Vorgaben, Vorgehen und Umsetzungsoptionen

Abwicklungsfähigkeit gemäß MaBail-in


Vorgaben, Vorgehen und Umsetzungsoptionen: Abwicklungsfähigkeit gemäß MaBail-in Kolumne

Im Juli 2019 hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die finale Fassung des Rundschreibens zu den Mindestanforderungen zur Umsetzbarkeit eines Bail-in (MaBail-in) veröffentlicht (Rundschreiben 05/2019). Durch einen Bail-in respektive eine Gläubigerbeteiligung wird die Abwicklung einer Bank ohne den Einsatz öffentlicher Mittel ermöglicht. Mit dem Bail-in steht dem Einheitlichen Abwicklungsausschuss (Single Resolution Board, SRB) und den nationalen Abwicklungsbehörden ein Instrument zur Verfügung, um zur Stabilisierung eines Finanzinstituts Finanzinstrumente oder allgemein Forderungen, die gegen dieses Finanzinstitut bestehen, zum Teil oder vollständig herabzuschreiben bzw. in Eigenkapital umzuwandeln. Die jüngsten Entwicklungen um COVID-19 (Coronavirus) dürften einen entsprechenden Handlungsbedarf noch einmal unterstreichen.

Zusätzlich zum MaBail-in – als definierte Anforderung an einen Bail-in – hat die BaFin zusammen mit der Deutschen Börse und dem WM Datenservice ein Merkblatt zur institutsexternen Implementierung der Herabschreibung und Umwandlung erstellt (Konsultation 10/2019). Dieses Merkblatt liefert einen Überblick über den Prozess der externen Bail-in-Implementierung, in dem den beteiligten Akteuren (BaFin, listende Börse, Institut/Agent, Zentralverwahrer) unter Berücksichtigung zeitlicher Abläufe konkrete Zuständigkeiten und Kommunikationswege zugewiesen werden. Der vorliegende Beitrag widmet sich den Grundsätzen des Rundschreibens 05/2019 sowie der Konsultation 10/2019, dem Vorgehen bei einem externen Bail-in sowie möglichen Lösungsansätzen, die Instituten zur Verfügung stehen, um den informatorischen Anforderungen hinsichtlich ihrer Abwicklungsfähigkeit zu begegnen.

Mindestanforderungen zur Umsetzbarkeit eines Bail-in (MaBail-in)

Seit 2016 erhebt der SRB als für die Abwicklung zuständige Behörde der Europäischen Bankenunion im Rahmen der jährlich zu meldenden Minimum Requirement on Eligible Liabilities (MREL) Einzelgeschäftsdaten zur Passivseite von großen und international tätigen Instituten im Euroraum. Anhand dieser im Liability Data Report (LDR) abzubildenden Daten stellt das SRB die Abwicklungsfähigkeit der betreffenden Institute fest.

Die Anforderungen zur Umsetzung eines MaBail-in erreichen ihren vorläufigen Höhepunkt mit der Berechtigung des SRB, auch zu einem beliebigem Stichtag Ad-hoc-Informationen zur Abwicklungsfähigkeit einzuholen. Dies geschieht mittels einer in 2018 veröffentlichten Gläubigerliste, die aus 40 Feldern besteht. 21 dieser Felder lassen sich aus dem originären LDR ableiten. Bei den 19 verbleibenden Feldern handelt es sich um neue Anforderungen. Abb. 01 liefert einen Überblick zum MaBail-in gemäß Rundschreiben 05/2019.

