Der Stresstest, dem sich die 124 größten Banken der Europäischen Union am nächstem Monat unterziehen müssen, sieht eine zweijährige Rezession und sehr hohe Arbeitslosigkeit vor. Die unterstellte Wirtschaftsentwicklung folgt aber nicht dem Muster der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise und kommt auch ohne Fat-Tail-Szenarien wie einem Stopp der russischen Gaslieferungen oder einer Deflation aus. Dafür müssen die Banken erstmals Verluste bei Staatsanleihen simulieren, und zwar auch für solche, die sie im Bankbuch halten.
In dem von der Bankenaufsicht EBA unterstellten ungünstigsten Szenario sinkt das Bruttoinlandsprodukt der EU 2014 um 0,7 Prozent und 2015 um 1,5 Prozent, ehe es 2016 wieder um 0,1 Prozent zulegt. In diesem ungünstigsten Szenario liegt das EU-BIP 2016 um 7 Prozent unter den aktuellen Prognosen der EU-Kommission. Die Arbeitslosenquote steigt bis 2016 auf 13 Prozent.
Damit ist klar, dass die EBA den Stresstests, die die Banken selbst durchzuführen haben, kein Katastrophenszenario a la 2009/10 zugrunde legt. Zum Vergleich: Allein im Rezessionsjahr 2009 sank das EU-BIP um 4,5 Prozent. Das negativste Szenario der EBA sieht einen BIP-Rückgang von gut 2 Prozent über zwei Jahre vor. Eine Deflation sieht das Negativszenario ebenso wenig vor wie einen Stopp der russischen Erdgaslieferungen nach Europa.
Die Banken müssen ihren Stresstest mit einer Kernkapitalquote von mindestens 5,5 Prozent bestehen. Gegenwärtig prüft die Europäische Zentralbank (EZB) im Rahmen eines Asset Quality Review (AQR) die Bilanzen der 124 Banken und wählt jene Teile aus, die dem Stresstest unterworfen werden sollen.
Im Gegensatz zu dem Stresstest, den die EBA 2011 durchführte, sollen bei den aktuellen Tests auch Wertverluste bei Staatsanleihen simuliert werden. Die EBA hatte bereits angekündigt, dass dies Staatspapiere betreffen würde, die sich im Handelsbuch der Bank befinden. Wie sie nun mitteilte, sind aber auch Papiere im Bankbuch der Bank nicht mehr sicher, wenn sie dort als zum Verkauf stehend (available for sale) geführt werden. 20 Prozent der 2014 erlittenen Verluste sollen im Test berücksichtigt werden und 60 Prozent der 2015 erlittenen Wertabschläge.
Die Ergebnisse von AQR und Stresstests sollen im Oktober veröffentlicht werden, bevor die EZB im November die Bankenaufsicht übernimmt. Defizite bei der Kapitalausstattung müssen die Banken zunächst über den Finanzmarkt selbst decken beziehungsweise ihre Risiko-Aktiva weiter verringern. Gelingt das nicht, können die Institute versuchen, Geld von ihren Anleihegläubigern und in letzter Instanz Einlegern zu erhalten. Gelingt das nicht, kann sie die Regierung ihres Heimatlandes um Hilfe bitten.
Ob und in welchem Umfang es infolge simulierter Verluste tatsächlich zu einer realen Enteignung privater Vermögen kommen kann, bleibt aber abzuwarten. Der Stresstest geht von der für die Banken nachteiligen und mit Blick auf die Praxis unplausiblen Annahme aus, dass sie ihr Verhalten über die gesamte Krise nicht ändern. Forderungen an Gläubiger, die auf Kapitallücken aus diesen unterstellten Bedingungen heraus beruhen, könnten deshalb vor Gericht angegriffen werden.
Banken müssen Kapitallücken bis spätestens Sommer 2015 füllen
Europas wichtigste Banken müssen mögliche Eigenkapitallücken nach Aussage der Europäischen Zentralbank (EZB) bis spätestens Sommer 2015 schließen. Nach Mitteilung der EZB haben sie nach Veröffentlichung der Ergebnisse von Bilanzprüfung und Stresstests im Oktober zwischen sechs und neun Monaten Zeit, eventuell erforderliches Eigenkapital zu besorgen. Besonders strikt sind die Auflagen der EZB für den Fall, dass sich ein Eigenkapitalmangel schon bei der Bilanzprüfung oder beim Stresstest unter der Annahme relativ normaler konjunktureller Verhältnisse zeigt.
