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Befreit euch von den Rating-Agenturen!


Befreit euch von den Rating-Agenturen! News

Es ist an der Zeit, das Verhältnis zu den Rating-Agenturen grundsätzlich zu ordnen. So wie jetzt kann es nicht weitergehen.

Da verhandeln Frankreich und Deutschland wochenlang über die Beteiligung der privaten Banken an einer Umschuldung für Griechenland. Endlich einigen sich Merkel und Sarkozy. Dann wird ein kompliziertes Modell entwickelt, wie die Banken an der Hilfe beteiligt werden können, ohne dass es nach den Kriterien der Rating-Agenturen zu einer Insolvenz kommt. Als endlich alles unter Dach und Fach ist, wird am letzten Wochenende die fällige Tranche des Kredits an Athen ausgezahlt.

Und da kommt dann die Rating-Agentur S&P und sagt: Alles umsonst. Wir werden den Plan doch als "Selective Default" (= teilweiser Zahlungsausfall) werten. Wenn die anderen Agenturen dem folgen, kann die Europäische Zentralbank nach ihren eigenen Regeln die griechischen Banken nicht mehr refinanzieren. Das wäre der von allen befürchtete GAU.

Das sieht schon ein bisschen nach einem Foul-Spiel aus. S&P hätte sich auch vorher äußern können. Als ob das nicht schon genug wäre, hat Moody's ohne konkreten Anlass Portugal drastisch abgewertet.

Nun sollte man die Sache aber auch nicht zu sehr hochspielen. Das Votum von S&P kann für die Beteiligten nicht ganz überraschend gekommen sein. Jeder kennt die Regel, dass ein "Selective Default" dann vorliegt, wenn a) ein Umtausch von Staatsanleihen "in Not" geschieht, ein Ausfall in späteren Jahren also nicht ausgeschlossen werden kann. Und wenn b) das, was die Gläubiger bekommen, "weniger Wert bietet als die ursprünglichen Papiere versprechen". Beide Bedingungen waren hier gegeben. Im Übrigen muss die EZB den griechischen Banken nicht sofort den Geldhahn abdrehen. Sie hat insgesamt vier Agenturen (S&P, Moody's, Fitch und DBRS) und muss sich lediglich nach der besten Bewertung der vier richten. Schließlich gilt das Votum von S&P nicht ewig. Es kann schon bald wieder geändert werden. Man kann also auch mit Übergangsregeln arbeiten.

Trotzdem: So etwas sollte sich nicht wiederholen. Jetzt müssen Nägel mit Köpfen gemacht werden. Bei einer Reform geht es um vier Punkte. Erstens die mangelnde Transparenz und Aufsicht der Agenturen. Hier hat sich freilich schon einiges getan. Die Rating-Agenturen legen ihre Bewertungskriterien zunehmend offen. Als Unsicherheit bleibt nur noch die Entscheidung der Rating Committees. Die kann man aber nicht abschaffen. Rating ist keine Rechenaufgabe, sondern eine zwangsläufig subjektive Einschätzung der unsicheren Zukunft. Auch die amerikanischen Rating-Agenturen unterliegen inzwischen der Aufsicht durch die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA in Paris. Mehr kann man nicht machen. Der Staat kann Wertpapiere sicher nicht besser bewerten.

Zweitens die Bezahlung der Rating-Agenturen. Sie erhalten ihre Honorare von den Emittenten. Dadurch können sie zu einem zu guten Rating gedrängt werden. Andererseits: Wenn stattdessen die Investoren für die Bewertungen bezahlen, ist ein verzerrender Einfluss ebenfalls nicht ausgeschlossen. Irgendeinen Tod muss man sterben. Einer muss zahlen. Die Bezahlung der Rating-Agenturen spielt im aktuellen Streit freilich keine Rolle, weil staatliche Ratings nicht bezahlt werden.

Drittens die Dominanz der amerikanischen Agenturen. Sie spiegelt die Übermacht der USA auf den Finanzmärkten wider. Daran ändert auch nichts, dass es noch andere Agenturen gibt. Fitch beispielsweise gehört mehrheitlich einem Franzosen. Sie geriert sich aber nicht anders als die US-Agenturen. DBRS (Dominion Bond Rating Service) sitzt in Kanada, hat aber keinen großen Einfluss. Dagong Global Rating ist chinesisch. Sie hat sich damit einen Namen gemacht, dass sie amerikanische Staatsanleihen mit guten Argumenten nicht mehr mit der Höchstnote AAA bewertet. In den westlichen Industrieländern spielt sie aber keine Rolle. Sie ist sicher auch staatlich beeinflusst.

