Projekte haben in vielen Banken, Versicherungen und Unternehmen eine hohe Bedeutung. Sie sorgen für die notwendigen Weiterentwicklungen des Unternehmens und die Erreichung wichtiger Ziele. Gemeinhin binden Sie auch eine beträchtliche Anzahl an Mitarbeitern und ein großes Budget. Viele Projekte sind nicht erfolgreich, wie ein Blick auf die internationale Projekt- und Business Case Studie 2009 zeigt (vgl. Abbildung 1).
Allgemein lassen sich die Gründe für die schlechte Performance von Projekten und Business Cases in zwei grobe Kategorien einteilen: Mängel in der Kalkulation und Auswahl sowie Mängel in der Umsetzung. Die Erfahrungen aus unserer Beraterpraxis zeigen, dass die Ebene der Kalkulation und Selektion meist deutlich schlechter entwickelt ist als die Ebene der Umsetzung. Da die Kalkulation und Auswahl das Fundament für den Projekterfolg bilden, ist die schlechte Projektperformance nicht überraschend.
Schauen wir uns deshalb doch einmal die Kalkulation und Selektion von Business Cases und Projekten genauer an. Ein Blick auf den Lebensweg von Projekten (vgl. Abbildung 2) ist dabei hilfreich. Ausgangspunkt ist die Idee für ein Vorhaben. Das Vorhaben wird einer Kalkulation unterzogen, die die relevanten Kennzahlen liefert. Auf Basis der Kalkulationsergebnisse wird das Vorhaben durch einen Entscheiderkreis entweder bewilligt oder abgelehnt. Im Falle der Bewilligung folgen Planung, Umsetzung und Abschluss.
Abbildung 1: Planabweichungen von Business Cases und Projekten an der Tagesordnung
Abbildung 2: Projektlebensweg. (Quelle: Ihde, T./ Ihde F. (2007))
Der Kalkulation kommt damit eine entscheidende Rolle zu: Sie ist die Basis für die Entscheidung für oder gegen das Vorhaben und "schlägt die Pflöcke ein" für alle weiteren Planungs- und Umsetzungsschritte. Die spätere Erfolgsbeurteilung hinsichtlich Budget, Zeit und Ergebnis fußt ebenfalls auf dieser Kalkulation. Es gilt in der Kalkulation, dem Entscheiderkreis vier übergeordnete Fragen zu beantworten:
- Was kostet es?
- Was bringt es?
- Wie lange dauert es?
- Wie sicher ist es?
Mit der Kalkulation und dem Business Case gehen oft einige Probleme einher – beginnend bei formalem Verständnis, über Methoden bis zu Inhalten und Annahmen sowie unscharfen Informationen.
Die Komplexität steigt, wenn man sich überlegt, dass Business Cases und Projekte nicht im luftleeren Raum gerechnet und durchgeführt werden, sondern in einem Unternehmen und damit in einem organisatorischen Rahmen. So ist bspw. anstelle eines Einzelprojekts auch das Projektportfolio zu betrachten – d.h., alle aktiven und vorgeschlagenen Projekte sowie deren Bewilligung, Priorisierung, Budgetierung. Hier sind also Vergleiche anzustellen – aber auf welcher Basis? Und wie soll der Vergleich organisiert werden?
Bewertungskriterien müssen folglich her. Und ein Prozess zur Sammlung, Reduktion, Aufbereitung und Bewilligung oder Ablehnung der Projekte, der in der Regel so aussieht wie in der nachfolgenden Abbildung dargestellt (vgl. Abbildung 3).
Abbildung 3: Prinzipdarstellung Sammlung, Priorisierung, Bewilligung, Budgetierung von Projekten (Quelle: Dr. Ihde und Partner Unternehmensberater, TriSolutions)
Meist liegen in diesem Prozess Dinge im Argen. Beispiele:
Gibt es Transparenz über Kosten, Ressourcenbindung (und Nutzen) bei allen Projekten, insbesondere bei sogenannten Muss-Projekten oder strategischen Projekten?
- Gibt es Transparenz bei Entscheidungen und den Entscheidungskriterien?
- Werden Äpfel mit Birnen verglichen?
- Wie ist es um die Durchgängigkeit offizieller Genehmigungsprozesse bestellt?
- Wie steht es um die Bereichsmächte oder den Einfluss der "Lautstärke" der abgegebenen Meldungen auf die Bewilligung?
- … und vieles mehr
Risiken gibt es bei der Kalkulation und Auswahl von Projekten und Business Cases damit auf zwei unterschiedlichen Ebenen: Zum einen gibt es Risiken, die direkt aus Unzulänglichkeiten und Mängeln im Prozess der Business Case Erstellung sowie der Priorisierung, Bewilligung und Budgetierung resultieren. Zum anderen gibt es das Risiko aus dem konkreten Einzelvorhaben.
