Noch eine positive Überraschung zu Jahresbeginn. Der französische Geschäftsklima-Index (Insée) ist im Januar so kräftig gestiegen wie schon lange nicht mehr. Er holt deutlich gegenüber dem deutschen ifo-Index auf (siehe Abbildung). Frankreich galt bisher eher als "Langweiler" in der Konjunktur. 2010 dürfte das Wachstum dort gerade einmal bei 1,6 Prozent gelegen haben. In Deutschland waren es 3,6 Prozent. Auch für 2011 wird in der revidierten Prognose des IWF, die diese Woche veröffentlicht wurde, keine größere Beschleunigung erwartet. Könnte es sein, dass sich das Bild jetzt ändert und dass wir nunmehr in Europa mit mehr Aufschwung rechnen können?
Abbildung: Frankreich holt auf [Quelle: Ifo, Insée]
Zuvor ein Caveat. Bei den neuen Zahlen aus Frankreich handelt es sich nicht um harte Fakten, sondern um Stimmungen und persönliche Einschätzungen. Sie können sich bekanntlich schnell ändern. Zudem sind es bisher erst zwei Monate, die besser ausgefallen sind. Da muss man mit weitergehenden Schlussfolgerungen vorsichtig sein.
Die Grafik zeigt, wie sehr Fakten und Stimmungen auseinander laufen können. In der letzten Rezession hat sich das französische Geschäftsklima wesentlich stärker als das deutsche abgeschwächt. Dabei war die Rezession in Frankreich gar nicht so schlimm wie in Deutschland. In Frankreich ging das reale Bruttoinlandsprodukt "nur" um 2,6 Prozent zurück, in Deutschland dagegen um 4,7 Prozent.
Die meisten Beobachter sind von der Besserung in Frankreich überrascht worden. Der Konsum ist dort nach wie vor schwach (wenn man von der Sonderkonjunktur bei den Autos absieht, die mit dem Auslaufen der staatlichen Förderung zusammenhängt). Die Arbeitslosigkeit ist mit knapp 10 Prozent unverändert hoch. Bei den Investitionen bewegt sich nicht viel.
In der Pariser Wirtschaftspolitik wird viel darüber geredet, dass man dem deutschen Modell nacheifern wolle. Viel zu sehen ist davon aber nichts. Positiv war die Erhöhung des Rentenzugangsalters. Negativ, die Kürzung der Arbeitszeit. Freilich hat auch in Deutschland die Wirtschaftspolitik nicht viel zum Konjunkturaufschwung beigetragen.
Der Grund für den aufkeimenden Optimismus ist viel einfacher (und verlässlicher). Es sind die Handelsströme in Europa. Frankreich profitiert davon, dass in Deutschland die Binnennachfrage angesprungen ist. Die französischen Lieferungen in die Bundesrepublik erhöhten sich schon im vergangenen Jahr um 10 Prozent. 2011 werden sie noch mehr wachsen. Die Bundesrepublik ist mit 16 Prozent der größte Abnehmer der französischen Exportindustrie.
Der Handel wird auch noch mehr Länder erfassen. Bisher beschränkte sich der Aufschwung in Europa nur auf einen kleinen Kern, nämlich Deutschland, die Schweiz und zuletzt Österreich. Das konnte angesichts der engen Handelsverflechtung im Binnenmarkt so nicht bleiben. Jetzt kommt Frankreich dazu. Nutznießer werden dann auch die Benelux-Staaten sein. Der belgische Geschäftsklima-Index hat sich zuletzt ebenfalls deutlich verbessert. In einer dritten Stufe werden die Mittelmeeranrainer mitgezogen werden. Für sie sind Frankreich und Deutschland wichtige Handelspartner. Damit steigt dann auch die Dynamik im Eurogebiet insgesamt. Bis jetzt war die Mehrzahl der Beobachter davon ausgegangen, dass der Euroraum in diesem Jahr etwa so schnell wachsen wird wie 2010 (1,8 Prozent). Jetzt wird die Zahl für 2011 wohl nach oben, auf 2 Prozent oder mehr, revidiert werden müssen.
Nicht in das Bild passen die schlechten Zahlen aus Großbritannien. Das reale Bruttoinlandsprodukt ist hier zuletzt um 0,5 Prozent gesunken. Das war enttäuschend. Es hängt aber auch damit zusammen, dass die Briten bei Handel und Währung mit dem Kontinent nicht so stark verflochten sind. Sie exportieren zum Beispiel 40 Prozent weniger nach Deutschland als das Frankreich tut. Hinzu kommt das schlechte Wetter im vierten Quartal. Auch in den anderen Ländern Europas könnte das reale Sozialprodukt im vierten Quartal 2010 witterungsbedingt langsamer gewachsen sein. Die Zahlen dazu kommen im Februar. Dafür könnte – wenn das Wetter keinen Strich durch die Rechnung macht – das erste Quartal umso besser werden.
Was bedeuten die günstigeren Konjunkturaussichten in Europa? Zunächst ist es natürlich gut für die davon betroffenen Länder. Sie wachsen wieder stärker. Die Beschäftigung nimmt zu. Die Arbeitslosigkeit wird sich verringern.
Auch Deutschland wird davon profitieren. Das Wachstum in der Bundesrepublik wird durch die Importe von den europäischen Nachbarn nicht verwässert. Im Gegenteil: Die deutschen Firmen bekommen zusätzliche Absatzchancen im europäischen Ausland. Der deutsche Handelsbilanzüberschuss, der von den anderen so kritisiert wird, wird sich nicht mehr so stark ausweiten, eventuell sogar zurückgehen.
Mehr Wachstum im Eurogebiet bedeutet auch eine Entspannung in der Eurokrise. Die Schuldnerländer am Mittelmeer sowie Irland müssen sich nicht mehr allein auf ihre politischen Konsolidierungsmaßnahmen verlassen. Sie bekommen Schützenhilfe von der Konjunktur. Erfahrungsgemäß ist mehr Wachstum ein wichtiger Beitrag, um die öffentlichen Schulden zu reduzieren.
Die bessere Konjunktur hat schließlich auch Auswirkungen auf die Geldpolitik. In der EZB wird zunehmend über eine Erhöhung der Leitzinsen nachgedacht. Bisher galten die unsichere Konjunktur und die Eurokrise als Gegenargument. Das wird sich jetzt ändern. Damit wird eine Zinsanhebung im zweiten Quartal (und nicht erst zum Jahresende wie Viele erwarten) immer wahrscheinlicher.
Autor: Dr. Martin W. Hüfner, Chief Economist, Assenagon Asset Management S.A.
[Bildquelle: iStockPhoto]
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