Die nicht realisierten Verluste, die immer noch auf den Bankbilanzen schlummern, sind immens. Die Zentralbanken forcieren ganz bewusst eine Asset Price Inflation, um den Banken den Abbau ihrer Problem-Assets zu erleichtern. Dabei wird Liquidität völlig fehlallokiert und bar jeglicher ökonomischer Vernunft die Bildung spekulativer Blasen in Kauf genommen. Die immensen externen Ungleichgewichte sind nur ein Vorzeichen für das Unausweichliche: Die nächste Krise wird kommen, die Frage ist nur wann!
Bankenkrise geht weiter
IWF-Direktor Dominique Strauss-Kahn hat erst kürzlich darauf hingewiesen, dass global bislang erst etwa die Hälfte aller Verluste der Banken ausgewiesen ist. Rund 1.500 Milliarden US-Dollar toxischer Papiere schlummern noch auf den Bankbilanzen. Vor allem in Europa sieht der IWF noch signifikanten Abschreibungs- bzw. Wertberichtigungsbedarf. Es sollte nicht verwundern, wenn hier die Protagonisten der Jahre 2007/2008 – sofern es sie noch gibt – auch die der Zukunft sein werden.
Um die anstehenden ökonomischen und regulatorischen Herausforderungen bewältigen zu können, wird der Kapitalbedarf der Banken in den nächsten Jahren weiter steigen. Und Unternehmen stehen einer zurückhaltenden Kreditvergabepolitik der Banken gegenüber. Sie werden daher weiterhin auf Anleihen als Refinanzierungsinstrument zurückgreifen müssen und die Neuemissionsaktivität in diesem Bereich hoch halten.
Allerdings stehen nicht nur Banken und Unternehmen vor einem Refinanzierungsdilemma. Der Dubai-Vorfall und die Schuldenkrise Griechenlands haben gezeigt, dass auch Staaten davon betroffen sind. Einige osteuropäische Länder und China könnten schon bald Schwierigkeiten bekommen und in einen Abwärtsstrudel geraten, bedingt durch hohe Defizite, Ratingherabstufungen und weiter steigende Refinanzierungskosten.
Liquiditätsfalle
Die Aussage ist hart aber leider sehr zutreffend: Die Märkte werden vor allem durch die Liquiditätsspritzen der Zentralbanken getragen. Das ist natürlich auch so gewünscht, birgt allerdings eine große Gefahr. Liquiditätsgetriebene Rallyes führen zu spekulativen Blasen. Wenn man eine liquiditätsbedingte Blase mit noch mehr Liquidität bekämpft, macht man nichts anderes, als einem Drogenabhängigen noch mehr Drogen zu verabreichen. Das mag kurzfristig die Situation entspannen und die Symptome mildern. Langfristig wird sich aber an der Abhängigkeit nichts ändern. Schlimmer noch, die Abhängigkeit und die Dosen werden zunehmen.
Die Analogie zum Kapitalmarkt ist genau darin zu sehen: Die Liquidität, die zur Krisenbekämpfung eingesetzt wurde, übersteigt die Liquidität, die zur Krise geführt hat bei weitem. Heute wird der frühere US-Notenbankchef dafür gescholten, dass er nach dem Platzen der Dotcom-Blase im Jahr 2003 den Leitzins in den USA auf ein Prozent gesenkt hat. Aktuell liegt der amerikanische Leitzins bei 0,25 Prozent.
Möglicherweise rechtfertigt die Tatsache, dass damit eine "Kernschmelze" des Finanzsystems verhindert werden konnte, diese Maßnahme. Dennoch ist die Gefahr der Bildung spekulativer Blasen heute eher noch größer, als es nach dem Zusammenbruch des Neuen Marktes der Fall war. Die nächste Liquiditätsblase wird früher oder später wieder platzen. Und dann wird noch mehr Liquidität benötigt werden, um diese Krise bekämpfen zu können. Eine Art von Liquiditätsfalle.
Ende des Credit-Booms
Die massive Bereitstellung von Liquidität durch die Zentralbanken hat einen regelrechten Boom bei Credits und strukturierten Credits – also vor allem Unternehmensanleihen – ausgelöst. Insbesondere vom vierten Quartal 2008 bis zum zweiten Quartal 2009 floss dieser Asset-Klasse ein Großteil der Überschussliquidität zu. Die Ursachen dafür sind vielfältig: Beispielsweise mangelte es an attraktiven Alternativen. Außerdem ging die Risikoaversion der Anleger drastisch zurück. Beflügelnd wirkten zudem die Programme der Notenbanken zum Ankauf von Unternehmensanleihen, strukturierten Krediten und insbesondere Asset-Backed-Securities-Transaktionen.
