Kapital, Regulierung und Renditen

Banken steuern in unsichere Zukunft


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Nachdem US-Präsident Obama Pläne für eine drastische Reform der US-Finanzbranche angekündigt hat, steht der globale Bankensektor erneut im Rampenlicht. Wie sich neue Gesetze und Regulierungen auf die Geschäftsmodelle und die Rentabilität der Banken auswirken, besonders mit Blick auf die Anforderungen an die Kapitalausstattung, bleibt weiter mit vielen Fragezeichen versehen – nicht nur in den USA, sondern weltweit. In diesem Artikel wird auf die prägenden Kernpunkte des Sektors eingegangen und dargelegt, wie sich die Ereignisse nach in den kommenden Monaten weiterentwickeln und welche Folgen das für globale Investorenhat.

Auch wenn viele Marktkommentatoren die Meinung vertreten, die weltweite Finanzkrise sei vorbei: Angesichts der Fundamentaldaten in der Bankenbranche fällt es schwer, daran zu glauben. Ein voll funktionsfähiger Bankensektor ist der Schlüssel für eine gesunde Wirtschaft, denn die Banken agieren als Mittler zwischen Sparern und Kreditnehmern. Dabei üben sie die wichtige Funktion der Kapitalumverteilung aus, bieten Sparern eine Rendite und machen es den Kreditnehmern möglich, zu wachsen und Wohlstand zu schaffen.

Die Aktienmärkte haben sich erholt und fast wieder das Niveau der Zeit vor der Krise erreicht. Auch die meisten Banken handeln wieder um den Buchwert herum oder sogar darüber. Das bedeutet jedoch nicht, dass auch die zugrunde liegende Rentabilität wieder die Normalität erreicht hat. Ziel dieses Artikels ist es, eine kurze Übersicht über die Probleme zu geben, mit denen der globale Bankensektor immer noch zu kämpfen hat, und die Kernpunkte zu klären, die Anleger bei einer heutigen Analyse der weltweiten Banken beachten sollten. Dabei möchten wir zunächst jedoch auf ein Risiko unserer Prognose hinweisen: das gefürchtete „Double-Dip-Szenario". Sollte der weltweiten Wirtschaft ein weiterer Abschwung ins Haus stehen, hätten die Banken unter einem erneuten Anstieg von Darlehensausfällen und den damit verbundenen Kosten zu leiden. Das wiederum hätte eine Wiederkehr der alles überschattenden Solvenzprobleme zur Folge, und zwar so lange, bis sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wieder bessern.

Angemessene Kapitalausstattung

Der erste Kernpunkt ist die angemessene Kapitalausstattung (oberflächlich definiert als die Fähigkeit der Banken, Verluste absorbieren zu können). Kapital stand in den vergangenen zwei Jahren zumeist an oberster Stelle. Banken wurden eher als insolvent betrachtet, als unter dem Gesichtspunkt der Unternehmensfortführung bewertet. Das änderte sich gegen Ende des Frühjahrs 2009. Seit dieser Zeit gab es rund um den Globus und vor allem in der westlichen Welt zahlreiche Rekapitalisierungen von Banken (Bezugsrechtsemissionen). Durch die Abwertung der investierten Vermögensbestände der Banken wurden Rekapitalisierungen erforderlich, wodurch ihr risikotragendes Kapital gemindert wurde. Was sich verschlimmerte, als sich herausstellte, dass viele der Kapitalkomponenten tatsächlich gar kein Risiko trugen. Das wiederum veranlasste Anleger dazu, sich nur noch auf das Eigenkapital zu konzentrieren. Wenn man dies mit den risikogewichteten Aktiva der Banken verglich, standen viele von ihnen sehr schlecht ausgestattet da.

Jüngste Entwicklung zum Thema Kapital ist das Regelwerk Basel III, das im Dezember 2009 angekündigt wurde und bis Ende 2012 vollständig umgesetzt sein soll. Die neuen Regeln zielen darauf ab, die meisten der Probleme aus den vergangenen zwei Jahren zu lösen, richten sich aber vorrangig an das Problem der Kapitalqualität. Die Regeln aus dem Basler Vorschlag sind (bis auf wenige Vorbehalte) relativ gut. Bei Durchsicht der neuen Regeln kann man also wahrscheinliche Gewinner und Verlierer ausmachen. Genau das hat der europäische Bankanalyst von Schroders, Justin Bisseker, getan. Er kam zu dem Schluss, dass die meisten Banken ohne Hilfe von außen mit den Änderungen klarkommen können. Von 30 paneuropäischen Banken gibt es seiner Ansicht nach nur sechs, die Anlass zur Sorge geben könnten, nämlich die irischen Banken, die Commerzbank und Natixis.