Eine neue europäische Agentur, wie sie jetzt im Gespräch ist, würde helfen. Sie kennt die hiesigen Verhältnisse besser. Zudem ist jeder neue Wettbewerber auf dem Markt ein Plus. Aber sie darf, wenn sie eine Chance im Wettbewerb haben will, nicht nach der Pfeife der Staaten tanzen. Sie kann daher schlechten Schuldnern auf Geheiß der Regierungen keine guten Noten geben. Zudem ist der Aufbau einer neuen Agentur teuer (daran sind frühere Versuche gescheitert). Es dauert lange, bis sie sich am Markt etabliert hat (mehr als vier Jahre).

Viertens, aus meiner Sicht der wichtigste Punkt, den man auch schnell ändern kann: Die hohe Abhängigkeit der Finanzmärkte von den Rating-Agenturen. Das ist ein selbstgemachtes Problem. Es ist die EZB, die ihre Politik bei den Sicherheiten an die Urteile der Rating-Agenturen bindet. Es sind die Aufsichtsbehörden und die nationalen Gesetzgeber, die die Eigenkapitalerfordernisse in Basel II oder Solvency II an die Bewertung der Agenturen knüpfen.

Das ist nicht gut. Rating-Agenturen sind private Institutionen. Sie sind wichtig und gut. Sie machen zwar Fehler. Ich kenne aber keinen, der das Geschäft besser versteht. Nur sollte sich niemand auf Gedeih und Verderb an die Agenturen binden. Das gilt für die Regulatoren ebenso wie für die EZB. Bei der EZB kommt noch hinzu, dass sie zusammen mit der EU und dem IWF die Verhältnisse Griechenlands überwacht und beurteilt. Sie kennt sich also aus. Sie braucht die Rating-Agenturen nicht.


Autor: Dr. Martin W. Hüfner, Chief Economist, Assenagon Asset Management S.A.


[Bildquelle: iStockPhoto]

Kommentare zu diesem Beitrag

Markus /08.07.2011 00:17
Was soll der ganze Ratingmüll......

Eigeninitiative ist gefragt, Aufbau eigener Risikoeinschätzungen usw.

Das ist der Kern vom Investment-, Banken- und Versicherungsgeschäft...

Makroökonomische Fundamentaldaten, Bilanzanalysen, Bondspreads, Marktvolatilität, Diversifikationsmöglichkeiten im Sinne eines CAPM-Modells und Liquidität sind weitaus bessere Indikatoren für jedes beliebige Finanzprodukt als eine externe Meinung....

Insgesamt deren Einfluss eindämmen oder am besten verbieten bzw. nicht deren Meinung zum Heiligen Gral machen...

Die EZB hätte ohne Probleme griechische Anleihen als Sicherheit akzeptieren können (unter Auflagen), dies hätte für etwas mehr Liquidität und Stabilität am Markt gesorgt und hätte die Spreads auch für Portugal usw. gedrückt... Um diesen Staaten einen Ausweg aus der Misere zu ermöglichen.

Sicherlich sind noch einige Steine aus dem Weg zu räumen (Sozial- und Investitionspolitik) aber mir scheint, egal was die EZB und Europa beschließt, die CDS-CDO-lastigen US-Gesellschaften wollen einfach einen DEFAULT hören um wieder ihre Margin-Calls zu aktivieren,... das ist wahre Regulierungsarbitrage
RiskNET Redaktion /08.07.2011 06:15
+++ EZB alarmiert von Portugals Herunterstufung +++

Die Europäische Zentralbank (EZB) ist nach den Worten von Ratsmitglied Ewald Nowotny von der Herabstufung des Ratings Portugals "alarmiert" gewesen. Selbst wenn andere Agenturen jetzt ebenfalls die Kreditwürdigkeit des Landes herunterstufen sollten, würde die EZB trotzdem portugiesische Papiere als Sicherheit akzeptieren, sagte Nowotny am Donnerstag der Nachrichtenagentur APA.

Zuvor hatte die EZB mitgeteilt, dass sie von der Regierung Portugals emittierte oder garantierte Papiere bis auf weiteres unabhängig von deren Rating als Sicherheit in Repo-Geschäften akzeptieren werde. Damit demonstriere die EZB eine gewisse Unabhängigkeit von den manchmal "obskuren Meinungen" der Ratingagenturen, sagte Nowotny, der Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) ist.
Peter /08.07.2011 06:19
@Markus: Ja, richtig, Eigeninitiative ist gefragt .. Aufbau eigener Risikoeinschätzungen etc. Aber werden eigene Einschätzungen dann auch vom Kapitalmarkt geglaubt. Fehlt da nicht die Meinung eines neutralen Dritten?
Der grundsätzliche Ansatz und die Idee einer Ratingagentur ist aus meiner Sicht nicht verkehrt ... allerdings müssen die Urteile neutral und unabhängig gefällt werden. Und da sind leider die Ratingagenturen heute genauso wenig unabhängig wie die WPs;-(
RiskNET Redaktion /08.07.2011 16:10
+++ Ratingagenturen machen das Geschäft nicht leichter +++

