Die von den Staats- und Regierungschefs der Eurozone im Juni vereinbarten direkten Hilfen aus dem Rettungsschirm ESM (European Stability Mechanism, Europäischer Stabilitätsmechanismus) für in Schieflage geratene Banken wird es in dieser Form womöglich doch nicht geben. Zumindest mehren sich die Signale, dass die Euro-Finanzminister bei der Bankenrettung neue Wege beschreiten wollen.
So hatte ESM-Chef Klaus Regling dem Magazin Wirtschaftswoche gesagt, die geplanten direkten Hilfen aus dem Euro-Rettungsfonds ESM für angeschlagene Banken könnten vielleicht doch nicht kommen und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hatte bereits Mitte Februar darauf hingewiesen, dass die Mittel für direkte Rekapitalisierungen auf "deutlich unter 80 Milliarden Euro" begrenzt bleiben sollten.
Das Magazin "Spiegel" berichtet nun mit Verweis auf eine Vorlage für das Treffen der Eurofinanzminister am Montag, dass der ESM Tochtergesellschaften gründen solle, um Kreditinstituten künftig direkte Hilfen zukommen zu lassen. Mit dieser Variante werde das Eigenkapital des ESM geschont.
Würde der Rettungsschirm Banken wie beispielsweise der spanischen Bankia direkt helfen, müsste das Geld aus dessen Stammkapital in Höhe von 80 Milliarden Euro entnommen werden. Damit würde das Ausleihvolumen des ESM um ein Vielfaches geschmälert. Für jeden Euro, der zur Bankenrekapitalisierung verwendet werde, sänken die verfügbaren Hilfen für Staaten nach internen Berechnungen um drei Euro sinken.
Gründung von Bankenrettungstöchtern als Lösung
Diese Problem lasse sich durch die Gründung von Bankenrettungstöchtern vermeiden. Deren Kapital könne der ESM aufbringen, indem er eine Anleihe auflege. Mit diesen Milliarden könne er dann seine Töchter ausstatten, die wiederum mit dem Geld Banken retten könnten. So spare der Rettungsschirm Eigenkapital. Für jeden Euro, der in marode Banken fließe, verringere sich das Ausleihvolumen des Fonds bei diesem Modell nur um 1,50 Euro, hätten Experten beteiligter Finanzministerien berechnet, so das Magazin.
"Eine Tochtergesellschaft könnte zudem für andere Zwecke wünschenswert sein, etwa um begleitende Investitionen des Privatsektors in rekapitalisierte Banken zu ermutigen", heiße es in der Vorlage für die Finanzministerrunde weiter.
Begeisterung über direkte Bankenrekapitalisierung durch ESM hält sich in Grenzen
ESM-Chef-Regling hatte dem Magazin Wirtschaftswoche gesagt: "Es gibt mehrere Staaten, in denen sich die Begeisterung über eine direkte Bankenrekapitalisierung durch den ESM in engen Grenzen hält. Ich kann daher noch nicht mit 100-prozentiger Sicherheit sagen, ob es dieses neue Instrument geben wird."
Erst Mitte Februar hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble die Hoffnung vieler Krisenstaaten auf üppige Direkthilfen für ihre Banken aus dem Rettungsschirm ESM gedämpft. Die Mittel für direkte Rekapitalisierungen sollten auf "deutlich unter 80 Milliarden Euro" begrenzt bleiben, sagte er. Die Summe werde "kleiner als 80 Milliarden, aber größer als Null" sein, stellte Schäuble klar.
Der ESM kann bis zu 500 Milliarden Euro mobilisieren, um schwache Regierungen herauszupauken. Das einzahlte Kapital in den Rettungsschirm beträgt 80 Milliarden Euro. Die direkte Bankenhilfe soll den Teufelskreis unterbrechen, bei dem bereits hoch verschuldete Staaten schwache Banken mit noch höheren Schulden retten müssen.
Risiken des Bankensektors auf alle Staaten zu übertragen ist keine Lösung
Direkte Investments des ESM in Banken seien jedoch risikoreicher als traditionelle Kredite an Staaten, weshalb die finanzielle Feuerkraft des Fonds schneller erschöpft wäre, sagte Schäuble.
Daher sei es nötig, das Geld für dieses Instrument zu kappen. "Der ESM ist ja nicht gegründet worden, um möglichst schnell die 500 Milliarden unter die Leute zu bringen", sagte Schäuble. Es sei keine Lösung, Risiken des Bankensektors von einem Staat auf alle Staaten zu übertragen.
Unterdessen zeigt sich der spanische Finanzminister Luis de Guindos überzeugt davon, dass die spanische Bank Bankia und zwei weitere inzwischen in Staatsbesitz befindliche Kreditinstiute in der Lage sein werden, die Milliarden an Hilfsgeldern zurückzuzahlen, die sie im vergangenen Jahr als Teil des europäischen Rettungspakets erhalten haben.
