Professionalisierung des Risk Managements gefordert

Bundesbank: Transparenz über Risiken durch integrierte "Risikolandkarte"


Was die Ursachen der Krise angeht, besteht in der Öffentlichkeit eine gewisse Neigung zu personalisieren und "den Banken" und "den Bankmanagern" generell die aus den Berichten des alten Testaments bekannte Rolle des "Sündenbocks" zuzuweisen, so Franz-Christoph Zeitler, Vizepräsident der Deutschen Bundesbank. Zeitler weiter: Hilfreicher als zu personalisieren ist es, die Tiefenstruktur der Krise zu untersuchen und dadurch die Grundlagen zu schaffen für ein internationales Netzwerk von Regeln und Standards, mit dem ähnliche Krisen in Zukunft vorgebeugt werden kann.

Nach Meinung des Bundesbank-Vizepräsidenten können als Hauptursachen der Krise die folgenden Punkte aufgeführt werden:

  • eine zu große Sorglosigkeit bei der Verbriefung und der marktbasierten Finanzierung. Dies gilt vor allem für außerbilanzielle Verbriefungen und Wieder-Verbriefungen mit hohem Abstraktionsgrad ("CDO’s of ABS")
  • eine zu geringe Risikowahrnehmung im privaten Sektor vor dem Hintergrund einer jahrelang scheinbar unerschöpflichen Marktliquidität, verstärkt durch eine Scheinsicherheit, die oft von vergangenheitsorientierten, rein quantitativen Risikomessverfahren ausgegangen ist. Bestnoten von Ratingagenturen für hochkomplexe Wertpapiere haben diese Scheinsicherheit verstärkt.
  • Eine laxe Kreditkultur, die sich in einigen Ländern – wie im bekannten subprime-Bereich der USA – bei der Bewertung und den Beleihungsrelationen für Immobilienkredite zeigte, in anderen Ländern vor allem bei sogen. leveraged buy outs, private-equity Finanzierungen und Unternehmensübernahmen mit hohem Fremdkapitalhebel.
  • Weltweit, jedenfalls außerhalb des Eurosystems, eine Tendenz, in der Geldpolitik die Bedeutung der Geldmenge zu unterschätzen und einer konjunktur(output)-orientierten Strategie den Vorzug einzuräumen. Zwar blieben die Inflationsraten wegen der vorübergehend preisdämpfenden Wirkung der Globalisierung im Rahmen, die geschaffene Liquidität blieb aber in anderer Form, eben als "Blasenbildner" im Immobilienbereich und bei strukturellen Produkten wirksam.


Besinnung auf bewährte Grundsätze und Tugenden

Die jetzt in den Gremien auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene diskutierten Einzelmaßnahmen würden zu kurz greifen, so Zeitler (Bild rechts), wenn sie nicht mit einem Wandel des Denkens eine Besinnung auf bewährte Grundsätze und Tugenden verbunden wären. Der Jurist, Steuer- und Währungsexperte wies auf die folgenden Themen hin:

Erstens: An erster Stelle steht die (Rück)besinnung auf die Grundsätze der Nachhaltigkeit und Langfristigkeit

Das Nachhaltigkeitsprinzip wurde ursprünglich im 18. Jahrhundert in Deutschland in der Forstwirtschaft entwickelt und später auf die Ökologie insgesamt übertragen. Es muss nunmehr konsequent in die Finanzwirtschaft umgesetzt werden, fordert der Bundesbank-Vize. Dies betrifft beispielsweise Kreditvergabepraktiken, die auf ständig steigenden Wertzuwachs des Beleihungsobjekts nach Zeitwertgrundsätzen ausgerichtet waren ("equity withdrawal").

Dies gilt für stärkere Vorsicht beim großvolumigen Einsatz von Finanzinstrumenten, mit denen noch nicht über einen Konjunkturzyklus hinweg Erfahrungen gesammelt werden konnten.