Das Risiko eines Projekts oder Business Cases besteht darin, die kalkulierten Kosten, geplanten Zeiten und angestrebten Ergebnisse – in Form von Mittelrückflüssen sowie neuen oder zu erhaltenden Handlungsmöglichkeiten – nicht einzuhalten. Darüber hinaus umfasst das Projektrisiko im weiteren Sinn die potenziell negativen Auswirkungen des Projekts auf das restliche Projektportfolio sowie das Unternehmen insgesamt [vgl. Ihde, T. (2010)].
Das Projektrisiko ist dabei ein Risiko, das eine weitgehend direkte Wirkung auf die Gewinn- und Verlustrechnung besitzt und häufig einen spürbaren Beitrag zur Ergebnisvolatilität von Unternehmen liefert. Es lohnt sich für Unternehmen, in diesem Themenfeld für Transparenz und Sicherheit zu sorgen. Dieses Verständnis scheint inzwischen auch in der Praxis Einzug zu halten, denn es ist festzustellen, dass das Risiko aus Projekten und Business Cases zunehmend in den Fokus rückt.
Was also tun?
Es gibt zwei Hausaufgaben: Die erste Hausaufgabe lautet: Solide Grundlagen im Bereich Kalkulation und Auswahl von Business Cases und Projektkalkulationen legen. Ganz augenscheinlich ist doch ein gewisses Maß an Methoden, an formalem Verständnis und auch an Inhalten notwendig, um einen guten Business Case zu erstellen und zu beurteilen – und ein gewisses Maß an Standardisierung und Einheitlichkeit, um zwei Projekte vergleichen zu können. Der aktuelle Umsetzungstand hinsichtlich dieser Hausaufgabe ist heterogen.
Nun zur zweiten Hausaufgabe. Vielerorts sind "Wirtschaftlichkeit" und "Strategie" die beiden einzigen praktisch relevanten Entscheidungsdimensionen für Projekte und Business Cases. Allein ... fehlt da nicht etwas? Gilt nicht – "kein Invest ohne Risiko"? Die Antwort lautet in beiden Fällen "Ja", und die zweite Hausaufgabe lautet demzufolge: Die gelegten Grundlagen müssen um das Thema Risiko "aufgebohrt" werden. Anders formuliert: Neben Wirtschaftlichkeit und Strategie muss auch "Risiko" als Entscheidungsdimension bei Business Cases und Projekten etabliert werden, verbunden mit einer angemessenen Risikobeurteilung, die als verbindlicher Bestandteil in die Entscheidungsprozesse einfließt. Der Umsetzungsstand ist hier in aller Regel nicht sachgerecht.
Transparenz und Sicherheit: Stabile Grundlagen als erste Hausaufgabe
Die Schaffung stabiler Grundlagen betrifft die in Abbildung 4 dargestellten Aspekte – formales Verständnis von Business Cases, Methoden und Tools, Inhalte und Annahmen sowie Prozesse und Organisation. In der praktischen Wirklichkeit nehmen die Schwierigkeiten in der Reihenfolge der Aufzählung zu.
Abbildung 4: Der Weg zu Transparenz und Sicherheit bei Business Cases und Projektkalkulationen
Formales Verständnis
Zunächst sollte ein einheitliches formales Verständnis hinsichtlich Business Cases vorhanden sein. Dazu sind grundsätzliche Fragen zu beantworten. Häufig divergieren hier zunächst die Vorstellungen.
Fragen, die sich beispielsweise stellen: Was sind Ziel und Zweck von Business Cases in unserem Unternehmen? Wofür sollen sie grundsätzlich eingesetzt werden? Was gehört hinein, was nicht? Was macht einen guten Business Case aus?
Generell lässt sich festhalten, dass ein Business Case ein Werkzeug zur Entscheidungsunterstützung und zur Planung ist. Es sollte eingesetzt werden, wenn die Entscheidung aufgrund der Komplexität nicht direkt zu treffen ist und gravierende Auswirkungen des Vorhabens zu erwarten sind. Dies bedeutet beispielsweise, dass die zahlreichen "Muss-Projekte", die in Banken zurzeit durchgeführt werden, einen Business Case benötigen – denn die Auswirkungen auf das Projektportfolio hinsichtlich Ressourcen und freies Budget sind meist drastisch.
Methoden und Tools
Über die einzusetzenden Methoden sind ebenfalls ein paar Gedanken zu machen.
