ihre Prognose für die Entwicklung der deutschen Wirtschaft im kommen-den Jahr. Das Ergebnis sieht gut aus. Die Wirtschaft soll nach zwei mageren Jahren (0,7 Prozent und 0,4 Prozent) erstmals wieder ordentlich wachsen (1,8 Prozent). Die Beschäftigung sollte steigen. Die Inflation sollte niedrig bleiben. Die Trockenzeit der Krise scheint vorbei. Deutschland steht, wie es in dem Gutachten heißt, "am Beginn des Aufschwungs".

Dies entspricht weitgehend der herrschenden Meinung und den anderen bisher vorliegenden Prognosen. Es gibt auch gute Gründe dafür. Die Stimmung in der Wirtschaft ist gut. Das ifo Geschäftsklima geht nun schon zum fünften Mal hintereinander nach oben. Die Automobilindustrie boomt und kämpft um die Vorherrschaft bei Elektroautos in der Welt. Der Welthandel expandiert nach Schätzungen des IWF um 4,9 Prozent (nach 2,9 Prozent in diesem Jahr). Die Eurokrise entspannt sich. Bei den Investitionen gibt es Nachholbedarf. Die deutschen Unternehmen haben seit zwei Jahren nicht mehr richtig investiert. Die privaten Haushalte müssten von der zunehmenden Beschäftigung, den steigenden Löhnen und der niedrigen Preissteigerung profitieren.



Zurück zur Normalität? Zunahme des realen BIP in Deutschland [Quelle: Gemeinschaftsgutachten der Forschungsinstitute]
Zurück zur Normalität? Zunahme des realen BIP in Deutschland [Quelle: Gemeinschaftsgutachten der Forschungsinstitute]

Die Ausgangsposition für einen Aufschwung ist daher so gut wie schon lange nicht mehr. Gleichwohl hatte ich bei der Lektüre des Gutachtens Bauschmerzen. Mir war das etwas zu viel Optimismus.

Vor einem Jahr hatten die Institute schon einmal davon gesprochen, dass sich die Konjunktur beleben würde. Getan hat sich dann aber nichts. Ich kann auch noch nicht den Elan in den Unternehmen erkennen, der eine so starke Erholung rechtfertigen würde. Es gibt in Deutschland weder in der Politik noch in der Wirtschaft eine Aufbruchsstimmung. Zudem gibt es noch viele Risiken.

Schließlich: Wenn alle Experten einer Meinung sind, muss man vorsichtig sein. Dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es am Ende anders kommt.
Hier daher ein paar Kontrapunkte zu dem Gutachten: Erstens ist das Wachstum im Euroraum, wo sich die spektakulärsten Verbesserungen ergeben haben, noch sehr gering. Es wird kaum über ein Prozent hinausgehen. Zudem sind die europäischen Krisenländer der vergangen Jahre inzwischen wettbewerbsfähiger geworden. Das Geschäft auf ihren Märkten ist für die Deutschen daher schwieriger. Darüber hinaus befinden sich die beiden wichtigsten Handelspartner Deutschlands in Euroland – Frankreich und Italien – immer noch mitten in der Krise; hier gibt es wenig Konsolidierungs- und Reformfortschritte.

Zweitens ist das Bild im Rest der Welt sehr gemischt. Die USA leiden noch an der Unsicherheit über den weiteren Fortgang der Haushaltskrise. Die Finanzpolitik könnte restriktiver ausfallen. In den Schwellen- und Entwicklungsländern ist das Wachstum zwar noch hoch, es hat sich aber spürbar verlangsamt. Die Erwartungen vieler Exporteure haben sich nicht erfüllt. Im letzten und in diesem Jahr expandierte die chinesische Volkswirtschaft beispielsweise jeweils real um sieben Prozent bis acht Prozent. Die deutschen Lieferungen in das Land sind per Saldo aber nicht mehr gestiegen, sondern gesunken.

Drittens beschränken sich die Investitionen zum großen Teil auf Rationalisierungsmaßnahmen zur Einsparung von Kosten und zum Ersatz von Arbeitskräften. Es gibt wenig Erweiterungen, Innovationen oder neue Produkte. Nur durch sie bekäme der Aufschwung aber die nötige Dynamik. In der deutschen Energiebranche herrscht Unsicherheit über den Fortgang der Energiewende. Vielleicht könnte sich durch die Einführung des Mindestlohns ein Anreiz ergeben, im Niedriglohnsektor Arbeit stärker durch Kapital zu ersetzen.

