Der Deutsche Bundestag hat mit einer breiten Mehrheit neue Griechenland-Hilfen über 130 Milliarden Euro gebilligt. Die symbolisch bedeutsame Kanzlermehrheit wurde der Koalition von Angela Merkel (CDU) dabei aber verwehrt.
Es ist das erste Mal, dass die Bundeskanzlerin bei den entscheidenden Abstimmungen zur Euro-Krise nicht genügend Abgeordnete aus den eigenen Reihen der Regierungskoaltion hinter sich versammeln konnte. Die Opposition legte sogleich den Finger in die Wunde und bezeichnete Merkel als "politisch gescheitert". "Das ist der Beginn der Kanzlerdämmerung", betonte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann.
Für das zweite Griechenland-Hilfspaket votierten nur 304 Abgeordnete der Koalition. Für die Kanzlermehrheit wären aber 311 Stimmen erforderlich gewesen, dies ist die Mehrheit der 620 Sitze des Bundestags. Im September hatten bei der Abstimmung über den erweiterten Euro-Rettungsschirm EFSF (European Financial Stability Facility) noch 315 Abgeordnete aus der Koalition mit Ja gestimmt.
Dennoch wurden die neuen Griechenland-Hilfen nun aber vom Bundestag mit einer breiten Mehrheit von 496 Stimmen beschlossen, da auch weite Teile der Opposition dafür stimmten.
Ausdrücklich warnte die Kanzlerin im Bundestag vor einer existenziellen Gefahr für Europa durch ein Ende des Euro. "Europa scheitert, wenn der Euro scheitert", sagte Merkel und nannte die Risiken einer ungeordneten Insolvenz Griechenlands "unkalkulierbar". Nötig sei ein stabiles Fundament "aus Solidität, Wachstum und Solidarität", was auch Grundlage des neuen Griechenland-Pakets sei.
Das Hilfspaket für das Land soll bis 2014 laufen. Hinzu kommen noch 24,4 Milliarden Euro, die unter dem ersten Programm für Griechenland nicht ausgeschöpft worden sind. Zugleich wollen die privaten Gläubiger Griechenlands auf 107 Milliarden Euro und damit auf über 53,5 Prozent ihrer Forderungen verzichten. Durch den Verzicht privater und öffentlicher Gläubiger sowie durch einen Zinsnachlass auf Kredite des ersten Hilfspakets sollen sich Griechenlands Schulden bis 2020 auf 120,5 Prozent der Wirtschaftsleistung verringern.
Die Hilfen sind verbunden mit einer Reihe von politischen Reformauflagen für die Regierung in Athen. Sie soll Renten und Mindestlöhne kürzen, das Steuersystem reformieren und bisher abgeschottete Märkte öffnen, um für mehr Wachstum zu sorgen.
Den Forderungen nach einer Aufstockung der gesamten Euro-Rettungsschirme erteilte Merkel vorerst eine klare Absage und stellte sich damit gegen ein Ansinnen der G-20. "Die Bundesregierung sieht derzeit keine Notwendigkeit für eine Debatte über eine Erhöhung der Kapazitäten von EFSF und ESM", machte sie mit Blick auf den temporären und den künftigen permanenten Euro-Rettungsfonds deutlich.
Die Finanzminister und Zentralbankchefs der führenden Industrie- und Schwellenländer hatten am Wochenende klargestellt, dass sie für weitere internationale Finanzspritzen an Europa eine Aufstockung des Rettungsfonds im kommenden Monat erwarten. Dieser Schritt "wird ein entscheidender Faktor in unseren Überlegungen sein, Mittel zu mobilisieren", hieß es in einer Erklärung. Im Gespräch ist eine Erhöhung des permanenten Euro-Rettungsfonds ESM von 500 Milliarden auf 750 Milliarden Euro.
In der deutschen Regierungskoalition wird inzwischen aber heftig über das künftige Ausmaß der Hilfen für Griechenland und die gesamte Strategie zur Rettung des Landes gestritten. Nachdem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Freitag weitere Hilfen auch über den bislang geplanten Rahmen hinaus nicht mehr ausschloss, kam am Wochenende vor allem aus der CSU Widerspruch. Mit Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) legte dabei auch erstmals ein Kabinettsmitglied den Griechen einen Austritt aus der Eurozone nahe.
In der deutschen Bevölkerung hat mittlerweile die Zahl der Gegner von Griechenland-Hilfen zugenommen. In einer Emnid-Umfrage für Bild am Sonntag verneinten 62 Prozent die Frage, ob der Bundestag dem Hilfspaket zustimmen solle. Nur 31 Prozent der Befragten glauben demnach, Griechenland sei noch vor der Staatspleite zu retten.
Der wachsende Unmut in der deutschen Bevölkerung kontrastiert mit den Forderungen nach einer Aufstockung der europäischen Hilfsgelder gegen die Staatsschuldenkrise. EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso sagte am Montag, die Europäer wollten im März entscheiden, ob die Euro-Rettungsmittel erhöht werden sollen. Barroso hat sich wiederholt für eine deutliche Ausweitung des "Schutzwalls" für die Eurozone stark gemacht.
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Standard & Poor's (S&P) hat die Bonitätsnoten des Euro-Rettungsfonds EFSF mit einem negativen Ausblick versehen und dies mit einem entsprechenden Ausblick für die Ratings von Frankreich und Österreich begründet. S&P verwies darauf, dass die Bonität der langfristigen Instrumente des EFSF seit der Herabstufung dieser beiden Länder nicht mehr ausschließlich von Ländern mit AAA-Rating garantiert werde. Dies habe die EFSF-Herabstufung nach sich gezogen.
