Die Regeln zur Abwicklung von Banken müssen nach Aussage von EZB-Direktor Yves Mersch so konstruiert sein, dass sie Institute in wirtschaftlich starken Ländern nicht begünstigen. Bei der 16. Euro Finance Week in Frankfurt machte Mersch klar, dass er bei dieser Mahnung vor allem Deutschland im Blick hat, dass sich gegen eine zentrale Bankenabwicklung wehrt.
Die 17 größten deutschen Banken sparen laut Mersch jährlich Zinskosten von 20 Milliarden Euro, weil ihre Gläubiger darauf vertrauen können, dass der Staat sie im Notfall retten würde. Damit soll nach der europäischen Richtlinie zu Bankenabwicklung (BRRD) eigentlich Schluss sein: Zunächst sollen die Aktionäre einen Beitrag leisten, danach Anleihegläubiger und erst wenn das nicht mehr reicht auch der Staat, also der Steuerzahler.
Aber wer sorgt dafür, dass diese Reihenfolge wirklich überall eingehalten wird? "Meiner Meinung nach bieten die Regeln, die jetzt auf dem Tisch liegen, immer noch zu viel nationalen Spielraum", sagte Mersch in Frankfurt. Er forderte, entweder Regeln mit gewissen Entscheidungsspielräumen zu versehen, sie dann aber supranational umzusetzen, oder aber nationale Entscheidungen zuzulassen, dann aber die Regeln sehr rigide zu gestalten.
"Problematisch wird es, wenn der Spielraum im Regelwerk dazu führt, dass die vorgesehene Aktionärs- und Gläubigerbeteiligung nur in finanziell klammen Ländern voll zum Einsatz kommt", sagte der EZB-Direktor. Wenn Gläubiger darauf vertrauen könnten, dass eine deutsche Bank im Notfall mit Steuergeldern gerettet werde, sie aber bei Banken in anderen Ländern - Spanien, Italien etwa - selber einspringen müssten, dann würden sie kaum für die Banken den gleichen Zinssatz akzeptieren.
Mersch verwies auf eine Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), laut der deutsche Institute wegen dieser unterstellten Staatsgarantie jährlich Zinskosten von 20 Milliarden Euro einsparen. "Das ist eine Subvention, die nicht unbedingt im Sinne eines gemeinsamen, einheitlichen Bankenmarkts sind", sagte Mersch.
Ihm schwebt deshalb eine zentrale Abwicklungsbehörde vor, die über die regelgerechte Ausnutzung nationaler Ermessensspielräume wacht. "Aufgabe dieser einheitlichen Abwicklungsbehörde wird sein, für zwei Dinge zu sorgen: Erstens dafür, dass nicht mehr lebensfähige Banken mit möglichst geringen Mitteln abgewickelt werden. Und zweitens dafür, dass diese Kosten von denjenigen getragen werden, die sie auch verursacht haben", sagte Mersch.
Deutschland favorisiert bei der Bankenabwicklung dagegen eine Kooperation nationaler Behörden. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble begründet diese Präferenz damit, dass für die Zentralisierung der Bankenabwicklung die europäischen Verträge geändert werden müssten. EU-Kommission und EZB halten das jedoch nicht für nötig.
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Die Entscheidung über den Chef bzw die Chefin der Bankenaufsicht in der Europäischen Zentralbank (EZB) soll nach den Worten von EZB-Vizepräsident "in Kürze" fallen. "Wir planen, dass der Europäische Rat seine abschließende Entscheidung im Dezember treffen kann", sagte Constancio bei der 16. Euro Finance Week in Frankfurt. Weitere Details zu der geplanten Bilanzprüfung sollen bis Ende Januar mitgeteilt werden.
EZB-Chef Mario Draghi hat die EU-Länder zum Abschluss der Bankenunion gedrängt. Nur damit lasse sich die Fragmentierung der Eurozone überwinden und Vertrauen in die Banken wiederherstellen, sagte Draghi in einer Rede beim European Banking Congress. Er sprach sich für einen gemeinsamen Abwicklungsfonds für Pleitebanken unter der Kontrolle einer europäischen Behörde aus und stellte sich damit gegen die Haltung der Bundesregierung.
