Emerging Risks

Auf der Suche nach den Risiken von morgen


Auf der Suche nach den Risiken von morgen News

Emerging-Risks-Researcher Rainer Sachs identifiziert für Munich Re die Risiken von morgen. Zusammen mit Spezialisten aus verschiedenen Bereichen schafft er Freiräume, in denen sich später neuartige Lösungen entfalten können.

Rainer Sachs stürzt morgens nicht gehetzt in sein Büro, er telefoniert nicht als Erstes wild gestikulierend mit Tokio oder Sydney. Er folgt seiner eigenen Taktung. Denn zusammen mit seinem Team identifiziert Sachs Emerging Risks: Risiken, die bisher noch nicht oder nur teilweise versicherbar sind, weil die Mechanismen und Lösungen dafür noch nicht erschöpfend erforscht sind.

Bei Munich Re leitet Sachs das Referat für "Kumule und Emerging Risk Management" im Bereich Integriertes Risikomanagement. Dort ist er verantwortlich für die Entwicklung und Anwendung von Methoden zur Risikofrüherkennung und Quantifizierung. Seine aktuellen Arbeitsgebiete umfassen die Modellierung vielschichtiger Risiken, Behavioural Economics und die Modellierung des Faktors Mensch im Risikomanagement.

Vielschichtige Systeme möglichst flächendeckend und gleichzeitig in der Tiefe verstehen – eine riesige Herausforderung, der sich Sachs schon früh stellte. Der Diplom-Physiker (TU München & University of Pune, Indien) promovierte mit Schwerpunkt Kosmologie am renommierten Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik über komplexe Systeme und Chaostheorie.

Der gemeinsame Blick über den Tellerrand lohnt sich

"Die Risikolandschaft hat sich mittlerweile stark verändert", erklärt Sachs. "Risiken werden immer komplexer. Unsere Herausforderung besteht darin, die verschiedenen Wechselwirkungen dieser Risiken zu verstehen. Um daraus Lösungen für unsere Kunden zu entwickeln, arbeiten wir übergreifend. Wir bringen Experten aus verschiedenen Bereichen an einen Tisch und beschreiben gemeinsam eine Risikolandschaft, die bisher noch nicht erschlossen ist."

Vor etwa fünf Jahren gründete Munich Re den Emerging-Risks-Thinktank, eine kleine leistungsfähige Gruppe von Mitarbeitern aus verschiedenen Bereichen. Die Gruppe entwickelt Szenarien für Situationen, die bisher undenkbar erschienen. Zu den Mitgliedern des Thinktanks zählen Underwriter, Juristen, Geologen, Soziologen, Mathematiker, Physiker und Mediziner – sie alle sind Experten, die mitunter jedoch völlig unterschiedliche Sprachen sprechen. Ein einfaches Beispiel: Der Begriff "Energie" bedeutet für den Physiker etwas anderes als für den Mediziner oder den Juristen. "Wir mussten als Erstes eine Atmosphäre schaffen, in der sich die Spezialisten gegenseitig respektieren und auf Augenhöhe über Themen diskutieren, die nicht immer zum eigenen Spezialgebiet zählen", erinnert sich Sachs an die Anfänge des Thinktanks.

Mittlerweile sind die Mitglieder des Thinktanks eine eingeschworene, höchst motivierte Gruppe. Denn der Reiz ihrer Arbeit besteht darin, neue Themen und Ansätze gemeinsam aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten. Dazu ist große Aufgeschlossenheit und Souveränität nötig. "Wenn wir Experten für Haftpflichtrisiken, für Lebensversicherungen und für Kapitalanlagen an einen Tisch bringen, um gemeinsam herauszufinden, wie eine Wirtschaftskrise auf unser Geschäft wirken kann, dann bewegen sich unsere Spezialisten schnell auf einem Gebiet, auf dem sie nicht mehr ganz sicher sind", bemerkt Sachs. Doch gerade dieser Mut und die nötige Offenheit, kurzzeitig angreifbar zu sein, öffnen letztendlich die Tür zu neuen Räumen, in denen sich neuartige Ansätze entwickeln können.

Freiräume schaffen und mit neuen Lösungen füllen

Freiräume kultivieren, die dann mit konkreten Lösungen ausgefüllt werden: In dieser Welt fühlt sich Rainer Sachs wohl und erklärt, was ihm dabei wichtig ist: "Emerging Risks wie eine drohende Pandemie haben nicht nur Auswirkungen auf unser Kranken- und Lebensversicherungsgeschäft, sondern auch auf Betriebsunterbrechungen, auf Haftpflicht, auch auf die Kapitalanlagen." Dass es sich lohnt, scheinbar undenkbare Szenarien weiter zu entfalten und im richtigen Moment Entscheidungen zu treffen, zeigt sich am Beispiel der Finanzkrise: „Im Oktober 2007 gab es bei uns erste Überlegungen, im Jahr 2008 entwickelten wir dann konkrete Szenarien. Ein Szenario war, dass es zu einer starken Rezession kommen könnte“, erklärt Sachs. "Unsere Fragestellung lautete damals: Was heißt das für unser Geschäft? Wo kann uns das treffen? Wir haben das in dem Kreis diskutiert und kamen auf verschiedene, ganz konkrete Steuerungsmaßnahmen: von einer Umschichtung der Kapitalanlagen bis hin zu Änderungen in der Versicherungstechnik und im Underwriting."

