Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) hält wegen der Folgen der Finanzmarktkrise ein gesetzgeberisches Eingreifen des Staates für nicht notwendig, sondern erwartet eine eigenständige Marktbereinigung. Das IW geht zudem davon aus, dass sich Vergleichbares nicht wiederholen dürfte. Die Fehlentwicklungen auf dem US-Hypothekenmarkt mit den daraus resultierenden Folgen für die Finanzwelt seien inzwischen zur Genüge analysiert. "Das lässt hoffen, dass dergleichen nicht noch einmal vorkommt", heißt es in einer jüngst veröffentlichten IW-Analyse. In Deutschland sei die Finanzmarktkrise zwar noch nicht ausgestanden und schon bislang hätten in Deutschland 50 Mrd. EUR an problematischen Krediten abgeschrieben werden müssen.
Der Verbriefungsmarkt ist im Sommer 2007 eingebrochen und hat sich seitdem kaum erholt. Dennoch ist nicht davon auszugehen, dass die Verbriefungstechnologie dauerhaft ihre Bedeutung einbüßen wird. Zu gewichtig erscheinen die Vorteile der Verbriefung im Hinblick auf die Risikoallokation, so die IW-Experten. Es wird allgemein davon ausgegangen, dass sich der Markt wieder erholen wird, wenn auch mit Modifikationen. Für das IW kann eine Parallele zur Krise der New Economy gezogen werden: "Wie im Rausch kauften die Investoren in den Jahren 1999 und 2000 Internet-Aktien, und jeder Börsengang wurde ein Erfolg. Nach dem Crash gingen viele Unternehmen in die Insolvenz, doch mittlerweile gibt es wieder eine breite Basis erfolgreicher Unternehmen in diesem Sektor."
Das IW führt verschiedene Punkte auf, wie zukünftig Krisen verhindert werden können und Finanzmarktsystem effizienter gestaltet werden kann:
Nur eine höhere Transparenz kann den Verbriefungsmarkt beleben
Im Verbriefungsmarkt wird es in erster Linie darum gehen, die offenbar gewordenen Probleme asymmetrischer Information zu lösen und das Vertrauen wieder herzustellen, so die IW-Experten. Hier sind – aus der Perspektive des IW – vor allem die Emittenten gefordert. In den letzten Jahren wurde der Verbriefungsmarkt zunehmend komplexer, und die zugrunde liegenden Assets konnten kaum noch eingeschätzt werden, vor allem bei den CDO, bei denen verschiedene ABS neu gebündelt wurden. "Solche komplexen Konstrukte sind kaum noch marktgängig und werden von den Investoren derzeit gemieden. Für die Emittenten muss es daher darum gehen, die Strukturen wieder zu vereinfachen und detaillierte Informationen über die zugrunde liegenden Forderungen und Sicherheiten zu bieten. Je besser die Emittenten ihre Produkte erklären können, desto eher werden Investoren bereit sein, die Risiken zu übernehmen. So einfach ist die Formel des IW. Gegebenenfalls werden die Investoren außerdem verlangen, dass sie kontinuierliche Informationen über die Entwicklung der zugrunde liegenden Forderungen und Sicherheiten erhalten, um Risiken besser abschätzen zu können. Insgesamt dürfte eine Verbesserung der Transparenz eine Schlüsselrolle in der Reaktivierung des Verbriefungsmarktes einnehmen, so das IW.
Haftung für Risiken
Noch überzeugender als Informationen ist jedoch die eigene Haftung für Risiken, so das IW. Es dürfte zunehmend von den Originatoren erwartet werden, dass sie die First-Loss-Position einnehmen, also die riskanteste Tranche eines ABS teilweise in ihren eigenen Büchern halten. Dies mindert für die Banken die Vorteile der Verbriefung, da sie somit ihr Eigenkapital nicht vollständig freisetzen können. Allerdings ist es auch aus der Versicherungswirtschaft bekannt – und Verbriefungen beinhalten ebenso wie Versicherungen einen Risikotransfer –, dass von den Versicherten zur Herstellung einer Interessenskongruenz ein Selbstbehalt gefordert wird.
Standardisierungen werden sich durchsetzen
Weiterhin ist davon auszugehen, dass sich zunehmend Standardisierungen durchsetzen werden, beispielsweise im Hinblick auf die Qualität der zugrunde liegenden Assets oder hinsichtlich der Informationsbereitstellung, so die Experten des IW. Vor allem Standardisierungen sind dazu geeignet, Komplexität zu reduzieren. Hierdurch wird ein Börsenhandel möglich, der auch institutionellen Anlegern entgegenkommen dürfte.
Effizienteres Rating = konservative Bewertung der Risiken
Auch die Rating-Agenturen sind gefordert, so die IW-Experten. Sie werden künftig sorgsamer und konservativer die Risiken bestimmen müssen. Allerdings bleibt es bei dem Dilemma, dass sie von den Originatoren bezahlt werden, weshalb eine vollständige Neutralität nicht zu erwarten ist. Damit sind die Investoren gefordert, die Risken selbst möglichst umfassend zu prüfen und zu bewerten.
Fazit: Keine weiteren Regulierungen erforderlich
Aus der Perspektive des IW erscheint eine staatliche Intervention, etwa in Form von Gesetzesänderungen, nicht notwendig, um den Markt zu stabilisieren. Erstens, weil eine Regulierung eine international abgestimmte Initiative bedingen würde, die derzeit unwahrscheinlich ist. Zweitens, und dies ist entscheidend, weil sich die Marktprobleme in Eigenregie lösen lassen. Wie bei vielen Innovationen gab es zunächst ein Überschießen der Nachfrage. Nach dem Crash werden die Investoren vorsichtiger agieren und ihre Anlagen wieder sorgfältiger prüfen. Dies sollte ausreichen, um den Markt vor neuerlichen Verwerfungen zu bewahren. Abgesehen von Transparenzregeln, würden dagegen zusätzliche Regulierungen tendenziell das Marktpotenzial vermindern und damit der volkswirtschaftlichen Funktion der Verbriefungsmärkte und der optimalen Allokation der Risiken entgegenstehen, so das IW.
[Eigener Text basierend auf: Jäger/Voigtländer: Hintergründe und Lehren aus der Subprime-Krise, in: IW-Trends – Vierteljahresschrift zur empirischen Wirtschaftsforschung aus dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln, 35. Jahrgang, Heft 3/2008]