Europäische Banken können in Brüssel offenbar einen weiteren Lobby-Erfolg verbuchen. Laut einem Verordnungsentwurf aus dem Team von EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier soll das Trennbankensystem deutlich abgeschwächt in die Gesetzgebungsphase gehen. Der Entwurf, der derzeit in Brüssel kursiert, soll eigentlich das "too-big-to-fail"-Problem der Finanzindustrie lösen. Kernpunkte sind das Verbot des Eigenhandels sowie die Trennung der Bereiche Investmentbanking und Einlagen- und Kreditgeschäft.
Der vorliegende Entwurf fällt dabei wesentlich handzahmer aus als sein Ursprung, der sogenannte Liikanen-Report, der im November 2011 von Barnier in Auftrag gegeben wurde. Federführend war dabei der finnische Notenbankchef Erkki Liikanen, der untersuchen sollte, welche strukturellen Reformen der europäische Bankensektor braucht, damit Staaten Finanzdienstleister im Krisenfall nicht mehr mit Steuergeldern retten müssen.
Sein Ergebnis im Oktober 2012: Die bis dahin angestoßenen Regulierungsmaßnahmen addressierten zahlreiche Probleme im Bankensektor noch gar nicht: Das Eingehen übermäßiger Risiken, die Verwobenheit der Banken untereinander sowie die komplexen internen Strukturen der Banken. Daher, so schlossen die Experten, müssten Banken ihren Eigenhandel und andere riskante Handelsaktivitäten strikt von ihrem Restgeschäft trennen. Zumindest, wenn die auszulagernden Einheiten bei einer Bank den Großteil des Umsatzes ausmachen.
Im vorliegenden, jüngsten Entwurf von Barnier ist die Trennung dagegen nicht festgelegt. Statt die Trennung für alle gut 30 als systemrelevant eingestuften europäischen Banken zur Pflicht zu machen, wird die Entscheidung darüber an die nationalen Aufsichtsbehörden delegiert - also an die Europäische Zentralbank, die künftig für die Bankenaufsicht zuständig sein wird.
Die EZB soll demnach entscheiden, ob Handelsgeschäfte vom Rest der Bank getrennt werden müssen. Dies soll der Fall sein, wenn bestimmte Kriterien in Bezug auf das Handelsbuch der Bank und die Risikobewertung der gehandelten Anlagen nicht erfüllt werden. Oder, wenn die Bank nicht glaubwürdig darlegt, dass sie die aus dem Handel entstehenden Risiken im Griff hat.
"Barnier traut sich nicht zu entscheiden, auf welche Banken diese neue Regulierung angewendet werden soll. Wie kann er glauben, dass eine Regulierung, die den einzelnen Aufsichtsbehörden eigenmächtige Entscheidungen zugesteht, rechtlich wasserdicht ist?", kritisiert Sven Giegold, EU-Abgeordneter der Grünen, den Entwurf. Ein weiterer Kritikpunkt ist der Zeitplan, der den nationalen Behörden bis Juni 2018 Zeit lässt, zu entscheiden, auf welche Banken das Gesetz angewendet wird, und auf welche nicht.
Immerhin sei die Definition jener Aktivitäten, die im Zweifel ausgelagert werden müssen, präziser als die Definition von Eigenhandel, wenn es um das Verbot von Eigenhandel gehe, so Giegold. Eigenhandel ist laut dem Entwurf jede Transaktion, deren einziges Ziel ein Gewinn auf die eigene Rechnung ist und keinen Bezug zu Aktivitäten von Kunden hat. "Es ist schwer, sich das in der Praxis vorzustellen. Eine Überprüfung der Zulässigkeit jeder einzelnen Transaktion wäre extrem bürokratisch", sagt Bert Van Roosebeke, der beim Centrum für Europäische Politik den Fachbereich Finanzmarktregulierung leitet und als Analyst die Gesetzgebungsverfahren begleitet.
Auch Van Roosebeke kann sich kaum vorstellen, dass der Entwurf in dieser Form und innerhalb kurzer Zeit zur Verordung wird. "Es scheint mir kaum möglich, dass die Verordnung noch vor den Parlamentswahlen im Mai durch das Parlament und den Ministerrat kommt", so Van Roosebeke. Dafür gebe es in der Sache zu große Meinungsunterschiede.
Den Gesetzgebungsvorschlag will Barnier in den nächsten Wochen vorlegen, wie eine Sprecherin bestätigte. Dann beraten EU-Parlament und Ministerrat zunächst separat darüber. Und bis dahin, verlautet aus Brüssel, könne in dem Entwurf inhaltlich noch viel passieren.
An der Börse kommen die Informationen derweil schon mal gut an. "Damit kann auch Jahre nach Lehman das Geschäft nahezu ungebremst weiter gehen", sagte ein Händler. In Deutschland legen Commerzbank 3,2 Prozent und Deutsche Bank 2,4 Prozent. Die Aktien werden zusätzlich von der Inflation in der Eurozone angetrieben, die unter den Erwartungen liegt. Damit hat der Markt keine Sorgen vor einer geldpolitischen Verschärfung - Banken sollten also weiter von der Niedrigzinsumgebung profitieren.
[Bildquelle: © vege - Fotolia.com]