Rechtsexperten, Makler und Versicherer üben massive Kritik am neuen Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG), das der Deutsche Bundestag Mitte Juni diesen Jahres verabschiedet hat. Es ist am 5. August 2009 in Kraft getreten. Durch verschiedene Regelungen soll das Gesetz dafür Sorge tragen, dass bei der Festsetzung der Vergütung von Vorständen künftig verstärkt Anreize für eine nachhaltige Unternehmensentwicklung gesetzt werden. Auch soll es leichter möglich sein, Gehälter bei einer Verschlechterung der Lage des Unternehmens zu kürzen. Zudem wird durch das VorstAG bei D&O-Versicherungen von Aktiengesellschaften die Vereinbarung eines Selbstbehaltes für Vorstandsmitglieder zwingend vorgeschrieben. Mit der so genannten Directors' and Officers' Liability (D&O) schützen Firmen ihre Führungskräfte gegen Schadenersatzansprüche, die das Unternehmen selbst oder Dritte an die Manager wegen einer Pflichtverletzung stellen können.
"Schließt eine Gesellschaft eine Versicherung zur Absicherung eines Vorstandsmitglieds gegen Risiken aus dessen beruflichen Tätigkeiten für die Gesellschaft ab, ist ein Selbstbehalt in Höhe von mindestens 10 Prozent des Schadens bis zur Höhe des Eineinhalbfachen der festen jährlichen Vergütung des Vorstandsmitglieds vorzusehen", heißt es in der entsprechenden Formulierung. Für bereits bestehende D&O-Versicherungen wurde eine Übergangsfrist bis zum 1. Juli 2010 gewährt. Bis zu diesem Zeitpunkt müssen auch diese Verträge an die neue Gesetzeslage angepasst werden.
Die Anwendung des Gesetzes und dessen Interpretation ist derzeit noch mit vielen Fragezeichen versehen. "Das Gesetz führt am eigentlichen Ziel vorbei, da sich die Vorstände zukünftig privat absichern werden. Im Ergebnis führt das Ganze zu einem wahnsinnigen Bürokratieaufwand", sagt der auf Versicherungsrecht spezialisierte Anwalt Michael Hecker aus München. Dass die Haftung des Vorstands nicht zu beschränken ist, sei schädlich für die Rechtsform einer Aktiengesellschaft. "Bei dem Gesetz handelt es sich um blinden Aktionismus der Bundesregierung, der an den Anforderungen am Markt vorbei geht", meint Hecker.
Offenbar tun sich auch die Versicherer schwer, angemessene bzw. risikoadäquate Prämien für D&O-Versicherungen zu kalkulieren. "Die Kalkulation der Versicherungsprämien ist nicht transparent", weiß Michael Hendricks, Düsseldorfer Anwalt und Experte für D&O-Versicherungen. Für DAX-Unternehmen variierten die Preise je nach Anbieter zwischen 5.000 und 50.000 EUR. Diese Preistreiberei sei schädlich für den gesamten Markt. "Einige Versicherer haben blitzschnell so genannte Selbstbehaltsdeckungen auf den Markt geworfen, ohne die vielen offenen Fragen zunächst zu klären.", sagt Hendricks. Alle Experten sind sich darin einig, dass ein Verbot der Selbstversicherung verfassungswidrig wäre. Von einer "Klassenkampfgeburt im Gefolge des Wahlkampfes" spricht Markus English vom Industrieversicherer ACE in Frankfurt, der seit Mitte der neunziger Jahre auf dem deutschen Markt entsprechende Risiken zeichnet. Risikoadäquate Prämien seien in den letzten Jahren kaum mehr zu erzielen gewesen. In der Konsequenz habe sich ACE aus dem Markt zurückgezogen, sofern ein Abschluss unter risikogerechten Preisen nicht möglich war. "Das ist eine Frage der Risikokultur und des konsequenten Underwriting und Risikomanagements", sagt English. Ein Grund für die Politik eines eher konservativen Underwritings liegt in der Historie des Versicherers. ACE wurde im Jahr 1985 mit Sitz auf den Cayman Islands durch ein Konsortium von 34 Konzernen gegründet. Seit einem Jahr firmiert ACE als Aktiengesellschaft nach Schweizer Recht.
Die Risikoschätzung bei D&O-Versicherungen setzt sich aus mehreren Bestandteilen zusammen. Dazu zählen die Profitabilität und der Verschuldungsgrad des Unternehmens, die Fristigkeiten von Forderungen, die Liquiditätssituation und die Qualität des Managements. Im Rahmen einer Bilanzanalyse erheben die Versicherungsrisikomanager die Performance der letzten drei Jahre. Hinzu kommt die Einschätzung einer Branchenpositionierung sowie ggf. der Einbezug externer Ratings. Dadurch ist der Aufwand für den Versicherer relativ hoch. "Da die Prämien allerdings seit Jahren im Sinkflug sind, herrscht derzeit kein gesunder Wettbewerb", sagt Dankwart von Schultzendorff, Chef der ACE für die Länder Deutschland, Österreich und Schweiz. Dabei gibt von Schultzendorff zu bedenken, dass unterm Strich die gesamte Versicherungswirtschaft gemeinschaftlich dafür bezahlen müssen, wenn einzelne Versicherer nicht risikogerecht kalkulieren.
[Bildquelle: iStockPhoto]
Kommentare zu diesem Beitrag