Mittlerweile sind Unternehmensanleihen nicht mehr günstig bewertet. Es zeigen sich erste Anzeichen einer Blasenbildung. Die Rallye im Markt für Unternehmensanleihen, die wir 2009 erlebt haben, wird 2010 enden. Das Rückschlagpotenzial ist enorm. Vor allem eine zu erwartende restriktivere Geldpolitik in Kombination mit hohen Ausfallraten bis ins Jahr 2011 hinein und verschärften Regulierungsvorschriften für Banken bereitet Grund zur Sorge.
Angesichts dieses Szenarios ist es für Investoren umso wichtiger, sich gegen die entsprechenden Risiken an den Kreditmärkten adäquat abzusichern – beispielsweise in Form von Kreditausfallabsicherungen (Credit Default Swaps), die sich in Fondskonzepte integrieren lassen.
Interview mit Dr. Jochen Felsenheimer, Assenagon Asset Management S.A.
>> Zur Stützung des weltweiten Finanzsystems wurden und werden riesige Summen in die Märkte gepumpt. Wie realistisch ist es, dass diese Liquiditätsspritzen dem Geldkreislauf wieder entzogen werden können? Werden die Notenbanken bald vor der Entscheidung zwischen „Pest und Cholera“ stehen, d. h. entweder sie laufen Gefahr, einen eventuell aufkeimenden Aufschwung durch Zinserhöhungen und Liquiditätsverknappung gleich wieder abzuwürgen oder sie gehen das Risiko stark steigender Inflationsraten ein?
<< Jochen Felsenheimer: Solange eine reine Inflationierung der Vermögenswerte stattfindet, haben die Zentralbanken wenig Grund einzugreifen. Diese ermöglicht es den Banken, ihre Risikopositionen bilanzschonend abzubauen. Problematisch ist die Inflation auf der Gütermarktseite. Dort ist nicht damit zu rechnen, solange es zu keiner nachhaltigen Erholung der Weltwirtschaft kommt. Die Notenbanken fangen gerade an, erste Anzeichen zu geben, dass Liquidität entzogen werden könnte – ein Beispiel dafür sind die verschärften Lieferbarkeitskriterien der EZB für Asset Backed Securities. Das kann letztlich als Test interpretiert werden, ob die privatwirtschaftliche Refinanzierung bereits ohne staatliche Unterstützung funktioniert.
>> Während die Europäische Zentralbank einseitig auf das Ziel der Geldwertstabilität verpflichtet ist, soll die US-amerikanische Fed mit ihrer Politik auch das Wirtschaftswachstum unterstützen. Halten Sie diesen Ansatz für sinnvoll oder hatte nicht gerade die Strategie des billigen Geldes, die in den Jahren vor der Krise von Seiten der amerikanischen Notenbank verfolgt wurde, maßgeblichen Anteil an der Entstehung der Blase auf den Immobilienmärkten und der exzessiven Verschuldung der Konsumenten?
<< Jochen Felsenheimer: Solange Vermögenswertinflation nicht als Kriterium aufgenommen wird, hilft weder der eine noch der andere Ansatz, weitere Krisen zu verhindern! Zentralbanken neigen zur Überversorgung mit Liquidität, weil sie die falschen Inflationsindikatoren verwenden. Die Strategie des billigen Geldes nach dem New Economy Crash hat mit Sicherheit zur Blasenbildung an den Immobilienmärkten geführt. Und so birgt diese Politik der Krisenbekämpfung auch heute wieder die große Gefahr, neue Krisen zu provozieren. Darüber sind sich die regulatorischen Institutionen durchaus bewusst. Das bedeutet letztendlich nichts anderes, als dass Krisen systemimmanent sind!
>> In den letzen Wochen gab es einige positive Anzeichen für eine Wende zum Besseren: Der DAX hat seit seinem Tiefpunkt im März deutlich zugelegt, die Banken vermelden wieder Milliardengewinne und auch die Auftragseingänge der deutschen Industrie sind überraschend stark gestiegen. Hat sich das Zeitfenster für tief greifende Reformen des Finanzsystems bereits wieder geschlossen? Kehren wir nach einigen eher kosmetischen Korrekturen wieder zum "business as usual" zurück oder halten Sie grundsätzliche Veränderungen des Finanzsystems noch für realistisch? Oder anders formuliert: Glauben Sie an die "Krise als Chance"?
