Konkurrenz für den Dollar

Auf dem Weg zum Multi-Währungssystem


Konkurrenz für den Dollar: Auf dem Weg zum Multi-Währungssystem Kolumne

Die Amerikaner haben derzeit nicht nur bei Spionage und Datensicherheit Probleme mit ihren Partnern. Auch in finanzieller Hinsicht gibt es zunehmend Ärger. Zuerst musste sich Argentinien bei der Bedienung des Schuldendienstes früherer Dollar-Anleihen einem amerikanischen Gericht unterwerfen. Dem Land droht dadurch eine Insolvenz. Dann wurde die französische Bank BNP zu einer Strafe von unglaublichen 9 Mrd. US-Dollar verurteilt. Sie muss zahlen, weil sie sonst den wichtigen Zugang zu den Dollar-Märkten verliert. Jetzt ist dem französischen Finanzminister der Kragen geplatzt. Er forderte, dass sich die Finanzwelt stärker vom Dollar emanzipieren müsse.

Solchen Ärger hat es in der Vergangenheit schon häufiger gegeben. Immer wieder unternahmen einzelne Länder den Versuch, sich aus der Abhängigkeit vom Dollar zu lösen. Zeitweise geschah das – vor allem in Schwellen- und Entwicklungsländern – durch Kapitalverkehrskontrollen. Die Europäer gründeten den Euro nicht nur zur Förderung der Integration. Sie wollten auch vom Dollar unabhängiger werden. 

So richtig gelungen ist die Emanzipation freilich nicht. Nach wie vor ist der US-Dollar die Schlüsselwährung der Welt. Über 60 Prozent der Währungsreserven der Welt werden in US-Dollar gehalten. Der überwiegende Teil des Welthandels wird in Dollar abgewickelt. Bei den Umsätzen auf den Devisenmärkten liegt der Anteil des Greenbacks bei 80 Prozent.

Das hängt nicht so sehr mit der Dominanz der amerikanischen Politik oder der großen US-Volkswirtschaft zusammen. Es wurde von niemandem verordnet. Es beruht ganz einfach auf den großen und liquiden amerikanischen Geld- und Kapitalmärkten. Sie sind einzigartig in der Welt. In keiner anderen Währung können sich Unternehmen und Banken ähnlich leicht finanzieren und Transaktionen abwickeln. So etwas lässt sich nicht so schnell ändern. 

Der Dollar fällt zurück: Wachstum der Weltwährungsreserven in verschiedenen Währungen, Q1/1999 = 100 [Quelle: IMF, eig. Berechnung]

Der Dollar fällt zurück: Wachstum der Weltwährungsreserven in verschiedenen Währungen, Q1/1999 = 100 [Quelle: IMF, eig. Berechnung]

Trotzdem tut sich aber etwas. Die Grafik zeigt, wie der Dollar beim Wachstum der Währungsreserven richtiggehend abgehängt wird. Bei Einführung des Euros 1999 lag sein Anteil an den Weltwährungsreserven noch bei 71 Prozent. Jetzt beträgt er nur noch 61 Prozent. Bald wird er unter 60 Prozent fallen. In den letzten Jahren hat sich hier vor allem die Finanzkrise ausgewirkt. Die Partner der USA verlieren offenbar Vertrauen in die US-Währung. Besonders ausgeprägt ist das bei den Industrieländern, weniger bei den Schwellen- und Entwicklungsländern. 

Profitieren tut davon zuerst der Euro. Sein Anteil an den Weltwährungsreserven ist seit seiner Einführung kontinuierlich gestiegen (von anfänglich 18 bis auf 28 Prozent in der Spitze). In der Eurokrise wurde diese Entwicklung unterbrochen. Zentralbanken verabschiedeten sich aus dem Euro. Seit Anfang 2013 kommen sie aber zurück. Der Marktanteil liegt derzeit bei 24 Prozent.

Das Handicap des Euros ist inzwischen nicht mehr das mangelnde Vertrauen der globalen Investoren. Es ist der zu kleine Geld- und Kapitalmarkt. Wer den Euro im internationalen Geschäftsverkehr fördern will, muss daher keine Werbung für den Finanzplatz machen. Er muss dafür sorgen, dass die Egoismen bei den nationalen Kapitalmärkten überwunden werden. Einen ganz besonderen Schub gäbe es, wenn Großbritannien dem Euro beitreten würde. Dann wäre der europäische Kapitalmarkt mit einem Mal auf gleichem Niveau wie der amerikanische. Das gäbe dem Euro einen Riesenschub. Leider sieht es derzeit nicht danach aus. 

Noch interessanter ist die Entwicklung der "sonstigen Währungen". Sie lagen lange Zeit im Windschatten des Dollars. Ihr Anteil an den Weltwährungsreserven betrug 10 Prozent. Seit der Finanzkrise machen sie jedoch einen kräftigen Satz nach oben. Nach den neuesten Zahlen des IWF haben sie jetzt einen Marktanteil von 15 Prozent. Jeder denkt hier an das Britische Pfund (4 Prozent Anteil), den Japanischen Yen (ebenfalls 4 Prozent) und den Schweizer Franken (0,4 Prozent). Bei diesen Währungen tut sich aber nicht viel. 

Wo die Musik spielt, ist beim Chinesischen Renminbi. Leider gibt es keine Daten über die Bestände der Zentralbanken an dieser Währung. Sie dürften derzeit absolut gesehen kaum größer als die des Pfundes sein. Aber das Wachstum ist enorm.

Anders als beim Euro ist dies keine Marktentwicklung. Dahinter steht vielmehr in erster Linie die gezielte Förderung durch die Regierung in Peking. In allen Handelsabkommen, die sie abschließt, steht das Ziel, mehr Handel in Renminbi abzuwickeln. Freilich stößt diese Entwicklung irgendwann an Grenzen. Wenn China seine Geld- und Kapitalmärkte nicht ausbaut und – ganz besonders wichtig – sie nicht stärker für Ausländer öffnet, bleibt der Renminbi eine Nische. 

In jedem Fall wird es aber enger für den Dollar. Er bleibt zwar dominant. Die USA werden aber verletzlicher und müssen mehr Rücksicht auf die anderen nehmen. Umgekehrt werden die anderen vom Dollar unabhängiger. Das Multi-Währungssystem, über das wir so lange gesprochen haben, wird Wirklichkeit. Vielleicht braucht man also keine großen politischen Aktionen, wie sie der französische Finanzminister fordert, um die Probleme zu lösen, sondern nur etwas Geduld. Der Markt bewegt sich in die richtige Richtung.

Autor: 

Dr. Martin W. Hüfner, Chief Economist, Assenagon Asset Management S.A. 

[ Bildquelle Titelbild: © B. Wylezich - Fotolia.com ]
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