Abakus hießen die Kreditpakete, die Goldman Sachs vor einigen Jahren an Investoren verkaufte. Angelehnt war der Name an das mehr als 3000 Jahre alte mechanische Rechenhilfsmittel, bei dem in der Regel Holz- oder Glasperlen auf Stäben aufgefädelt werden. Die Grundrechenarten Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division sowie das Ziehen von Quadrat- und Kubikwurzeln sind mit dem Abakus ohne Probleme möglich. Ob die mechanischen Rechenmaschinen jedoch auch zur Bewertung komplexer synthetischer Verbriefungspäckchen geeignet sind, ist mehr als fragwürdig.
Die Vertriebsprofis von Goldman Sachs priesen in den Verkaufsprospekten "Abakus 2007-AC1" als lukratives Investment in den US-Häusermarkt an und verschwiegen dabei wohl die potenziellen Risiken. Nicht nur die deutsche IKB fielen darauf herein. Im Verkaufsprospekt findet sich auch kein Hinweis, dass der US-amerikanische Hedge-Funds-Milliardär John Paulson auf einen Kollaps des US-Immobilienmarktes wettete und parallel an der Entwicklung der Kreditverbriefungen á la Abakus mitwirkte. John Paulson soll Goldmann dabei beraten haben, welche Kredite in das CDO-Paket gepackt wurden und wettete gegen die Investoren. Insider berichten, dass dies zur damaligen Zeit ein übliches Geschäftsmodell und Vorgehen an der Wall Street war. So sind die Sorgen vieler Experten berechtigt, die davon ausgehen, dass die SEC bis heute nur die Spitze des Eisberges gesichtet hat.
Allein die IKB verlor durch synthetische Schrottpapiere rund 150 Mio. US-Dollar. Eingeweihte ahnten jedoch bereits in den Jahren 2006/07, dass der US-Immobilienmarkt sehr bald wie ein Kartenhaus zusammenbrechen werde. So stützt sich die US-amerikanische Börsenaufsicht in ihrer Klageschrift gegen Goldman Sachs auf ein E-Mail ihres Angestellten Fabrice Tourre, der die Verbriefungspäckchen mit gestaltete: "Immer mehr und mehr Fremdfinanzierung steckt in diesem System, das ganze Gebäude steht jetzt kurz davor zusammenzubrechen" schrieb er im Januar 2007 an einen Freund. "Der einzige potenzielle Überlebende ist der fabelhafte Fab der inmitten dieser komplexen, stak fremdfinanzierten, exotischen Produkte steht, die er geschaffen hat, ohne eigentlich die gesamten Implikationen dieser Monstrositäten zu verstehen!" Trotz dieser Erkenntnis verkaufte der junge Goldman-Sachs-Manager Fabrice Tourre Hypothekenverbriefungen an gutgläubige Investoren, obwohl er die Papiere für wertlos hielt. Er habe Investoren wissentlich in die Irre geführt, so die Sicht der US-Börsenaufsicht SEC. Hätte der CDO-Experte die Investoren darauf hingewiesen, dass der Star der Hedge-Funds-Szene, John Paulson, gegen den US-Hypothekenmarkt wettete, hätte niemand sein Finanzprodukt "Abacus 2000-AC1" gekauft.
Die Grundidee der Verbriefung von Risiken aus Hypothekenrisiken wurde bereits Ende der 90er Jahre geboren: Über die Verbriefung werden Kreditforderungen via Asset Backed Securities an Investoren verkauft. Zu diesem Zweck wurden Forderungen und Risiken aus Portfolien von Hypothekenkrediten in Zweckgesellschaften (auch Special Purpose Vehicle, Conduit) gebündelt und im Anschluss als Mortgage Backed Securities (MBS), einer Form von forderungsbesichertem Wertpapier, an Investoren weitergegeben. Die synthetischen Schrottpapiere wurden dann sehr gerne von Banken, Versicherungen und Hedgefunds weltweit ins Portfolio genommen, da deren Kunden, Investoren und Aufsichtsräte auf der Seine hohe Rendite verlangten.
In einem späteren Schritt wurden die MBS-Tranchen wiederum in Zweckgesellschaften eingebracht und ein weiteres Mal verbrieft (Collateralized Debt Obligation, CDO). Ein diversifiziertes Portfolio konnte beispielsweise aus verschiedenen MBS-Tranchen mit einem Rating von "BBB" in Form einer Collateralized Debt Obligation (CDO) wiederverbrieft werden, wobei die höchstrangige Tranche der CDO ein erstklassiges Rating von "AAA" erhielt. In den Jahren 2000 und 2001 werden jeweils CDOs für 150 Mrd. US-Dollar verkauft, im Jahr 2002 sind es 200 Mrd. US-Dollar, im Jahr 2003 werden es 250 Mrd. US-Dollar sein. Ab dem Jahr 2006 lagen die Verkäufe über der Billionengrenze. Und Goldman Sachs und andere Wallstreet-Banken und Hedge-Funds verdienten prächtig mit.
Die Gegenargumente von Goldman Sachs kommen postwendend: Die Investoren hätten ja gewusst, auf was sie sich einließen. Bei synthetischen CDOs stünde einem Investor, der einen Anstieg erwartet, auch immer ein Gegenspieler gegenüber, der vom Gegenteil überzeugt ist.
Einen wichtigen Punkt haben die Goldmänner jedoch ausgeblendet: Persönliche Integrität und individuelle Führungsverantwortung sind die Basis einer soliden Unternehmensführung. Eine gelebte individuelle Verantwortungskultur ist insbesondere im Bankgeschäft unverzichtbar. Daher ist Goldman Sachs bereits jetzt (vor-)verurteilt und schuldig in allen Anklagepunkten. Bewährung ausgeschlossen. Reputationsverlust eingeschlossen.
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Kommentare zu diesem Beitrag
Der Steuerzahler zahlt also nun sowohl für die Anklage als auch für die Verteidigung. Ohne Worte.