<< Jochen Felsenheimer: Grundsätzlich glaube ich an die Krise als Chance zur Veränderung. Allerdings zeichnet sich ab, dass die große Chance, das internationale Finanzsystem nachhaltig zu stabilisieren, dieses Mal vertan wurde. Viele ursprünglich angedachten Reformen wurden nur halbherzig oder gar nicht umgesetzt. Möglicherweise war das Zeitfenster dafür zu kurz, der Wille nicht groß genug. Der politische Druck, Reformen umzusetzen, sinkt dramatisch mit einer positiven Performance der Märkte. Genau in dem Augenblick, in dem die entscheidenden Marktteilnehmer devot genug gewesen wären, spürbare regulatorische Veränderungen zu unterstützen, war der Regulator damit beschäftigt, die "Kernschmelze" des Systems zu verhindern. Als diese Arbeit getan war, waren leider die entscheidenden Marktteilnehmer wieder wesentlich selbstbewusster. So ist der krisenursächliche Mechanismus immer noch vorhanden – die nächste Krise folglich nur eine Frage der Zeit.
>> Welche der aktuell diskutierten Regulierungsschritte halten Sie für sinnvoll, welche sind Ihrer Einschätzung nach kontraproduktiv und welche weiteren wären erforderlich bzw. sinnvoll?
<< Jochen Felsenheimer: Die verschärfte Bankenregulierung durch höhere Eigen- und Risikokapitalhinterlegung, die Reduzierung der Moral-Hazard-Problematik bei systemrelevanten Instituten oder verschärfte Bilanzierungsvorschriften sind zu begrüßen. Allerdings greifen diese Änderungen nicht tief genug, um zukünftige Krisen zu verhindern.
Wenig sinnvoll sind Verbote von Kreditderivaten, weil diese wesentlich zur Effizienzsteigerung der Kreditmärkte beitragen. Nötige und sinnvolle regulatorische Entwicklungen dagegen – vor allem die Einrichtung von Clearing-Haus-Lösungen – sind zu begrüßen.
Abgesehen davon sehe ich allerdings vor allem folgenden Aspekt als zentral an: Regulatorische Arbitrage wird weiterhin bestehen. Der Wettlauf zwischen dem Regulierer und den Regulierten geht weiter – wahrscheinlich mit bekanntem Ausgang.
>> Durch die Wirtschaftskrise verschlechtert sich die Bonität vieler Schuldner, wodurch die Banken ihre Eigenkapitalunterlegung erhöhen müssen, was wiederum den Spielraum für ihre Kreditvergabe einschränkt. Vor diesem Hintergrund werden Stimmen laut, die Vorgaben von Basel II auszusetzen, um eine prozyklische Verstärkung des Abschwungs zu vermeiden. Trägt Basel II Ihrer Meinung nach zur Verschärfung der Krise bei und halten Sie eine Aussetzung und/oder Anpassung der Regularien daher für sinnvoll?
<< Jochen Felsenheimer: Banken handeln prozyklisch. Das tun sie aus rein ökonomischen Gründen, unterstützt von den Regulierungsvorschriften. Wenn man jetzt die Eigenkapitalvorschriften für Banken abmildert, wird der nötige Anpassungsprozess der Bankbilanzen an die ökonomischen Umstände nur länger dauern. Wenn der Staat bzw. der Regulierer versucht, der bessere Banker zu sein, ist das meistens fehlgeschlagen. Gerade in Deutschland gehören die quasi-staatlichen Banken zu den größten Verlierern.
>> Im Zuge der diversen Rettungs- und Konjunkturpakete hat die Staatsverschuldung weltweit nie da gewesene Höhen erreicht. Stellt sich nicht langsam die Frage, wie viele Schulden eine Volkswirtschaft überhaupt vertragen kann? Glauben Sie, dass die Schulden der öffentlichen Hand jemals wieder auf ein erträgliches Maß zurückgefahren werden können oder steuert das System unweigerlich auf den Kollaps zu?