Abb. 01: Überblick zum MaBail-in (Rundschreiben 05/2019) [Quelle: Eigene Darstellung]Abb. 01: Überblick zum MaBail-in (Rundschreiben 05/2019) [Quelle: Eigene Darstellung]

Seitens der BaFin werden im Rahmen des MaBail-in folgende Anforderungen gestellt:

  • Institute müssen der BaFin zu einem beliebigen Stichtag Detailinformationen innerhalb von 24 Stunden zu wesentlichen Positionen der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung, zu aufsichtsrechtlichen Eigenmitteln und risikogewichteten Aktiva sowie wesentlichen Methoden, Annahmen und Einschätzungen der Abwicklungseinheit bereitstellen [Vgl. BaFin 2019a, S. 8ff.].
  • Banken müssen zu den betreffenden Positionen innerhalb von 12 Stunden institutsintern Auswirkungen eines potentiellen Bail-in (interne Auswirkungsanalyse) ermitteln [Vgl. BaFin 2019a, S. 10ff.].
  • Personelle und technische Ressourcen müssen einerseits vorgehalten werden, andererseits müssen Systeme und Prozesse so implementiert sein, dass die Bereitstellung vollständiger, korrekter und konsistenter Informationen innerhalb des vorgegeben Zeitrahmens erfolgen kann [Vgl. BaFin 2019a, S. 11ff.]

Vorgehen zur externen Bail-in-Implementierung

Im Merkblatt zur MaBail-in schreibt die BaFin in zwanzig operativen Schritten einen externen Bail-in innerhalb von fünf Werktagen vor. Dieser in Abb. 02 dargestellte Prozess beginnt mit der Veröffentlichung der Abwicklungsanordnung und endet mit der internen und externen Bail-in-Implementierung [Vgl. BaFin 2019b, S. 18ff.]. Beteiligt sind die BaFin als zuständige Aufsichtsbehörde, die betreffende Bank, der WM Datenservice, der Zentralverwahrer, die listende Börse, die Verwahrer des Vermittlungskontos sowie die Depotbanken. Dieser Prozess gilt zunächst für ein zuvor definiertes Basisszenario und soll schrittweise höhere Komplexitätsstufen erreichen.

Abb. 02: Handlungsstränge der Institute zum betreffenden Zeitpunkt nach Abwicklungsanordnung [Quelle: In Anlehnung an BaFin 2019b, S. 17]Abb. 02: Handlungsstränge der Institute zum betreffenden Zeitpunkt nach Abwicklungsanordnung [Quelle: In Anlehnung an BaFin 2019b, S. 17]

Zunächst erfolgt die Bekanntgabe der Abwicklungsanordnung durch die BaFin. Hierzu wird einerseits die betreffende Bank, andererseits die listende Börse informiert [Vgl. BaFin 2019b, S. 18]. Die Börse setzt am ersten Tag nach dieser Anordnung den Handel der Wertpapiere aus; dies erfolgt mittels einer Mail an das entsprechende Institut [Vgl. BaFin 2019b, S. 20].

Gegebenenfalls erfolgt ein Settlementblocking durch den Zentralverwahrer, d.h. offene Transaktionen mit diesen Instrumenten können im Anschluss nicht mehr abgeschlossen werden. Die betreffenden Wertpapiere werden von Fremdkapital in Eigenkapital, d.h. in Aktien, umgewandelt, für die im Anschluss neue Internationale Wertpapierkennnummern (ISIN) generiert werden [Vgl. BaFin 2019b, S. 22ff.]. Hierfür ist die National Numbering Agency (NNA) als jeweilige nationale Stelle für die Vergabe der ISIN zuständig. Ein Anweisungsschreiben sowie eine Liste mit ISINs werden vom Institut erstellt und an den Zentralverwahrer weitergeleitet.

Am zweiten Tag nach der Abwicklungsanordnung informiert die BaFin die Börse über die Merkmale dieser neuen Aktien. Das Institut erstellt daraufhin die Globalurkunde für die neuen Aktien, damit der Zentralverwahrer die Aktien generieren kann. Die NNA erstellt die technische Datenbasis über eine geeignete Schnittstelle, wodurch die technische Bail-in-Implementierung für den Zentralverwahrer vorbereitet wird [Vgl. BaFin 2019b, S. 28ff.]. Anschließend erfolgt am dritten und vierten Tag die technische Umsetzung des Bail-in: Hierzu werden zunächst alle Aktien gelöscht, Nennwerte reduziert und neue Aktien systemseitig abgebildet.

