Warum überhaupt Risikomanagement? Die Antwort könnte lauten: Weil der Gesetzgeber dies von mir verlangt. Anders beim deutschen Sportartikelhersteller adidas, zu dem neben der Marke adidas auch die Marken Reebok und TaylorMade gehören. Der zweitgrößte Sportartikelhersteller der Welt versucht jederzeit systematisch, Chancen frühzeitig zu erkennen und zu ergreifen, um den Gewinn zu sichern und gleichzeitig den Unternehmenswert langfristig zu steigern. Der Erfolg der vergangenen Jahre gibt dem Unternehmen mit Sitz im fränkischen Herzogenaurach recht. Auf rund 12 Mrd. EUR summierte sich der Umsatz im Jahr 2010. Dieter Schmitt (Foto unten), Leiter Risikomanagement, wies anlässlich eines Vortrags auf dem Branchentreffen der Risikomanager darauf hin, dass es vor allem auch darum geht durch eine höhere Transparenz die Entscheidungsfindung zu verbessern und die Ressourcen besser zu allokieren. "Dabei ist uns bewusst, dass wir gewisse Risiken eingehen müssen, um Chancen bestmöglich nutzen zu können", so Schmitt weiter.
Transparente Risiko- und Chancenkommunikation
Im Zuge der jüngsten weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise sind die Erwartungen von Investoren und Finanzmärkten im Hinblick auf eine transparente und umfassende Risiko- und Chancenkommunikation deutlich gestiegen. Aus diesem Grund hat der adidas-Konzern in den vergangenen Jahren und Monaten die existierenden Risikoprozesse und -systeme genau analysiert. Dieter Schmitt weiter: "Ziel war dabei, unseren konzernweiten Ansatz zum Risiko- und Chancenmanagement zu stärken, das Bewusstsein innerhalb des Konzerns zu schärfen sowie gegebenenfalls die interne und externe Berichterstattung zu verbessern."
Die zentrale Konzernfunktion "Risikomanagement" hat auf der obersten Führungsebene Risikoverantwortliche bestimmt, die für die Überwachung von Risiken und Chancen in ihren jeweiligen Verantwortungsbereichen verantwortlich sind. Im Zuge dieses Prozesses wurde auch eine überarbeitete Konzernrichtlinie zum Risikomanagement (Group Risk Management Policy) erarbeitet und umgesetzt. In dieser Richtlinie sind die Grundsätze, Verfahren, Instrumente, Risikobereiche und Kompetenzen innerhalb des Konzerns niedergelegt. Ferner sind darin auch die Anforderungen an die Berichterstattung und Kommunikationspflichten festgelegt.
Der adidas Konzern wird regelmäßig mit Risiken und Chancen konfrontiert, die sich sowohl positiv als auch negativ auf die Vermögenswerte des Konzerns, den Gewinn, den Cashflow, aber auch und vor allem auf immaterielle Werte wie das Markenimage auswirken können.
"Wir verstehen Risiken als potenzielle finanzielle Auswirkungen durch das Eintreten eines internen oder externen Ereignisses bzw. einer Folge von Ereignissen, welches das Erreichen unserer Geschäftsziele negativ beeinflussen kann", so Schmitt. Chancen werden als potenzielle finanzielle Auswirkungen durch das Eintreten eines internen oder externen Ereignisses (bzw. einer Folge von Ereignissen), welches das Erreichen der Geschäftsziele positiv beeinflussen kann, definiert.
Set the tone from the top
Da Risikomanagement zu den originären Leitungsaufgaben der Geschäftsleitung gehört, trägt der Vorstand der adidas AG die Gesamtverantwortung für das Risiko- und Chancenmanagementsystem. Der Aufsichtsrat der adidas AG ist demgegenüber dafür zuständig, die Effektivität des Konzernrisikomanagementsystems zu überwachen, wobei diese Zuständigkeit vom Prüfungsausschuss des Aufsichtsrats wahrgenommen wird.
Hauptziel des Risikomanagementsystems ist es, den Unternehmenswert zu sichern und weiter zu steigern. Dazu setzt der Sportartikelhersteller aus Herzogenaurach bei der Entscheidungsfindung auf einen Ansatz, der chancenorientiert ist, ohne dabei die Risiken außer Acht zu lassen.
Risk Universe bei adidas
Ein wesentlicher Bestandteil eines optimalen Risiko- und Chancenmanagementsystems ist für den adidas Konzern die Identifikation und Bewertung von Risiken sowie risikomindernden Maßnahmen und Chancen an der Stelle, an der sie auftreten. Daneben ist ein aufeinander abgestimmter Ansatz der Steuerung, Überwachung und Berichterstattung von besonderer Bedeutung. Im Bereich der Risiko- und Chancenidentifikation wird fortlaufend sowohl das gesamtwirtschaftliche Umfeld und die Entwicklungen in der Sportartikelindustrie als auch interne Prozesse überwacht. Die Risikoverantwortlichen sind hauptverantwortlich für die Identifikation der Risiken und Chancen. Um die Risikoverantwortlichen bei der Identifikation und Kategorisierung von Risiken und Chancen zu unterstützen, hat die zentrale Konzernrisikomanagementfunktion einen Katalog potenzieller Risiken ("Risk Universe") erstellt. Zu den Aufgaben der jeweiligen Risikoverantwortlichen zählt einerseits die aktive Beobachtung der möglichen finanziellen Auswirkungen von Veränderungen der gesamtwirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Lage. Andererseits verfolgen die Risikoverantwortlichen genau die Entwicklung von Marken, Vertriebskanälen und Preisen.