Als das Szenario dann Wirklichkeit wurde, war Munich Re vorbereitet und konnte schnell handeln. "Bei den Kapitalanlagen reduzierten wir rechtzeitig die Aktienanlagen, wir reduzierten die Limite für einzelne Banken und setzten bei den Staatsanleihen verstärkt auf gute Bonitäten. Darüber hinaus ließen wir insbesondere bei der Zeichnung von Neugeschäft Vorsicht walten."

Aus neuen Risiken Geschäftspotenzial entwickeln

Ein Dutzend großer Emerging Risks wie "kritische Infrastrukturen", "Auswirkungen des demografischen Wandels" oder das Thema "schädliche Substanzen in der Umwelt" beobachtet Rainer Sachs mit seinem Team. Eine bestens ausgebaute Datenbank hilft ihm, die möglichen Wechselwirkungen im Blick zu halten. Sachs: "Ein komplexes Risiko wie ein Stromausfall kann viele Auslöser haben, zum Beispiel eine überalterte Infrastruktur, einen Flugzeugabsturz oder eine Naturkatastrophe. Zugleich wirkt es sich aus auf viele Bereiche: beispielsweise das öffentliche Leben, Transport, Gesundheit oder die Versorgung."

Manche Risiken sind in der Datenbank schon sehr gut erschlossen, die Wechselwirkungen so erforscht, dass sich hervorragend nachvollziehbare Kausalketten darstellen lassen, wie es das zuvor noch nie gegeben hat. Für die meisten Risiken gibt es jedoch bisher nur wenige Daten, dafür aber ein qualitatives Verständnis, eine erfolgversprechende Spur, um mehr Transparenz der Wechselwirkungen zu erzielen.

Bei so vielen Themen und Risiken muss Sachs sich zuweilen wie ein Jongleur fühlen, der versucht, möglichst viele Teller in der Luft zu halten. "Wir leisten sogar mehr, denn die Teller sind auch noch untereinander verbunden", so Sachs. Wichtig ist ihm, dass all die Risiken und Gefahren viele Anknüpfungspunkte bieten, bei denen Munich Re die Kunden mit ihrer Expertise und innovativen Lösungen unterstützen kann. "Wenn die Emerging Risks möglichst grundlegend verstanden wurden, ergeben sich für unser Geschäft weitere Fragen: Welche Bedürfnisse werden die Risiken beim Versicherungsnehmer auslösen und welche Arten von Risikodeckungen kann man daraus entwickeln? Und auf dieser Basis entwickeln wir dann die konkreten Lösungen für unsere Kunden", sagt Sachs.

Wenn es dazu kommt, dann wird sich Sachs anderen, bisher unerschlossenen Risiken annehmen. Denn er folgt seiner eigenen Taktung. Und genau das schafft wertvolle Impulse für den Unternehmenserfolg und den Treibstoff für die Denkfabrik Munich Re.


[Quelle: Munich Re, Topics Online > wir danken der Munich Re für die freundliche Genehmigung einer Veröffentlichung, Bildquelle: iStockPhoto]

Kommentare zu diesem Beitrag

Oekoek68 /02.02.2011 23:17
@RiskNET Redaktion: Spannende Truppe, wo findet man etwas über die im Netz? Wie kommt man in diese Truppe rein?
Pleitegeier /03.02.2011 10:14
Spannend wäre auch, wie detailliert zukünftige Entwicklungen frühzeitig erkannt werden können. Den aktuellen Umsturz in den arabischen Ländern hatte wohl niemand auf seiner Risikolandkarte. Umgekehrt würde es auch wohl an Geheimdienstarbeit grenzen solche Ereignisse frühzeitig zu erkennen...
RiskNET Redaktion /03.02.2011 14:30
Im Informationsportal Munich Re Touch können eine Reihe von Informationen zum Thema "Emerging Risks" heruntergeladen werden:

https://www.munichre.com/touch/login/de/
Jo /03.02.2011 14:33
Ich bin mir sicher, dass "politische Unruhen" oder "Bürgerkriegähnliche Zustände" bzw. Bürgerkriege definitiv auf der Risikolandkarte eines Rückversicherers steht und auch bereits vor vielen Monaten stand. Die Frühwarnsignale in den nordafrikanischen Ländern und weiteren Ländern weltweit sind doch offensichtlich. Was erwartet man, wenn die Jugendarbeitslosigkeit zwischen 25 und 45 Prozent beträgt? Wer würde nicht auf die Barrikaden gehen, wenn via Internet und moderner Kommunikationskanäle transparent wird, dass es demokratische Länder gibt, in denen die Menschen Arbeit haben und in Freiheit leben ...
Andi /07.02.2011 09:10
Ziemlich innovativ die Munich Re ... davon sollten auch andere Unternehmen und Branchen lerne, bspw. Banken. Dann wären die von der letzten Finanzkrise nicht überrannt worden!
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