Dies betrifft den klassischen Zusammenhang von Langfristfinanzierung und Finanzstabilität, der in den letzten Jahren vielfach in den Hintergrund gedrängt wurde. So war ein großer Teil der im Zahlungsverzug befindlichen subprime-Kredite variabel finanziert (oft mit besonders attraktiven Einstiegskonditionen – teaser rates – verbunden).

Zweitens: Schaffung sinnvoller Anreizstrukturen, die das Interesse der Marktteilnehmer von vorne herein in die richtige Richtung lenken.

Punktuelle Interventionen erhöhen oft nur die Attraktivität von Umgehungen (Regulierungsarbitrage) erhöhen.

  • Dies gilt vor allem für die Neuausrichtung der erfolgsabhängigen Vergütungs- und Bonussysteme (compensation schemes), die in der Vergangenheit durch eine einseitige Risikostruktur die Bereitschaft zu "Wetten" am Finanzmarkt verstärkt haben und mit der Orientierung am kurzfristigen, oft Schätzverfahren unterworfenen Zeitwertgewinn auch nicht dem Nachhaltigkeitsprinzip genügten.
  • Schaffung sinnvoller Anreizstrukturen heißt auch die Einführung eines Selbstbehalts (ownership stake) bei Verbriefungen. Nur wenn der Urheber einer Verbriefung mit einem bestimmten Anteil selbst im Risiko bleibt, hat er einen Anreiz zur sorgfältigen Bonitätsanalyse und zum späteren Kreditmonitoring des der Verbriefung zugrundeliegenden Geschäfts. Und nur, wenn der Investor sich darauf verlassen kann, wird das Vertrauen in den Verbriefungsmarkt wieder dauerhaft zurückkehren.


Drittens: Gleiche Regeln für wirtschaftlich gleiche Sachverhalte (same risk, same rules).

Dies bedeutet: gleiche Regeln für gleiche Sachverhalte, unabhängig davon, ob sich "der Sachverhalt" innerhalb oder außerhalb der Bilanz abspielt,  unabhängig davon, ob bestimmte Finanzinstrumente im Handels- oder im Bankenbuch gehalten werden,  schließlich unabhängig davon, ob es sich um regulierte Kreditinstitute oder sogenannte Schattenbanken oder near-banks (Hedge Fonds, Private Equity-Unternehmen etc.) handelt.

Zeitler fordert weiter, dass die gleichen Regeln auch für alle Staaten gleicherweise gelten. So ist ein wichtiger Fortschritt des Treffens der G 20-Staats- und Regierungschefs vom 15. November 2008, dass sich künftig auch die USA und Volksrepublik China den regelmäßigen IWF-Überprüfungen des Finanzsektors (financial sector assessment programes / FSAP) unterziehen wollen, wie dies bei anderen Staaten, etwa Deutschland, seit längerem der Fall ist.

Viertens: Verminderung von Komplexität und höhere Transparenz über die Verteilung der Risiken.

In der Krise haben zunächst und vor allem jene Finanzprodukte gelitten, bei denen der realwirtschaftliche Kern, der eigentliche Dienstleistungszweck des Finanzgeschäfts kaum mehr erkennbar war, sondern hinter einem vielfältig verschachtelten Gebäude von Derivaten (CDO’s) und komplizierten Vertrags- und trigger-Konstruktionen verborgen war, so Zeitler. Der Bundesbank-Vizepräsident weiter: Hier sind auch insbesondere die Ratingagenturen gefordert; die Verwendung ein und derselben Ratingkategorie für eine Unternehmensschuldverschreibung mit einer bestimmten Ausfallwahrscheinlichkeit und für komplexe Finanzinstrumente, bei denen sich Adressenrisiko, Marktrisiko, Liquiditätsrisiko und Komplexitätsrisiko überlagern, ist zurecht kritisiert worden.

Die Transparenz der Verteilung der Risiken könnte erheblich verbessert werden durch eine "Risikolandkarte" wie sie die von der Bundesregierung eingesetzte Arbeitsgruppe unter Otmar Issing vorgeschlagen hat, so Zeitler. Wesentlicher Teil und Voraussetzung einer solchen Risikolandkarte wäre ein internationales Kreditregister, das der Sachverständigenrat einmal sogar als "Substitut einer europäischen Bankenaufsicht" bezeichnet hat.