Spanien hatte seinerzeit 41,4 Milliarden Euro von der EU zur Rettung seiner Banken bekommen, die vornehmlich aufgrund eines eingebrochenen Immobilienmarktes in finanzielle Nöte geraten waren. 17,96 Milliarden waren allein an Bankia gegangen. Die Finanzinstitute haben gut 12-1/2 Jahre Zeit, diese Hilfsgelder zurückzuzahlen. Bankia hatte erst am Freitag mitgeteilt, 2012 einen Nettoverlust von 19,06 Milliarden Euro eingefahren zu haben.
Positive Effekte des Dopings von Spaniens Banken
De Guindos sagte der Nachrichtenagentur EFE, Bankia sei nach der Liquiditätsspritze nun in einer deutlich besseren Verfassung und habe ein neues "sehr professionelles" Management, das ohne politischen Einfluss arbeiten könne. Die Bank sei in der Lage, ihre Schulden "innerhalb einer kurzen Periode" zurückzuzahlen.
Die Staats- und Regierungschefs der Eurostaaten hatten sich im Juni 2012 darauf verständigt, auch direkte Hilfen aus dem ESM an notleidende Banken zu vergeben. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich lange gegen dieses Vorhaben gewehrt. Vor allem Italien und Spanien hatten sich hingegen dafür eingesetzt. Direkte Hilfen an Banken haben für die betroffenen Länder den Vorteil, dass die Hilfsmilliarden nicht zur offiziellen Staatsverschuldung zählen und auch nicht mit entsprechenden strengen Auflagen zur Haushaltssanierung verbunden sind.
Im Gegenzug für die Zustimmung zu den direkten Bankenhilfen setzte Deutschland eine gemeinsame Bankenaufsicht für die Eurostaaten durch. Diese soll die großen Banken in Europa direkt kontrollieren. Das soll verhindern, dass Banken von nationalen Aufsichtsbehörden nicht streng genug kontrolliert werden und dann durch Finanzprobleme Staaten oder das gesamte europäische Finanzsystem in Schwierigkeiten bringen.
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Die Bundesregierung und der Bundestag werden mit der vorgesehenen Neuordnung der Bankenaufsicht in Europa ihren Einfluss auf die Überwachung der größten deutschen Kreditinstitute verlieren. Das berichtet die Süddeutsche Zeitung unter Verweis auf Planungen der EU-Staaten für eine Aufsichtsreform, die 2014 in Kraft treten soll. Demnach werden alle systemrelevanten Banken in Europa künftig allein von der Europäischen Zentralbank (EZB) überwacht.
Anders als die deutsche Aufsichtsbehörde BaFin ist die EZB jedoch gegenüber der Bundesregierung nicht rechenschaftspflichtig. Sie könnte damit theoretisch ohne Rücksprache mit Berlin ein deutsches Geldhaus schließen.
Die grundsätzliche Entscheidung für eine Reform hatten im vergangenen Jahr die Regierungschefs der EU getroffen. Was die Reform für die Einflussmöglichkeiten der nationalen Regierungen und Parlamente bedeutet, spielte allerdings in der öffentlichen Debatte bisher keine Rolle.
In Deutschland etwa werden die Geldhäuser derzeit gemeinsam von der BaFin und der Bundesbank überwacht. Beide Institutionen sind formell unabhängig, die BaFin unterliegt aber der Rechts- und Fachaufsicht durch das Bundesfinanzministerium. Es kann etwa die Geschäftsordnung der Behörde ändern und stellt die wichtigsten Mitglieder des Verwaltungsrats.
Vor allem aber muss die BaFin das Ministerium über alle aufsichtsrechtlichen Akte informieren, was der Regierung in der Praxis eine Art Vetorecht verschafft. Das gilt vor allem dann, wenn systemrelevante Häuser wie Deutsche Bank, DZ-Bank, Commerzbank oder Landesbanken betroffen sind.
Genau diese Abstimmung wird es künftig nicht mehr geben. "Eigentlich müsste die Rechts- und Fachaufsicht ebenfalls auf die europäische Ebene übertragen werden", zitierte die Zeitung aus Regierungskreisen. "Da es aber nun einmal keinen europäischen Finanzminister gibt, fällt sie einfach weg."
Mit der Entscheidung verliert auch der Bundestag an Einfluss, dem bisher das Finanzministerium in Aufsichtsfragen Rechenschaft schuldet. "Da ist der größte Souveränitätstransfer seit Einführung des Euro im Gange - und niemand in der Koalition bemerkt es", sagte der Finanzexperte der SPD-Fraktion, Carsten Schneider, der Zeitung. Der Bundestag werde künftig gegenüber der EZB nur noch als Bittsteller auftreten können, auch das EU-Parlament habe kaum Rechte.