Doch das Basler Regelwerk ist bisher nur ein Vorschlag und könnte noch in wesentlichen Teilen geändert werden. Wir könnten uns vorstellen, dass das Endergebnis weniger drakonisch ist, beispielsweise mehr Kapitalarten zulässt und den Banken mehr Zeit lässt, die neuen Anforderungen zu erfüllen. An dieser Stelle ist noch nicht erkennbar, wie hoch die gesetzliche Latte gelegt werden wird, obwohl der Konsens dahin geht, die Anforderungen an das harte Kernkapital (Core Tier 1) viermal so hoch zu setzen wie vor der Krise (8 % gegenüber 2 %). Darüber hinaus wird im Vorschlag von „angemessenem Übergang und Grandfathering-Regelung" gesprochen, wobei es jedoch keine Details dazu gibt, wie dies aussehen wird.

Unsere Analyse ergab, dass Kapital für die Banken in Australien, Asien oder Lateinamerika kein Thema ist, aber für die drei größten japanischen Banken ein ernstes Problem darstellt. Zwei von ihnen haben bereits größere Kapitalerhöhungen durchgeführt und wir gehen davon aus, dass die dritte diesem Beispiel schon bald folgt. Die Aussichten für die US-Banken sind gemischt: Die meisten Namen sind zwar bis 2012 im sicheren Bereich, doch einige brauchen immer noch Kapital (größtenteils regionale Banken, aber auch einige der großen Firmen).

Gesamtkapitalrendite als bestimmender Faktor

Ein bestimmender Faktor dafür, ob eine Bank bis 2012 genügend Kapital zur Verfügung hat, ist ihre Rentabilität. Als Maß dafür bevorzugen wir die Gesamtkapitalrendite (GKR), da dadurch die Auswirkungen der Fremdfinanzierung ausgeklammert werden. Je höher die GKR, desto mehr Kapital erzielt eine Bank aus ihren zugrunde liegenden Aktivitäten. Die folgende Tabelle zeigt die geschätzte durchschnittliche GKR für verschiedene Länder und Regionen.

Durchschnittliche GKR (geschätzt zum Jahresende 2012):

  • Indonesien: 2,65 %
  • Indien: 1,56 %
  • China: 1,23 %
  • Singapur: 1,22 %
  • Korea: 1,16 %
  • Taiwan: 1,09 %
  • Hongkong: 1,08 %
  • Europa: 0,60 %
  • USA: 0,60 %
  • Japan: 0,27 %


Diese Zahlen belegen: Aus der Perspektive der Rentabilität sind diejenigen Regionen die schlimmsten, in denen die Krise ihren Ursprung nahm. Banken in Europa und den USA sind im Schnitt nur halb so profitabel wie aus den asiatischen Schwellenländern. Was darauf schließen lässt, dass es ihnen nicht so einfach gelingen wird, das Problem eines niedrigeren Anfangskapitals zu lösen. Aber die regionalen oder länderspezifischen Durchschnitte verschleiern deutliche Abweichungen innerhalb der einzelnen Gebiete. Und auch in der westlichen Welt werden viele Akteure sogar gestärkt aus der Krise hervorgehen. Das mag vielleicht nicht auf den japanischen Markt zutreffen, wo die Rentabilität niedriger ist als in den USA und Europa und die drei größten Banken erneut vor großen Hürden stehen.

Regulierungsinitiativen aus Washington und Brüssel

Nach Untersuchung der beiden augenscheinlichsten Messgrößen konzentrieren wir uns nun auf den vagsten Aspekt in der Zukunft der Bankenbranche, die Regulierung. Die vorangegangene Diskussion von Kapital und Rentabilität ist Voraussetzung für das Verständnis der jüngsten gesetzlichen Änderungen aus Washington oder Brüssel, die im aktuellen Umfeld den meisten Einfluss auf Bewertungen und Aktienkurse haben.

Die neuesten Vorschläge von der Regierung Obama konzentrieren sich darauf, die Größe und die Reichweite der Bankaktivitäten in zwei speziellen Bereichen einzuschränken. Da ist zunächst einmal die sogenannte "Volcker-Regel", die Banken den Besitz von, die Beteiligung an und die Unterstützung von Hedgefonds, Private-Equity-Fonds oder Eigenhandel auf eigenen Profit und ohne Zusammenhang mit dem Dienst an ihren Kunden untersagen will. Zweitens schlägt die Regierung Finanzierungsbeschränkungen vor, um allzu große Institute ("too big to fail") zu verhindern – zurzeit darf keine Bank mehr als 10 % der Gesamteinlagen halten und es besteht die Wahrscheinlichkeit, dass das auch auf andere Finanzierungsarten ausgeweitet wird. Wird die Finanzierung eingeschränkt, werden dadurch notwendigerweise der Größe und dem Wachstum großer Akteure Grenzen gesetzt.