Zeitler wies darauf hin, das sich im Eurosystem bisher sieben Staaten – darunter Deutschland – ihre Kreditregister für gegenseitige Auskunftsersuchen zusammengeschlossen haben. Das System steht weiteren Teilnehmern offen. Ohne zusätzliche politische Anstöße dürfte aber Fortschritte sowohl auf europäischer wie auf internationaler Ebene kaum zu erzielen sein.

  • Wichtiger Ansatzpunkt für Markttransparenz und vorausschauende Finanzstabilität ist die Schaffung einer zentralen Gegenpartei (CCP) für Kreditderivate, vor allem CDS. Der in den letzten Jahren stark gewachsene Markt wird von wenigen großen Teilnehmern dominiert; beim Ausfall eines großen Kontrahenten kann es zu Kettenreaktionen kommen. Es gibt hier vielversprechende Ansätze für eine europäische Lösung, die mit amerikanischen Modellen vernetzt werden könnten. Allerdings sind dem Vernehmen nach noch Vorbehalte der Finanzindustrie zu überwinden.


Bankaufsichtliche Reaktionen und Bilanzierungsregeln

Eine tiefe Krise des Finanzsystems wirft selbstverständlich auch die Frage nach Schwachstellen der bankaufsichtlichen Regeln und Verfahren auf, so Zeitler weiter.

Einige stellen deshalb faktisch den risikosensitiven Ansatz des Baseler Regelwerks grundsätzlich in Frage und empfehlen eine Hinwendung zur amerikanischen "leverage ratio", also einem bestimmten Verhältnis des Eigenkapitals zu den Bilanzaktiva. Hierbei wird übersehen, so der Bundesbank-Vizepräsident, dass gerade dieses in den USA seit langem praktizierte Verfahren mit zu dem extremen Wachstum außerbilanzieller Zweckgesellschaften (SIV’s, conduits) beigetragen hat, die die Krise bei ihrem Ausbruch im Jahre 2007 erheblich verschärft und beschleunigt hatten.
Andere fordern eine generelle Erhöhung der Mindestkapitalerfordernisse. Zeitler ist jedoch davon überzeugt, dass dies mitten in der Krise kontraproduktiv wäre und das Kreditangebot gerade jener Institute verknappen würde, die aufgrund ihrer Geschäftsstruktur bisher von der Krise nicht oder nur kaum betroffen waren.

Wieder andere wollen, dass die Bankenaufsicht in guten Jahren für die Einzelinstitute verbindlich höhere Eigenkapitalpuffer vorschreibt ("dynamic provisioning") was bei internationalen Instituten mit Geschäften in unterschiedlichen Wirtschaftsräumen und unterschiedlichen Konjunkturzyklen auf Schwierigkeiten stoßen dürfte, genauso wie die Abgrenzung der "guten" von den "weniger guten" Jahren ("kurze Zwischenerholung oder beginnender längerer Aufschwung?").

Insgesamt ist Zeitler davon überzeugt, zwar erkennbare Schwachstellen des Baseler Systems zu beseitigen, aber an den Grundsätzen dieses Regelwerks festzuhalten.  Mit dem Baseler Akkord ist es zum ersten Mal gelungen, ein internationales Regelwerk der Bankenaufsicht, ein level playing field der Eigenkapitalregeln zu schaffen. Bei einem "Ausstieg" aus diesem Regelwerk würde ein ähnlich umfassendes System in der Zukunft kaum mehr zu erreichen sein. Die Schaffung weiterer internationaler Regeln als Folge der Finanzmarktkrise würde in noch fernere Zukunft rücken.

