Siemens-Zentralvorstand Johannes Feldmayer (Foto) wurde seitens des Konzerns zunächst von allen Aufgaben entbunden. Der Manager war im Zuge der Ermittlungen der Nürnberger Staatsanwaltschaft und wegen dubioser Millionenzahlungen an den Vorsitzenden der bei Siemens einflussreichen unabhängigen Gewerkschaft AUB in Untersuchungshaft genommen worden. Ferner hat die Staatsanwaltschaft Nürnberg erneut mehrere Standorte des Konzerns in München, Nürnberg und Erlangen durchsucht.
Für Siemens bekommen die Nürnberger Ermittlungen damit eine neue Qualität: Feldmayer ist der erste aktive Siemens-Vorstand, der im Zuge der staatsanwaltlichen Ermittlungen verhaftet wurde. Offenbar verdächtigt ihn die Staatsanwaltschaft der Untreue. Auch gegen weitere Siemens-Mitarbeiter wird ermittelt. Feldmayer ist im Siemens-Zentralvorstand unter anderem für die Bereiche Siemens IT Solutions and Services, Siemens Building Technologies AG (SBT), Siemens Real Estate (SRE), Corporate Information Office (CIO) und Global Shared Services (GSS) Europa, einschließlich der Regionalorganisation Deutschland (RD) verantwortlich. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth teilte mit, dass sie "im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen Mitarbeiter der Siemens AG mehrere Durchsuchungsbeschlüsse und einen Haftbefehl vollzogen" hat. Den Angaben zufolge führt die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen mehrere Mitarbeiter von Siemens. Wer diese Mitarbeiter neben Feldmayer sind, blieb allerdings unklar.
Weitere hochrangige Siemens-Manager verhaftet
Presseberichten zufolge heißt es, dass neben Feldmayer auch mehrere weitere hochrangige Siemens-Manager verhaftet worden sind. Darunter befinde ein enger Mitarbeiter des Konzern-Personalvorstand Jürgen Radomski. Weder Staatsanwaltschaft noch Siemens wollten zu möglichen weiteren von den Ermittlungen betroffenen Siemens-Mitarbeitern Stellung nehmen. Der Staatsanwaltschaft zufolge besteht "nach den bisher durchgeführten Untersuchungen" der Verdacht, dass in den Jahren 2001 bis 2005 aus dem Vermögen des DAX-Konzerns Zahlungen an eine Unternehmensberatungsgesellschaft geflossen sind, ohne dass hierfür werthaltige Gegenleistungen erbracht wurden. Die Beschuldigten, die in dieser Zeit in unterschiedlichen Funktionen für Siemens tätig waren, sollen für diese Zahlungen verantwortlich sein. Sie sind daher aus der Sicht der Staatsanwaltschaft verdächtig, "sich der Untreue zum Nachteil von Siemens schuldig gemacht zu haben". Nähere Angaben zum Stand und den Hintergründen der Ermittlungen wollte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft auch auf Nachfrage nicht machen. "Mit Rücksicht auf die laufenden Ermittlungen können derzeit keine weiteren Auskünfte erteilt werden", hieß es auch in der Mitteilung. Die Mehrzahl der Durchsuchungen sei aber bei "selbst nicht verdächtigen Personen durchgeführt" worden. Auch Siemens könne über weitere Details derzeit keine Angaben machen, sagte ein Konzernsprecher. Der Konzern kooperiere aber in vollem Umfang mit den Ermittlern. Die Inhaftierung Feldmayers und die Durchsuchungen stehen im Zusammenhang mit den Ermittlungen um die Arbeitnehmerorganisation AUB und deren Vorsitzenden Wilhelm Schelsky, hatte zuvor eine Siemens-Sprecherin gesagt. Mitte Februar hatte die Nürnberger Staatsanwaltschaft Schelsky im Zusammenhang mit unklaren Geldzahlungen des Siemens-Konzerns an den AUB-Vorsitzenden verhaftet. Die Staatsanwälte ermitteln dabei wegen möglicher Zahlungen ohne konkrete Gegenleistung und wegen des Verdachts von Steuerdelikten.
Beeinflussung von Betriebsratswahlen?
Siemens hatte damals bestätigt, dass ein Beratervertrag mit dem ehemaligen Siemens-Betriebsrat Ende 2006 fristlos gekündigt worden sei, da der Betroffene seine Gegenleistungen als Unternehmensberater nicht ausreichend nachgewiesen habe. Laut Siemens erhielt der AUB-Gründer seit 2001 Zahlungen von 14 Mio. EUR unter anderem für Beratungsleistungen und Mitarbeiterschulungen. Die "Süddeutsche Zeitung" hatte daraufhin berichtet, dass Siemens Mitte März in Verdacht geraten war, mehrere Mio EUR an AUB gezahlt zu haben, um sich deren Wohlwollen zu verschaffen. Dabei gingen die Nürnberger Ermittler dem Verdacht nach, ob die Zahlungen möglicherweise auch dazu gedient haben, Betriebsratswahlen unzulässig zu beeinflussen, so die Zeitung. Demnach soll Schelsky Zahlungen von Siemens auch an seine Organisation weitergereicht haben. Diese Zahlungen könnten nach Ansicht der Ermittler, schreibt die "Süddeutsche Zeitung", dazu gedient haben, die AUB zu fördern und ihr insbesondere Geld für die Mitgliederwerbung und den Wahlkampf bei den Betriebsratswahlen zur Verfügung zu stellen. Dies könne eine unzulässige Beeinflussung solcher Wahlen und somit ein Verstoß gegen das Betriebsverfassungsgesetz gewesen sein. Die AUB gilt als Konkurrent zur IG Metall und stellt nach eigenen Angaben 19.000 Betriebsräte in Deutschland.
[Quelle: Die Welt, RISIKO MANAGER / Bildquelle: Siemens]