Am fünften Tag nach der Abwicklungsanordnung erfolgt die Bail-in-Verbuchung im System des Zentralverwahrers auf verschiedenen Teilnehmerkonten. Da systemseitig keine Kundeninformationen zu den Instrumenten vorliegen, kann eine Umwandlung der neuen Aktien nicht unmittelbar in den Depots vorgenommen werden, sondern erfolgt über entsprechende Vermittlungskonten. Die Preise der Aktien können durch die Börse wieder festgesetzt und veröffentlicht werden. Dadurch wird ein Handel der betroffenen Aktien ermöglicht. Um die Anzahl von Teilrechten bei sogenannten Bruchstückaktien, die bei der Umwandlung entstehen können, zu verringern, kann eine sogenannte Teilrechtsregulierung durchgeführt werden. Diese Teilrechtsregulierung geschieht, indem verhältnismäßig unwesentliche Kaufs-und Verkaufsorders der neuen Anteilseigner reduziert werden.

Handlungsoptionen

Institute können zur Erfüllung der Ad-hoc-Anforderungen bei der Verarbeitung und Bereitstellung von Detailinformationen auf verschiedene Handlungsoptionen zurückgreifen. Als erste Handlungsoption steht den Instituten die Möglichkeit zur Verfügung, eine vollständige manuelle Befüllung der von der BaFin vorgegebenen Gläubigerliste vorzunehmen. 20 von 41 Feldern der Gläubigerliste lassen sich aus dem LDR ableiten. Die verbleibenden Felder müssen anderweitig zugespielt werden. Eine manuelle Befüllung der Gläubigerliste, z.B. auf Basis von Monatsultimodaten, kann erwägt werden, wenn aufgrund eines überschaubaren und/oder wertstabilen Portfolios wenig "Bewegung in den Daten" zu erwarten ist. Ebenso ist es für die Anwendbarkeit dieser Handlungsoption erforderlich, dass sich alle relevanten Instrumente (inklusive Gläubiger) exakt und vollständig identifizieren lassen.

Die zweite Möglichkeit sieht die Verwendung einer einschlägigen Meldewesensoftware für die bereits vorhandenen Felder des LDR vor. Durch den Einsatz von Meldewesensoftware wird im Vergleich zur ersten Variante eine höhere Automatisierung der Datenbefüllung geschaffen. Grundlage für diesen Ansatz bildet der Datenbestand zur Passivseite auf Einzelgeschäftsebene. Sofern nicht bereits vorhanden, fallen nach der Übertragung dieses Bestands in die Gläubigerliste analog zur ersten Handlungsoption weitere Datenanreicherungen, Mappings und Ableitungen an. Diese ermöglichen die Zuordnung der Einzelgeschäfte zu den entsprechenden Meldepositionen. Da gemäß Konsultation 10/2019 verschiedene Akteure beteiligt sind, bietet sich in diesem Zusammenhang die Errichtung von Datenanbindungen zu den Systemen der beteiligten Akteure an. Ein Großteil der Arbeit könnte vor allem für zentrale Marktakteure, wie die Deutsche Börse oder der WM Datenservice, anfallen, was einerseits den Meldeaufwand für Banken verringert, andererseits die Qualität der den Aufsichtsbehörden gemeldeten Daten verbessert.