Fragen, die sich beispielsweise stellen: Welche Methoden der Investitionsrechnung sollen eingesetzt werden? Wie ist deren Eignung für die eigenen Zwecke? Welche Beurteilungsgrößen und Kennzahlen sollen entscheidungsrelevant sein? Welche Methoden zur Identifizierung und späteren Behandlung der entscheidenden Inputgrößen, der "Stellhebel" sind vorhanden? Und wie sieht es mit Methoden zur Datensammlung und zur Validierung von Annahmen aus? Welche Methode zur Risikobetrachtung wird benutzt? Zu guter Letzt kommen zu verwendende Templates und Standards sowie Software, insbesondere für Stellhebelidentifikation und Risikoanalyse, hinzu.
Ein Punkt, der einige Probleme verursacht, besteht in selektiver Datennutzung für unsichere Größen. Obwohl hier eigentlich Schwankungen, Bandbreiten bzw. Verteilungen oder unsichere Ereignisse angebracht wären, wird ein einziger, fester Wert benutzt – der die Größe dann möglichst gut repräsentieren soll. Je nach Bedarf kommen dann Risikozuschläge oder -abschläge hinzu. Welchen Wert also wählen? Und welchen Zu- oder Abschlag?
Dieses Vorgehen lädt genauso wie die klassischen Betrachtungen "Best Case", "Worst Case", "Real Case" – die übrigens die schlechteste Plantreue aufweisen – zu einem interessengeleiteten "Hinrechnen" von Kalkulationen ein. Gleichzeitig wird auch noch die Möglichkeit zum systematischen Aufbau von Know-how und Historien vertan. Zu guter Letzt fehlt auch noch eine valide Risikoaussage. Glücklicherweise lassen sich diese drei Probleme mit geeigneter Methodik im Rahmen der Risikoanalyse auf einfache Art erheblich reduzieren.
Inhalte und Annahmen
Es fängt an mit der Beschreibung des konkreten Vorhabens und seiner generellen Einordnung. Was ist, in einfachen Worten, Sinn, Zweck und Ziel des konkreten Vorhabens? Alle anderen Fragen sind folgen erst nach der Antwort auf diese Frage.
Fragen, die sich beispielsweise stellen: Welcher Modellaufbau ist sinnvoll? Welcher Detailierungsgrad angemessen? Wie steht es um Konsistenz und Plausibilität von Kernannahmen, Daten und Bewertungen? Und wie wird was dokumentiert?
Die Dokumentation ist entscheidend im Hinblick auf Transparenz und eine inhaltlich ausgerichtete Diskussion. Sie ist Voraussetzung für den kontinuierlichen Verbesserungsprozess, für das Nachziehen des Business Cases während der Umsetzung und das "Besser machen" des nächstens Business Cases. Suchen Sie aber dennoch nicht nach ihr: Die Dokumentation der Annahmen ist ein Kellerkind. Ans Licht gezerrt oft nur durch die interne Revision (die übrigens bei der Prüfung von Projekten und Business Cases vielerorts auch noch nicht gut aufgestellt ist). Dokumentation wird nur selten vorgenommen, und noch seltener ist sie aktuell und vollständig. Das ist tragisch, denn Wissen und Transparenz gehen verloren. Fragen Sie einmal Ihren Controller nach den Annahmen hinter den Zahlen – zwei oder vier Wochen, und er wird sich erinnern; nach sechs Wochen oder zwölf Wochen wird es meist dünn.
Unter Effizienzgesichtspunkten sind die Identifikation der Stellhebel sowie die Fokussierung auf diese im Rahmen der weiteren Analyse unerlässlich. Hierfür ist Tool-Unterstützung notwendig. Mit der Fokussierung auf die Stellhebel sind dann auch effiziente Sensibilitäts- und Robustheits-Checks und Risikoanalysen möglich.
Ein interessantes Spannungsfeld: Regelmäßig sehen wir elaborierte Kalkulationen. Großer Umfang. Hoher Detaillierungsgrad. Und anschließend wird versucht, sich nun wieder auf die relevanten Größen zu fokussieren: kein wirklicher 80/20 Ansatz, oder? Auch organisatorisch fordert ein hoher Detaillierungsgrad seinen Tribut: Die Erstellung des Business Cases bzw. der Kalkulation dauert länger, Übersicht und Transparenz leiden, Dokumentationsbedarf steigt, Abstimmung, Übergabe bei Krankheit, Urlaub oder Wechsel werden deutlich aufwändiger. Die Kommunikation Richtung Entscheider wird ebenfalls schwieriger. Die Herausforderung besteht darin, die richtige Balance zu finden.
Prozesse und Organisation
Wenn wir also wissen, welchem Zweck ein Business Case dienen soll, mit welchen Methoden und welchen inhaltlichen Maßgaben gearbeitet werden soll, so lassen sich auf dieser Basis Business Cases erstellen. Nun gilt es, die Business Cases und Projektkalkulationen mit der Organisation zu verbinden.