Die neuen Vorschläge bringen den Bankensektor dem Glass-Steagall-Gesetz (ein früheres Gesetz, das eine Trennlinie zwischen Einlagen- und Wertpapiergeschäften zog) einen großen Schritt näher und verweisen auf eine langfristige Verlagerung bei der Regulierung von Banken. Bisher hat sich die Politik hauptsächlich darauf konzentriert, die Kapital- und Liquiditätspositionen der Banken zu verbessern. Nach den neuen Ankündigungen zeichnet sich nunmehr eine Präferenz für Einschränkungen der Marktaktivitäten ab. Das könnte zum Zwangsverkauf bestimmter Firmen führen und die zugrunde liegende Rentabilität der Banken drastisch verändern.

Wie beim Basler Regelwerk herrscht wenig Klarheit über die Einzelheiten der Vorschläge, insbesondere mit Blick auf die Definitionen der eingeschränkten Aktivitäten. Umfasst Eigenhandel die Einnahme von Positionen in Kundenflüssen? Gibt es neue Obergrenzen für nicht einlagenbasierte Finanzierungen? Sind alle Banken davon betroffen? Können Beteiligungsunternehmen von Banken aussteigen? Es ist daher relativ schwer, sich eine Vorstellung von den Folgen für die Geschäftsmodelle der Banken zu machen. Wahrscheinlich ist aber, dass die Rentabilität dadurch belastet wird.

Darüber hinaus hat der gesetzgeberische Aktionismus in den vergangenen Wochen deutlich zugenommen. Beispiele dafür sind die Einführung einer Bonussteuer in Großbritannien und Frankreich, Obamas Erhebung einer Sonderabgabe (Steuer auf Verbindlichkeiten, die durch staatliche Gelder gesichert sind) sowie das Konsumentenschutzgesetz (Consumer Finance Protection Act). Alle diese Maßnahmen drücken potenziell auf die Gewinne der Banken.

Als ob das noch nicht genug wäre, rechnen wir mit weiteren Schachzügen der Politiker in der westlichen Welt. So können wir uns nicht nur die Einführung einer Tobin-Steuer auf Finanzgeschäfte vorstellen, sondern auch Forderungen nach höheren Bankenzahlungen in den US-Garantiefonds für Einlagen oder höhere Liquiditätsanforderungen für große Großkundenbanken. Jede dieser Maßnahmen würde die Rentabilität weiter belasten.

Die globale Bankenbranche wird auf ihrem Weg in die Zukunft sehr vielen Unsicherheiten und Veränderungen begegnen. Wir als aktive Investoren ziehen daraus den Schluss, uns weiter auf die beiden Eckpfeiler der Bankenqualität zu konzentrieren: Stabilität und Rentabilität. Anlegern, die in einem Umfeld mit eingeschränkter Transparenz auf der sicheren Seite bleiben wollen, empfehlen wir, sich auf die Banken mit der besten Kapitalisierung und der höchsten Gesamtkapitalrendite zu konzentrieren. Ein hoher Eigenkapitalanteil in der Kapitalstruktur einer Bank ist wichtig, um zukünftige Einbrüche zu überstehen. Und natürlich versteht sich von selbst: Je höher und nachhaltiger die Rentabilität einer Bank ist, desto einfacher kann man Schlaglöchern ausweichen und auf der Überholspur bleiben.


Autor:  Jürgen Lanzer ist Global Sector Specialist – Financials bei Schroders


[Bildquelle: iStockPhoto]


Kommentare zu diesem Beitrag

Ruffel /24.02.2010 00:01
Rentabilität aber bitte nur unter Berücksichtigung der Risikoseite. Das war eine wesentliche Lehre der Finanzkrise, dass Investoren nur auf die Rentabilitätsseite geschaut hatten und die Risikoseite ausgeblendet wurde. Besser würde mir der Satz wie folgt gefallen: "Wir als aktive Investoren ziehen daraus den Schluss, uns weiter auf die beiden Eckpfeiler der Bankenqualität zu konzentrieren: Mittel- und langfristige (!!) Stabilität basierend auf einer stabilen Risikotragfähigkeit (!!) und angemessene risikoadjustierte Rentabilität (!!).
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