Sicherlich sieht sich das Baseler Rahmenwerk dem Vorwurf ausgesetzt, es habe "die Krise nicht verhindert": hier gibt es aber bemerkenswerte Abstufungen: Japan, das die Baseler Regeln als Erste ab 2007 umgesetzt hatte, war jedenfalls von den ersten Wellen der Krise nur relativ gering betroffen. Für Deutschland traten die neuen Regeln über die Eigenkapitalunterlegung sogenannter Zweckgesellschaften (SPVs, Special Purpose Vehicles) erst ab 2008 verpflichtend in Kraft, kamen zur Vorbeugung der Krise also zu spät, ergänzt Zeitler. Im eigentlichen Epizentrum der Krise, den USA aber sollen die Baseler Regeln erst ab 2011 angewendet werden, weshalb man schwerlich diesen Regeln den Vorwurf machen kann, "die Krise nicht verhindert zu haben".
Der solideste Weg ist deshalb sicherlich, erkannte Schwachstellen des Baseler Regelwerks nachzubessern, was zu einem großen Teil vom Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht auch schon auf den Weg gebracht worden und Gegenstand einer bis Mitte April laufenden Konsultation mit der Industrie ist.

  • Die Bundesbank hat von Anfang an darauf gedrungen, im Interesse der Nachhaltigkeit die Eigenkapitalunterlegung von Risikopositionen, die sich als inadäquat erwiesen hat, zu verstärken. Das heißt vor allem: höhere Risikogewichte von Wiederverbriefungen, eine stärkere Eigenkapitalunterlegung der Liquiditätslinien an conduits (höhere Konversionsfaktoren); und nicht zuletzt eine stärkere Unterlegung von Risiken im Handelsbuch im Vergleich zum Bankenbuch (sogenannte incremental risk charge), mit dem auch Ausfallrisiken und das Risiko einer Ratingmigration erfasst werden und arbitrage-Reaktionen – Verlagerungen von Risiken aus dem Bank- in das Handelsbuch – vorgebeugt werden soll.
  • Ein wichtiger Punkt sind ferner die neuen Grundsätze für das Liquiditätsrisiko, so der Bundesbank-Vize. Liquidität war in der Krise der größere Engpassfaktor als das Kapital. Künftig sind deshalb umfangreiche Liquiditätsstresstests vorgeschrieben sowie das Vorhalten von "Liquiditätskissen" (liquidity cushions), die auch längere Phasen mit schwierigeren Marktbedingungen abfedern sollen.
  • Auch die Großkreditregeln, die sich bekanntlich mit den Liquiditätslinien an die Zweckgesellschaften als überarbeitungsbedürftig erwiesen haben, stehen weiter auf der Tagesordnung des Baseler Ausschusses.


Prozyklische Effekte von Basel II

Weiter gearbeitet wird an der Untersuchung spezieller pro-zyklischer Elemente im Baseler Rahmenwerk. Hierbei gilt es folgendes zu bedenken, so Zeitler: einmal bedeutet ein risikosensitives Rahmenwerk begriffsnotwendig eine gewisse Zyklik, bei der im konjunkturellen Abschwung die Risiken wachsen. Zum anderen dürften spezielle pro-zyklische, also krisenbeschleunigende Effekte weniger auf die bankaufsichtlichen Regeln als auf ihren "bilanziellen Unterbau", die internationalen Rechnungs- und Bilanzierungsregeln, insbesondere die Zeitwertbilanzierung, zurückgehen.

Zwar hat die den IFRS (wie den US GAAP) zugrunde liegende fair-value Bilanzierung den Vorteil einer hohen Transparenz und aktuellen Steuerungsfähigkeit des Unternehmens, solange die Märkte liquide sind und die "Marktwerte" auch tatsächlich in großen Volumina an den Märkten erzielt werden. Bei illiquiden oder jedenfalls funktionsgestörten Märkten kehrt sich die in guten Jahren nach oben weisende Marktwerttendenz aber scharf um und führt, so Zeitler, zu spiralförmigen Beschleunigungseffekten nach unten – nach dem Muster: fallende Preise, steigende Wertberichtigungen bei Investoren, in der Folge dann Notverkäufe und weiter fallende Preise. Verstärkt wird dieser Effekt noch, wenn – wie bei den in der Krise dominierenden US-Immobilienverbriefungen (RMBS, CMBS) nicht die Marktwerte der Papiere selbst, sondern Indexwerte (ABX.HE Indizes) maßgeblich sind, die ihrerseits auf marktwertgetriebenen CDS-Kreditausfallversicherungen für gebündelte ABS-Tranchen – beruhen.  