Viertens: Der Bau hat eine starke Expansionsphase hinter sich. Inzwischen sind die Preise in den deutschen Innenstädten für Wohnungen und Häuser aber sehr hoch. Die Bundesbank hat gerade vor Blasen auf dem Immobilienmarkt gewarnt. Das hält manchen vor weiteren Vorhaben ab. Im Bereich der Infrastruktur sollen zwar neue Projekte aufgelegt werden. Bis sie jedoch produktionswirksam werden, wird es noch eine Weile dauern.

Fünftens: Bei den Verbrauchern gibt es keinen Kaufrausch. In vielen Bereichen ist der Bedarf gesättigt. Es gibt auch keine Innovationen, von denen die Konsumenten angezogen werden könnten. Nach wie vor gibt es viel Krisenangst bei den privaten Haushalten, die sie von zu viel Konsum abhalten.

Sechstens werden sich schließlich die monetären Konditionen im Verlauf des kommenden Jahres eher verschlechtern. Die Zinsen könnten leicht ansteigen – zunächst durch ein Überschwappen des Tapering aus den USA. Im Verlauf des Jahres könnte aber auch die Haltung der EZB etwas restriktiver werden. Die Finanzpolitik wird eher restriktiver sein. Die Steuereinnahmen steigen stark an. Vielleicht gibt es zusätzliche Abgabenerhöhungen durch die neue Regierung.

Insgesamt erwarte ich für das kommende Jahr zwar auch ein höheres Wachstum. Es dürfte aber schwer sein, mehr als ein Prozent real zu erreichen.

 

Autor: Dr. Martin W. Hüfner, Chief Economist, Assenagon Asset Management S.A.

 



[Bildquelle: © lznogood - Fotolia.com]

Kommentare zu diesem Beitrag

RiskNET Redaktion /04.11.2013 09:42
+++ Deutschland braucht mehr Investitionen +++

EZB-Direktor Jörg Asmussen hat Verständnis für die Kritik an Deutschlands hohen Leistungsbilanzüberschüssen geäußert. Die Exporterfolge selbst seien das Ergebnis der leistungsfähigen Industrie, zugleich sei aber die Binnennachfrage schwach, sagte Asmussen im ARD-Frühstücksfernsehen. Nach dem US-Finanzministerium hat inzwischen auch der Internationale Währungsfonds (IWF) Deutschland aufgefordert, für eine ausgeglichenere Leistungsbilanz zu sorgen.

Der Überschuss in der deutschen Leistungsbilanz lag zuletzt bei 7 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Dem stehen Leistungsbilanzdefizite in vielen anderen Industrieländern, zum Beispiel in den USA, Großbritannien und Frankreich gegenüber. IWF-Chefin Christine Lagarde hatte schon als französische Finanzministerin die hohe preisliche Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands kritisiert und eine Ankurbelung der deutschen Binnennachfrage gefordert.

Deutschland exportiert so viel Waren wie kaum ein anderes Land. Der deutsche Industrie- und Handelskammertag rechnet damit, dass Deutschland 2013 hinter China auf Rang zwei liegen wird. Die 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G-20) streben seit der großen Finanz- und Wirtschaftskrise offiziell einen Abbau der internationalen Leistungsbilanzungleichgewichte an. Sie haben dabei nicht nur Länder mit hohen Defiziten, sondern auch solche mit hohen Überschüssen im Visier.

Das Bundeswirtschaftsministerium hat die Kritik der USA trotzdem als "nicht nachvollziehbar" zurückgewiesen. "Die Leistungsbilanzüberschüsse sind Ausdruck der starken Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft und der internationalen Nachfrage nach qualitativen Produkten aus Deutschland", hieß es in einer Stellungnahme. Ökonomen verwiesen darauf, dass Deutschland seinen Überschuss gegenüber den Euro-Ländern seit 2008 halbiert hat.

"Die Kritik an den deutschen Exporterfolgen ist falsch", sagte Asmussen im ARD-Frühstücksfernsehen. Er fügte aber hinzu: "Es ist richtig , dass wir in Deutschland eine relativ schwache Binnennachfrage haben, weil unsere öffentlichen und privaten Investitionen zu schwach sind." Deutschland lebe schon zu lange von der Substanz und brauche mehr Investitionen.
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