<< Jochen Felsenheimer: Die Staatsverschuldung an sich ist nicht das zentrale Problem, es sind eher die damit verbundenen außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte. Das Direktoriumsmitglied der EZB Lorenzo Bini Smaghi resumiert in einer Rede 2008: "… external imbalances are often a reflection, and even a prediction, of internal imbalances. Economic policies … should not ignore external imbalances and just assume that they will sort themselves out." Diese immensen externen Ungleichgewichte sind ein Vorzeichen für das Unausweichliche: Die nächste Krise wird kommen. Die Frage ist nur wann.
>> Sie hatten darauf hingewiesen, dass die Verwerfungen an den Kreditmärkten nicht wie anfangs vermutet wurde temporärer, sondern struktureller Natur sind. Woran zeichnet sich das ab?
<< Jochen Felsenheimer: 2009 war ein Boomjahr für Unternehmensanleihen. Verwerfungen an den Kreditmärkten haben dazu geführt, dass durch den gleichzeitigen Kauf von Unternehmensanleihen und den dazugehörigen Kreditausfallabsicherungen eine Rendite erwirtschaftet werden kann. Dieses Phänomen wird als "negative Basis" bezeichnet. Die sich daraus ergebenden Opportunitäten hatten im März 2009 ihren Höhepunkt. Obwohl seitdem die Renditeaufschläge bei Unternehmensanleihen deutlich zurückgegangen sind, beobachten wir nach wie vor die Existenz signifikanter negativer Basen nicht nur bei Unternehmensanleihen, sondern auch bei Wandelanleihen, handelbaren Krediten, Asset Backed Securities und strukturierten Anleihen. Diese Verwerfungen stellen für uns einen Indikator da, dass die Kreditmärkte noch nicht so funktionieren, wie sie das vor der Krise getan haben.
>> Wie beurteilen Sie die positive Gewinnentwicklung im Banken- und Unternehmenssektor und die Erholung an den Aktienmärkten?
<< Jochen Felsenheimer: Auch wenn diese Entwicklungen den Schein erwecken, als ob das Schlimmste bereits hinter uns liegt, sehe ich bei einer nachhaltigen Erholung für die Kreditmärkte noch einige Fragezeichen. Vor allem drei Risikofaktoren bereiten Grund zur Sorge: Erstens werden Banken aufgrund strengerer Regulierungsvorschriften – beispielsweise im Hinblick auf Eigen- und Risikokapitalanforderungen – verstärkt als Risikoverkäufer, vor allem am Markt für Kredite und Asset Backed Securities, auftreten. Zweitens wird es bei Unternehmen zu anhaltend hohen Ausfallraten bis ins Jahr 2011 hinein und weiteren Qualitätsherabstufungen kommen. Das erhöht den Druck auf Banken zusätzlich, weil dadurch mehr Eigenkapital nötig ist oder eben der Abbau von Aktiva erforderlich wird. Und drittens wird die EZB langsam aber sicher ihren Kurs fortsetzten, den Märkten sukzessive Geld zu entziehen. Das Investitionsumfeld bleibt also insgesamt schwierig.
>> Was bedeutet dieses Szenario für die Marktteilnehmer und Anleger?
<< Jochen Felsenheimer: Anleger sollten tunlichst direktionale Marktrisiken vermeiden. Relative Value-Opportunitäten sind dagegen so attraktiv wie selten zuvor! Wir selbst nutzen verstärkt die bereits erwähnten Bewertungsdifferenzen in unseren Fonds aus. So machen wir uns unabhängig von der allgemeinen Marktrichtung und generieren weitaus attraktivere Risiko/Return-Profile, als das bei direktionalen Investments der Fall ist.
Jochen Felsenheimer ist Co-Head of Credit bei Assenagon Asset Management S.A. Er war von 2001 bis 2008 im Research der HypoVereinsbank (UniCredit Group) beschäftigt. Dort leitete er das Credit Strategy & Structured Credit Research-Team und war Stellvertretender Leiter des Global Credit Research-Teams. Er verantwortete alle Publikationen speziell zu den Themen Kreditmarkt, Kreditderivate sowie strukturierte Kredite und ist selbst Autor mehrerer Bücher und wissenschaftlicher Artikel zu den oben genannten Themenbereichen. Er promovierte an der volkswirtschaftlichen Fakultät der LMU München.
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Kommentare zu diesem Beitrag
Was haben die ganzen Konferenzen und Regulierungsvorschläge gebracht? Alles Schall und Rauch? Business as usual ... mir fehlen die Worte! ;-(