"Der negative Ausblick des Langfristratings des EFSF widerspiegelt die negativen Ausblicke für Frankreich und Österreich", erläuterte S&P und fügte hinzu: "Wenn es nicht noch zu irgend welchen die Kreditwürdigkeit verbessernden Maßnahmen (credit enhancements) kommt, könnten wir die EFSF-Bonität auf unter AA+ senken, wenn das Rating eines der übrigen AAA-Länder herunter gestuft wird." S&P bezog sich dabei auch Deutschland, Frankreich, die Niederlande, Österreich. Finnland und Luxemburg.
breit - im sinne von besoffen
Irland wird ein Referendum über den europäischen Fiskalpakt abhalten. Eigentlich wollten die Regierung in Dublin und die anderen 24 EU-Länder, die dem Abkommen beitreten wollen, eine Volksabstimmung vermeiden.
Premierminister Enda Kenny sagte im Parlament, zu diesem Verfahren habe ihm Generalstaatsanwältin Maire Whelan geraten. Über den zeitlichen Ablauf werde in den kommenden Wochen beraten.
Die Iren haben zuletzt wiederholt EU-Referenden abgelehnt. Die Abstimmungen über die EU-Verträge von Nizza und Lissabon mussten deshalb wiederholt werden. Sollten die Iren den neuen Fiskalpakt ablehnen, kippt damit aber - anders als bei den EU-Verträgen - nicht das ganze Vertragswerk. Da es sich beim Fiskalpakt um einen zwischenstaatlichen Vertrag handelt, würden die Iren - ebenso wie schon jetzt die Briten und die Tschechen - diesem schlicht nicht beitreten. Um in Kraft zu treten, müssen mindestens zwölf Länder dem Vertrag zustimmen.
"Der Prozess wird in vielen anderen Ländern wie geplant fortgesetzt. Man darf auch nicht vergessen, dass es nur der Zustimmung von zwölf Staaten bedarf. Das ist also natürlich eine wichtige Angelegenheit für die EU, aber noch viel wichtiger für Irland selbst", gab sich der dänische Europa-Minister Nicolai Wammen gelassen. Sein Land hat gerade die EU-Ratspräsidentschaft inne.
Die unmittelbare Folge einer Ablehnung des Fiskalpakts wäre, dass Irland der Zugang zum ständigen Euro-Rettungsfonds ESM und damit zu möglichen Hilfsgeldern verwehrt würde. Der ESM soll im Sommer einsatzbereit sein.
Doch die Folgen würden sich auch auf die Mitgliedschaft in der Eurozone erstrecken. Angehörige der Regierung in Dublin haben wiederholt gewarnt, dass ein Zurückweisen des Fiskalpakts einer Ablehnung des Euro gleichkäme. Zwar könnte das eine absichtliche Übertreibung sein, um die Bevölkerung zu Unterstützern des Pakts zu machen, doch würde eine Ablehnung das Land in eine heikle Position bringen.
"Die Ratifizierung des Vertrags wird ein weiterer wichtiger Schritt dabei sein, unsere Wirtschaft und unseren Ruf wieder aufzubauen", sagte Kenny im Parlament. "Die Iren haben damit die Möglichkeit, ihre Mitgliedschaft in der Eurozone zu bekräftigen, die das Fundament unserer Strategie für Wirtschaft und Arbeitsplätze bildet", erklärte er bei Ankündigung des Referendums.
Politische Beobachter rechnen mit einer Abstimmung noch vor dem Sommer. Richard Sinnott, Politikwissenschaftler in Dublin, hält das bereits im nächsten Monat für möglich.
Die Regierungskoalition hatte gehofft, ein derartiges Referendum zu verhindern, weil sie Umfragen zufolge allenfalls mit einer knappen Zustimmung zu dem Pakt rechnen kann. Die im Zuge der Hilfsmaßnahmen für das Land von EU, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank geforderten Sparmaßnahmen haben europäische Institutionen auf der Insel unpopulär gemacht. In einer Umfrage im Januar sprach sich eine große Mehrheit der Iren für eine Volksabstimmung aus, aber nur eine kleine Minderheit für den Fiskalpakt.
Die bestehenden Kredite vom EFSF-Rettungsschirm wären von einer Ablehnung des Fiskalpakts nicht betroffen. Die Regierung beteuert, sie könnte ihren Geldbedarf im nächsten Jahr auch am Anleihemarkt decken, wenn die Darlehen auslaufen.
Volkswirte bezweifeln das aber. Sie argumentieren, dass das Wachstum in den wichtigen Exportmärkten des Landes wahrscheinlich deutlich schwächer ausfallen wird und dass die Regierung kaum ihre Einnahmeziele erreichen und damit ihren Geldbedarf wie erhofft reduzieren kann. "Die Ratifizierung des Vertrags wird Irland den Zugang zu den Rettungsmitteln des ESM geben, falls wir sie benötigen", sagte auch der Vizepremier Eamon Gilmore.
Die Regierungskoalition steht nun vor einer schwierigen Kampagne, auch wenn die größte Oppositionspartei Fianna Fail die Position unterstützt. "Die Gegner werden es als Abstimmung für das Hilfspaket, die Sparpolitik und die EZB hinstellen, was alles unpopulär ist", erwartet Ben Tonra, Professor für Internationale Beziehungen in Dublin.