Ein Schlüsselelement im Identifikationsprozess ist die primäre qualitative und quantitative Marktforschung. Dazu zählen beispielsweise Trendscouting, Konsumentenbefragungen sowie Erfahrungswerte der Geschäftspartner und aus den von adidas kontrollierten Verkaufsflächen. Unterstützt wird dies durch weltweite Marktforschung und Wettbewerbsanalyse. Mit diesem Prozess versucht der Konzern, die Märkte, Kategorien, Zielgruppen und Produkte zu ermitteln, die auf lokaler und globaler Ebene in der Zukunft die größten Wachstumschancen bieten. Die Analysen konzentrieren sich gleichermaßen auf die Bereiche, in denen Risiken durch Marktsättigung, zunehmenden Wettbewerb oder durch sich wandelnde Vorlieben der Konsumenten bestehen.
Damit ein effektives Risiko- und Chancenmanagement sichergestellt werden kann, bewerten die Risikoverantwortlichen die identifizierten Risiken und Chancen einzeln anhand einer systematischen Bewertungsmethode. Diese wird konsequent angewandt und ermöglicht neben einer angemessenen Prioritätensetzung auch eine angemessene Zuweisung von Ressourcen. Unter finanzieller Auswirkung versteht adidas hierbei den größtmöglichen potenziellen Einfluss auf das Betriebsergebnis vor konzerninternen Lizenzgebühren. "Die finanzielle Auswirkung wird anhand von fünf Kategorien bewertet: unwesentlich, gering, moderat, wesentlich und groß", ergänzt Schmitt.
Wahrscheinlichkeit bezeichnet die Möglichkeit, dass ein bestimmtes Risiko bzw. eine bestimmte Chance eintritt. Die Eintrittswahrscheinlichkeit wird in fünf Kategorien zusammengefasst, um für verschiedene Risiko- und Chancenkategorien eine aggregierte Wahrscheinlichkeit darzustellen. Diese fünf Kategorien lauten unwahrscheinlich, möglich, wahrscheinlich, sehr wahrscheinlich und höchstwahrscheinlich.
Szenarioanalysen erlauben einen kleinen Blick in die Zukunft
Da Risiken und Chancen unterschiedliche Merkmale aufweisen, hat der Konzern verschiedene Methoden für die Beurteilung der potenziellen finanziellen Folgen festgelegt. Für jedes Einzelrisiko müssen der Bruttorisikowert und der Nettorisikowert ermittelt werden. Der Bruttorisikowert stellt dabei die größtmögliche negative finanzielle Auswirkung vor eventuellen risikomindernden Maßnahmen dar. Der Nettorisikowert stellt die erwartete finanzielle Auswirkung nach Umsetzung sämtlicher risikomindernder Maßnahmen dar. Dieser Ansatz ermöglicht einerseits ein umfassendes Verständnis darüber, welchen Einfluss einzelne risikomindernde Maßnahmen haben und bildet andererseits die Grundlage für Szenarioanalysen und -simulationen. Darüber hinaus müssen die jeweiligen Risikoverantwortlichen jedes Risiko unter zeitlichen Gesichtspunkten betrachten, um zu ermitteln, wann es eintreten könnte. Zur Bewertung ihres potenziellen Einflusses auf den Ergebnisbeitrag werden alle Chancen auf ihre Umsetzbarkeit, mögliche Risiken und den erwarteten Ergebnisbeitrag hin untersucht.
Nach der Bewertung der Risiken haben die Risikoverantwortlichen die Aufgabe, geeignete risikomindernde Maßnahmen zu erarbeiten und umzusetzen sowie Chancen in ihren jeweiligen Verantwortungsbereichen zu nutzen. Darüber hinaus müssen die Risikoverantwortlichen eine allgemeine Strategie zum Umgang mit den identifizierten Risiken erarbeiten. Dieter Schmitt: "Zu diesen Strategien zählen Risikovermeidung, Risikoverringerung mit dem Ziel, die finanzielle Auswirkung bzw. die Eintrittswahrscheinlichkeit zu minimieren, Risikotransfer auf Dritte oder Risikoakzeptanz. Die Entscheidung über die Umsetzung der entsprechenden Strategie berücksichtigt auch die Kosten in Verbindung mit der Effektivität etwaiger geplanter risikomindernder Maßnahmen."
Auf der einen Seite müssen Risikoverantwortliche Bruttorisiken mit einer potenziellen Auswirkung auf den Ergebnisbeitrag von mehr als 50 Mio. € dem Konzernrisikomanagement melden, und zwar unabhängig davon, wie hoch die Eintrittswahrscheinlichkeit eines solchen Risikos ist. Ebenso müssen Nettorisiken mit einer potenziellen Auswirkung auf den Ergebnisbeitrag von mehr als 1 Mio. € und die entsprechende Eintrittswahrscheinlichkeit berichtet werden. Wesentliche Veränderungen bei zuvor gemeldeten Risiken bzw. neu identifizierte Risiken mit einer potenziellen Nettoauswirkung auf den Ergebnisbeitrag von mehr als 5 Mio. € werden ad hoc dem Konzernrisikomanagement angezeigt.
[Bildquelle: adidas group]