Teufelskreis aus fallenden Kursen und immer höheren Wertberichtigungen

Um diesen Teufelskreis aus fallenden Kursen und immer höheren Wertberichtigungen zu durchbrechen, der sich von den tatsächlichen Ausfallerwartungen weit entfernt, hat der für die IFRS zuständige standard setter IASB bereits Ende letzten Jahres eine Reihe von Modifikationen vorgesehen, die vor allem eine Umklassifizierung von Finanzinstrumenten aus dem Handelsbuch oder der Kategorie "available for sale" in andere Bewertungskategorien erleichtern sollen. Diese Änderungen sind nicht gering einzuschätzen, bleiben aber in wichtigen Punkten noch hinter dem zur "Entschleunigung" der Krise gebotenen Maß zurück. Zeitler konkretisiert die folgenden Punkte: Finanzinstrumente, die einmal nach der fair-value Option angesetzt worden sind, sind von der Umklassifizierung ausgeschlossen und müssen weiter generell zum Marktwert angesetzt werden, auch wenn ein funktionsfähiger Markt überhaupt nicht mehr besteht.

Ein weiterer wichtiger Schritt zur Dämpfung der Volatilität und der Bewertungsregeln, ohne Vernachlässigung der Transparenz, wäre die diskriminierungsfreie Zulassung von fundamentalen Bewertungsverfahren wie beispielsweise der "discounted-cash-flow-Methode". Sie ist eine an den tatsächlichen Zahlungströmen orientierte Methode und entspricht dem Grundsatz der Nachhaltigkeit genauso dem des "true and fair view" und könnte manche spekulativen Marktausschläge europäischer Staatsanleihen abmildern, so Zeitler.

Zeitler weiter: "So wichtig diese Maßnahmen zur kurzfristigen Krisenbewältigung sind, mittelfristig sollte die Rechnungslegung über asymmetrische, d. h. im Tal der Krise wirkende, Maßnahmen hinaus so angelegt sein, dass die Nachhaltigkeit der Gewinnermittlung auch in guten Jahren, in marktpreisbedingten Boomphasen, gestärkt wird."

"In diese Richtung geht der Vorschlag: Zwischen dem weiterhin auszuweisenden, nach Zeitwertgrundsätzen ermittelten Marktwertgewinn einerseits und dem tatsächlich am Markt realisierten Gewinn andererseits zu unterscheiden. Die Transparenz der Marktwerte und ihre Informationsfunktion für die Investoren bliebe ungeschmälert; Ausschüttungen (und in der Folge wohl auch die erfolgsorientierten Managervergütungen) sollten sich dann am realisierten Gewinn orientieren. Im Rahmen der Modernisierung des deutschen Bilanzrechts (BilMoG) überlegt der deutsche Gesetzgeber derzeit eine Regelung, für solche nicht realisierte Marktwertgewinne von Finanzinstrumenten im Handelsbestand (selbstverständlich saldiert, also nach unrealisierten) die Einstellung einer Gewinnrücklage (Ausschüttungssperre) vorzusehen, wie sie bei allen anderen Industrieunternehmen außerhalb des Bankenbereichs ohnehin gelten soll. Damit könnte mit geringem rechtlichen Aufwand ein "atmender Puffer" geschaffen werden, der in guten Jahren wächst und bei Verfall der Marktpreise kapitalstärkend zur Verfügung steht."

Stabilisierungsmaßnahmen der Regierungen und Notenbanken

Die Krise hat auch Notenbanken und Regierungen weltweit zu raschem Handeln herausgefordert, so Zeitler. So haben die Notenbanken des Eurosystems zur Sicherstellung der Liquiditätsversorgung ihre Refinanzierungsoperationen im Vergleich zum Stand vor der Krise fast verdoppelt (derzeit etwa 830 Mrd. Euro im Vergleich zu etwa 450 Mrd. Euro vor der Krise). Die Refinanzierungsoperationen erfolgen zu festen Zinsen in unbegrenzter Höhe ("fixed rate, full allotment"). Es wurden unmittelbare Zugangsmöglichkeiten zur Dollarliquidität geschaffen und der Kreis der zulässigen Sicherheiten auf unbesicherte Bankschuldverschreibungen oder Kreditforderungen mit Rating im BBB-Bereich ausgedehnt. "Den deutschen Instituten steht dadurch ein zusätzliches Sicherheiten-Potenzial von bisher knapp 40 Mrd. Euro zur Verfügung."