Im November will die EZB die Rolle des obersten Bankenaufseher einnehmen. Das gilt als erster Schritt zu einer europäischen Bankenunion, die eine weitere Vergemeinschaftung von Risiken mit sich bringen wird. Aus diesem Grund will die EZB ausschließen, offensichtliche Altlasten in die neue Ära mitzunehmen.
Wie die EZB nun mitteilte, müssen Banken Kapitallücken, die sich bereits bei der schon laufenden Bilanzprüfung (Asset Quality Review - AQR) zeigen, spätestens sechs Monate nach Veröffentlichung aller Ergebnisse gefüllt haben, und zwar mit hartem Kernkapital (Common Equity Tier 1). Gleiches gilt für Lücken, die Rahmen des Stresstests unter den relativ normalen Bedingungen des Basisszenarios auftreten.
Komplizierter ist die Sache bei Lücken, die erst beim Negativszenario auftreten, bei dem die Wirtschaftsleistung am Ende der Betrachtungsperiode (2016) um 7 Prozent unter den Annahmen des Basisszenarios liegt. Hier bekommen die Banken bis zu neun Monate Zeit und dürfen auch Ergänzungskapital (Additional Tier 1) einsetzen. Allerdings ist dabei der Einsatz von Wandelinstrumenten auf maximal 1 Prozent der risikogewichteten Aktiva begrenzt.
Instrumente, die automatisch spätestens dann in Eigenkapital umgewandelt werden, wenn die Kernkapitalquote auf 7 Prozent fällt, dürfen maximal 1 Prozent der risikogewichteten Aktiva entsprechen. Für Instrumente mit Wandlungsschwellen zwischen 7 und 5,5 Prozent liegt der Maximalwert bei 0,5 Prozent und für Instrumente mit Wandlungsschwelle zwischen 6 und 5,5 Prozent bei 0,25 Prozent. Instrumente mit einem Schwellenwert von unter 5,5 Prozent werden nicht akzeptiert.
EZB-Vizepräsident Vitor Constancio forderte die Banken auf, sich frühzeitig Gedanken darüber zu machen, wo sie neues Kapital her bekommen könnten: "Wenn Banken Kapitallücken erwarten, dann sollten sie darüber nachdenken, aus welcher privaten Quelle sie es bekommen könnten", sagte er. Als mögliche Quellen nannte er einbehaltene Gewinne, geringere Bonuszahlungen, neue Aktien und den gezielten Verkauf bestimmter Aktiva zu Marktpreisen.
Nach Angaben von Daniele Nouy, der Chefin der neuen Bankenaufsicht SSM, laufen von nun an Bilanzprüfung und Stresstests parallel. Die Bilanzprüfung soll im Oktober abgeschlossen werden. Anschließend sollen die Ergebnisse von Bilanzprüfung und Stresstests gemeinsam veröffentlicht werden.
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Kommentare zu diesem Beitrag
Der österreichische Notenbankgouverneur Ewald Nowotny sieht mit der geplanten Bankenunion in der Eurozone einige Risiken verbunden. Zwar werde sie helfen, das Vertrauen in die Banken des Währungsraums wieder zu stärken, sagte Nowotny bei einer Konferenz, doch zugleich gebe es auch Gefahren, etwa dass einige Bankaktivitäten in den Schattensektor abwanderten.
"Es gibt die Gefahr, dass eine intensive Regulierung im Bankensektor dazu führt, dass wichtige und riskante Geschäftsaktivitäten in weniger regulierte Bereiche verschoben werden, etwa zu Schattenbanken", sagte das Ratsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB). Die globale Finanzkrise habe gezeigt, dass Schattenbanken die Finanzstabilität gefährden können.
Außerdem könnte es zu "Wettbewerbsverzerrungen" kommen, sollte es weiter nationale Unterschiede in der Aufsichtspolitik geben, warnte Nowotny. Allerdings gebe es einige Argumente für einen "gewissen Grad an Differenzierung unterhalb der Ebene des Euroraums", zum Beispiel wegen kultureller Unterschiede.
Zwar sei die EZB auf dem Weg, die einheitliche Aufsicht für die größten Banken der Eurozone zu übernehmen, doch gebe es starke Argumente, um die Abwicklungsagentur getrennt von der EZB zu halten, sagte Nowotny weiter.
Alle Triple-AAA Investments ein notch down - auch Staatsanleihen für die ja keine Sicherheiten zu hinterlegen sind ?!?!?
Ergebnis:
Alle fallen durch und das System geht vor die Hunde
Auch kein schönes Szenario