Als dritte Handlungsoption kommt der Aufbau eines Data Marts in Frage, der eigens für die Zwecke der Abwicklungsplanung und -durchführung die erforderlichen Daten vorhält [Zu den grundsätzlichen Eigenschaften eines Data Marts vgl. Chamoni/Gluchowski 2016, S. 156ff.]. Durch den Einsatz eines Data Marts lassen sich über die Bereitstellung der relevanten fachlichen Informationsobjekte (in Form von sogenannten Dimensionen) und Metriken die verschiedenen Berichtsanforderungen z.B. in puncto Ad-hoc-Reporting umsetzen [Vgl. hierzu auch Golla/Pastwa/Rosenbauer 2015, S. 15ff.]. Die Umsetzung hängt vor allem von der Größe und der Kostenstruktur des jeweiligen Instituts ab. Exemplarisch würden in diesem Data Mart z.B. eine Schuldverschreibung (Wertpapier-Dimension) zu einem beliebigen Stichtag (Zeit-Dimension) mit ihrem entsprechenden Ausgabebetrag (Wert-Dimension) und jeweiligen Wert (Metrik) abgefragt werden können. Das hierfür erforderliche Datenmodell ließe sich für die Implementierung eines externen Bail-In z.B. um einen Herabschreibungsprozentsatz erweitern, der in einer entsprechenden Herabschreibungs-Dimension vorgehalten würde.

Fazit

Institute besitzen zur Erfüllung der Vorgaben der BaFin verschiedene Handlungsoptionen zur Durchführung eines Bail-in. Von einer rein manuellen Bereitstellung der für das Bail-in erforderlichen Informationen sind Umsetzungen denkbar, die über den Einsatz einer Meldewesensoftware oder eines Data Marts Automatisierungspotenziale bieten.

Bei der Planung und Durchführung einer Abwicklung handelt es sich um einen vielschichtigen Prozess, bei dem diverse Akteure auf dem Finanzmarkt involviert sind. Betroffene Institute müssen hierfür auf ihren bereits bestehenden Prozessen und Prozesskontrollen aufsetzen und daraus für sich den Bail-in-Prozess ableiten. Stör- oder Fehlerquellen in der Aufbau- und Ablauforganisation sowie informationstechnischen Ausstattung sind zu identifizieren und zu beheben, damit das Institut ad-hoc und vollständig berichten kann. Die IT- und Fachabteilungen müssen vor diesem Hintergrund gemeinsam die Auswirkungen eines Bail-in auf ihr Institut abschätzen. Hierzu ist es erforderlich, entsprechende Simulationen der Auswirkungen auf die Aktiv- und Passivpositionen der Bilanz sowie auf die aufsichtsrechtlichen Eigenmittel durchzuführen. Nach der Festlegung der Bail-in-Organisation müssen Institute einen angemessenen Validierungsprozess festlegen und dokumentieren. Zudem sollten sie grundlegende Ausführungen zur Konsultation 10/2019 in einem "Playbook" berücksichtigen und die im vorliegenden Beitrag vorgestellten Implementierungsansätze diskutieren und umzusetzen.

Quellenverzeichnis sowie weiterführende Literaturhinweise:

  • BaFin [2019a]: Rundschreiben 05/2019 (A) - Mindestanforderungen zur Umsetzbarkeit eines Bail-in (MaBail-in).
  • BaFin [2019b]: Konsultation 10/2019 (Merkblatt zur externen Bail-in-Implementierung).
  • Chamoni, P./Gluchowski, P. [2006]: Analytische Informationssysteme, Springer-Verlag, 5. Auflage, Berlin.
  • Golla, G./Pastwa, A./Rosenbauer, K. [2015]: Risk Data Aggregation (RDA) – Teil IV: BCBS #239 – Umsetzung und Anwendung der Prinzipien 2015/2016, in: RISIKO MANAGER, Nr. 22 / 2015, S. 15-17.

Autoren:

Andreas Schulte, Senior Consultant, Deloitte GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Risk Advisory, Frankfurt am Main.Andreas Schulte
, Senior Consultant, Deloitte GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Risk Advisory, Frankfurt am Main.
Dr. Alexander Pastwa, Senior Manager, Deloitte GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Risk Advisory, Düsseldorf.Dr. Alexander Pastwa, Senior Manager, Deloitte GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Risk Advisory, Düsseldorf.
Dr. Guido Golla, Director, Deloitte GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Risk Advisory, Köln.Dr. Guido Golla, Director, Deloitte GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Risk Advisory, Köln.

 

[ Bildquelle Titelbild: Adobe Stock ]
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