Die Regierungen haben weltweit (G 10 + EU 27) etwa 3,4 Billionen US-Dollar für Stabilisierungspakete ihres Finanzsystems bereit gestellt. Auch in Deutschland war es in kürzester Zeit möglich, im Oktober 2008 das Finanzmarktstabilisierungsgesetz zu beschließen und die entsprechende Bundesanstalt (SoFFin) handlungsfähig zu machen. Zeitler: "Medizinisch gesprochen haben diese Pakete – obwohl erst am Anfang ihrer Umsetzung – einen ‚Stopp der Blutung‘ erreicht und zu einer leichten, wenn auch noch nicht durchgreifenden Beruhigung der Situation geführt. Inwieweit für eine Wiedergewinnung des Vertrauens in das Finanzsystem das beschlossene Volumen neben Eigenkapitalhilfen und Garantien stärker für Risikoübernahmen genutzt werden muss, wird die Zukunft zeigen. Wichtig ist auch, dass es gelang, ein koordiniertes Vorgehen innerhalb der EU zu erreichen und damit der in einer Krise stets virulenten Gefahr protektionistischer Wettläufe zu begegnen."

[Text basiert auf Vortrag von Franz-Christoph Zeitler, Vizepräsident der Deutschen Bundesbank, Bankenabend der Hauptverwaltung Stuttgart am 11.02.2009]

Kommentare zu diesem Beitrag

Jim Knopf /14.02.2009 15:52
Am Abend wird man klug.
Für den vergangenen Tag,
Doch niemals klug genug
Für den, der kommen mag. (Friedrich Rückert)

Warum hat die Bundesbank - als Regulierer - nicht schon viel eher die Themen auf die Agenda gesetzt (Aufsichtsarbitrage via Conduits, Prozyklische Effekte von Basel II etc.). Hinterher sind immer alle Beteiligten so fürchertlich schlau. Ein wenig mehr Selbstkritik der Buba und BaFin wäre angebracht ...
Bony2009 /15.02.2009 15:33
Die aufgeführten Punkte "same risk, same rules", "Schaffung sinnvoller Anreizstrukturen" und "back to the roots" sind weder neu noch besonders innovativ. Ist das alles was den Regulatoren der Bundesbank zum Thema Finanzkrise einfällt? Vielleicht sollte eher darüber nachgedacht werden, warum kein Marktteilnehmer auf die diversen Warnungen der Bundesbank (etwa hinsichtlich systemischer Risiken oder prozyklischer Effekte von Basel II bzw. der Situation auf dem US-Immobilienmarkt) gehört hat. Ich prognostiziere, dass das auch bei der nächsten Blase so sein wird ...
Schlaumeier /19.02.2009 16:01
Nun ja, Herr Zeitler, im Nachhinein ist man immer schlauer. Wenn Sie sagen, dass die Bundesbank von Anfang an darauf gedrungen hat, im Interesse der Nachhaltigkeit die Eigenkapitalunterlegung von Risikopositionen, die sich als inadäquat erwiesen hat, zu verstärken. Warum haben sie es dann nicht durchgesetzt? Warum war die spanische Zentralbank schlauer als die Deutsche Bundesbank? BaFin und Bundesbank wollen doch wohl nicht behaupten, sie hätten von den SPV/Conduit-Konstruktionen nichts gewusst, oder? Warum sind da die Alarmglocken nicht angegangen? Ein Conduit hat doch immer nur den Zweck entweder Risiken zu externalisieren oder regualtorische Hürden (etwa in Form einer Eigenmittelunterlegung) zu überwinden.
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