Die Bewertungen der Ratingagenturen machen es nach Aussage des Bundesfinanzministeriums (BMF) schwerer, einen Weg zur angestrebten Beteiligung des Privatsektors an der Minderung der griechischen Schuldenlast zu finden. "Die Bewertungen der Ratingagenturen machen das Geschäft manchmal nicht leichter", sagte BMF-Sprecher Martin Kotthaus am Freitag in Berlin. Manchmal stelle sich auch die Frage, auf welcher Basis diese Ratings erfolgten.

Kotthaus sprach sich für mehr Wettbewerb in dem Sektor aus, der aber ohne Staatsbeteiligung erreicht werden solle. "Grundsätzlich bewerten wir alles positiv, was für mehr Wettbewerb bei den Ratingagenturen führt", betonte er auf die Frage nach einem Kommentar zu Plänen für eine solche Agentur in Europa. Alles, was das bestehende Oligopol aufbreche, sei "per se zu begrüßen". "Gleichzeitig muss es eine Lösung sein ohne eine staatliche Beteiligung", forderte er und sagte zur Begründung, nur eine privatwirtschaftliche Lösung könne Glaubwürdigkeit an den Märkten erreichen

Weiter werde über die verschiedenen denkbaren Modelle zur Privatgläubigerbeteiligung diskutiert. Das Thema dürfte auch einen wesentlichen Raum der Diskussionen am Montag in der Eurogruppe in Brüssel einnehmen. Bislang gebe es aber keine Festlegung, wie die Privatsektorbeteiligung idealerweise aussehen sollte. "Wir haben jedoch praktisch bis in den September Zeit, eine Lösung zu finden", sagte Kotthaus. Dabei werde es darum gehen, sich auf ein Modell zu verständigen, das "möglichst wenig Nebenwirkungen produziert", sagte der BMF-Sprecher.

Es sei weiter positiv zu vermerken, dass sich der Privatsektor zu einer Beteiligung bereit erklärt habe. "Die sind gewillt und werden das auch tun, sich an den neuen Griechenland-Hilfen zu beteiligen, auch mit den Kriterien quantifizierbar, substanziell und freiwillig", sagte Kotthaus.
Markus /08.07.2011 16:29
@Peter

"...... allerdings müssen die Urteile neutral und unabhängig gefällt werden...."

Neutral und unabhängig bedeutet= voll transparent

Also Offenlegung der Bewertungsmaßstäbe und die Gewichtung einzelner Faktoren beim Ratingprozess.

Dann verlieren die Ratingagenturen aber ihre Geschäftsbasis, denn wenn jeder weiß wie DIE arbeiten, sollte jeder in der Lage sein ein halbwegs passables Rating abzuliefern bzw. das Zustandekommen verstehen...

Höhere Markttransparenz, besseres Clearing sind der Weg für mehr Finanzmarktstabilität...Mit der Folge dass bestimmte Investments nicht mehr so sexy sind, weil hohe Ineffizienzen und Asymmetrien vorherrschen

Man muss das Wohl von Vielen gegen die Interessen Einzelner abwiegen.

Ein Ansatz:

Ein Großteil der Teilnehmer eines bestimmten Marktes einigt sich auf verbindliche Standards zu Bewertung von Ausfallrisiken
z.B: Ausfallrisko für Staaten:
-BIP
-BIP zum Wirtschaftsraum
-Arbeitslosigkeit
-Wachstum
-Schuldenquote
-Marktvolumen
-Spreadlevel
-Sparquote
-usw.

und lässt die meinetwegen gegen eine kleine Gebühr laufend von den Ratingagenturen überwachen (Monitoring) aber nicht "Rating"

Die besten 15-30 Schuldnerpapiere werden dann als Sicherheiten akzeptiert (AAA) und schlechtere Bonds nur gegen mehr Eigenkapitalrücklagen der Banken und Versicherungen

Der Regulierer kann dann im Falle eines Makroschocks gewisse Maßstäbe aus Kraft setzen (wir haften als Union) oder den Staaten Instruktionen vorschreiben/aufzeigen welche Maßnahmen sinnvoll erscheinen

Folglich ließe sich nun auch ein RM-Prozess in der EZB-IWF usw. integrieren, der auch solventen Staaten bei Unterschreitung gewisser Limits aufmerksam macht entsprechende politische Maßnahmen ergreifen zu müssen

Das System muss dynamisch sein und nicht statisch

Oder alles einaml auf neu: MATRIX-reloaded
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