"Wir brauchen eine starke und unabhängige Behörde, die Entscheidungen im europäischen Interesse fällt", forderte der EZB-Präsident. Hierfür seien dringend gemeinsame Regeln und eine Abstimmung der Aufsichtsbehörden notwendig. Nur so sei der Rettungsfonds ESM letztlich handlungsfähig.
Einen großen Teil seiner Rede widmete Draghi dem ersten Pfeiler der Bankenunion, der gemeinsamen Aufsicht unter dem Dach der EZB. Er kündigte an, dass am Nachmittag die dritte Gesprächsrunde mit einem Teil der 128 großen Geldhäuser stattfinden werde, um die Bilanzprüfung vorzubereiten. Die Kontrolle der Bücher werde aber mit Augenmaß passieren, versprach Draghi. "Sie haben ein Tagesgeschäft zu erfüllen."
Ende Januar wird die EZB nach den Worten ihres Chefs erste Details zum Stresstest bekanntgeben, der auf die Prüfung von Risiken und Kapital folgt. Sinn des Banken-TÜVs sei es, "die Transparenz zu erhöhen, damit private Anleger genau wissen, was in den Bilanzen steht und wieder Vertrauen in die Banken haben."
Die gemeinsame Aufsicht wird laut Draghi dazu führen, dass auf nationale Champions keine Rücksicht mehr genommen wird und die gleichen Regeln für alle gelten. "Das ist die Chance für einen wirklich europäisch integrierten Finanzsektor", betonte der Währungshüter. Er zeigte sich zuversichtlich, dass dann das Vertrauen wiederkehre und sich die Institute auf dem Interbankenmarkt Geld leihen werden.
Die anstehenden Stresstests für Europas Banken könnten nach Einschätzung der Bundesbank einigen Geldhäusern Probleme bereiten. "Wahrscheinlich wird man schon nach der Bilanzprüfung Banken finden, die sehr knapp an der geforderten Kernkapitalquote von acht Prozent liegen", sagte Bundesbank-Vizepräsidentin Sabine Lautenschläger in einem Interview mit dem Handelsblatt. "Diese Banken müssten ihr Kapital vermutlich aufstocken."
Nach einer Bilanzprüfung durch die Europäische Zentralbank müssen die Geldhäuser in einem Stresstest unter Beweis stellen, ob und wie gut sie für Krisensituationen wie etwa einen Konjunktureinbruch gewappnet sind. "Es ist möglich, dass nicht alle Banken diese harte Überprüfung überstehen", sagte Lautenschläger der Zeitung. "Aber die Frage, wie viele das sein werden, kann heute niemand seriös beantworten."
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat den Banken kein schnelles Ende der Phase strengerer Regulierung in Aussicht gestellt. "Die Kreativität der Banken, die Regulierung zu umgehen, ist weiterhin groß", sagte Schäuble in einem Interview mit dem Handelsblatt.
Zwar würden höhere Eigenkapitalvorschriften für mehr Stabilität im Bankensystem sorgen. "Ich weiß, dass die Banken meinen, es reiche nun", sagte er. "Aber da sage ich zum Beispiel vor einigen Tagen zu Deutsche-Bank-Chef Jürgen Fitschen: Es waren nicht die Staaten, welche die Krise ausgelöst haben. Das war die Finanzbranche." Deshalb könne es kein Ende der Regulierung geben, so Schäuble.
Der Finanzminister bekräftigte, sich weiter in der EU für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer einsetzen zu wollen. Er ist aber skeptisch, dass dies schnell gelingt. "Wir sind mit aller Kraft für die Finanztransaktionssteuer, aber realistischer Weise wird sie auf absehbare Zeit nicht die erhoffte Größenordnung erreichen", sagte der CDU-Politiker. Deshalb seien die ursprünglich ab 2015 veranschlagten Einnahmen aus der Abgabe nicht mehr in der Finanzplanung enthalten.