Fragen, die sich beispielsweise stellen: Wer erstellt den Business Case, wer pflegt ihn, und wie wird zugeliefert? Was passiert im Unternehmen mit den Business Cases, durch wen, zu welchem Zeitpunkt, mit welchem Ziel? Und wie werden Business Cases nachgezogen und fließen in einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess und in den Aufbau von Historien ein?
Dies und mehr gilt es zu beantworten und zu verankern über Prozesse und Organisation. Beim Thema Prozesse und Organisation sind zwei Phänomene bemerkenswert, die beide auf die Tatsache zurückgehen, dass es viele verschiedene Beteiligte mit vielen verschiedenen Interessen gibt:
- "Strategische Projekte"
- Interessengeleitetes "Hinrechnen"
Strategische Projekte – "Das muss nicht gerechnet werden – das ist strategisch."
Das Kriterium "Strategie" ist im Prozess der Selektion, Bewilligung, Priorisierung und Budgetierung von Projekten eine wahrlich zweischneidige Entscheidungsdimension. Zweifelsohne ist eine strategische Ausrichtung der Projekte unerlässlich. Leider wird "die Strategie" jedoch oft dazu bemüht, Projekte außerhalb einer wirtschaftlichen Überprüfung zu stellen. Ein strategisches Projekt muss gemacht werden – weil es ja strategisch wichtig ist. Spricht man mit Beteiligten über Ziel, Kosten und Effekt eines (strategischen) Projekts, so lassen sich nicht selten das Hochziehen beider Augenbrauen und ein süffisant-ironisches Lächeln beobachten. "Das ist halt ein strategisches Projekt – das wird nicht gerechnet." Das (vermeintliche) Totschlagsargument. Gemessen an Budget und Ressourcen kann eine Strategie ein wirklich atemberaubend großes Feigenblatt sein – erfahrungsgemäß, ohne dass diese Strategie den beteiligten Kollegen als gemeinsame Strategie überhaupt bekannt zu sein hätte; und auch ohne dass sie die einzige aktuell gültige Strategie sein müsste. Daher an dieser Stelle ein vielleicht schlichter Vorschlag – aber wäre es eine Anregung, danach zu fragen, ob es bei Projekten primär nicht einfach darum geht, konkret Geld zu verdienen oder konkret Geld zu sparen? Oder konkret benennbare Handlungsmöglichkeiten mit möglichst wenig Aufwand zu erreichen?
Interessengeleitetes Hinrechnen – "Mein Wille geschehe"
Hinrechnen wird als ein weitverbreitetes Phänomen angesehen – eines mit deutlichen Nachteilen für die Unternehmen: Die Plantreue von Unternehmen, die angeben, dass interessengeleitetes Hinrechnen nicht vorkommt, liegt rund 38% höher als bei den übrigen Unternehmen.
Abbildung 5: Interessengeleitetes Hinrechnen - ein Übel, weitverbreitet.
Es gibt aber eine gute Nachricht bzgl. des interessengeleiteten Hinrechnens: Das Hinrechnen hängt zum Großteil mit selektiver Datennutzung zusammen; außerdem mit der Nutzung von Best-/ Worst-/ Real-Case Szenarien und einem Mangel an inhaltlicher und methodischer Auseinandersetzung mit den Annahmen. Tatsächlich wird das Problem erheblich reduziert bei Nutzung von Dreipunktschätzungen (kleinster Wert, größter Wert, wahrscheinlichster Wert) und simulationsbasierte Risikoanalyse. Grund: Der Zwang zur Festlegung auf "den einen, wahren Wert" entfällt, und die geschätzten Werte können mit konkreten Überlegungen inhaltlich abgeleitet werden. Höhere Transparenz und Verbindlichkeit sind die Folge.
Transparenz und Sicherheit: Risikobeurteilung als zweite Hausaufgabe
Insgesamt ist sicherzustellen, dass neben die Entscheidungskriterien "Wirtschaftlichkeit" und "Strategie" auch das Kriterium "Risiko" tritt. Durch eine sachgerechte Analyse des Projektrisikos eines Unternehmens lassen sich zwei positive Effekte erreichen:
- Erstens kann der erforderliche Budget- und Ressourcenbedarf verlässlicher abgeschätzt und in die Planung eingestellt werden. Hierdurch sinkt die Ergebnis-Volatilität des Unternehmens.
- Zweitens verhilft die sachgerechte Analyse des Projektrisikos zu besseren Bewilligungs- und Priorisierungsprozessen, indem Umsetzungshürden des eigentlichen Projekts früher antizipiert werden. Hierdurch sinken der Mittelbedarf und ebenfalls die Ergebnis-Volatilität [vgl. Ihde, T. (2010)].
Das folgende Chart (Abbildung 6) veranschaulicht das deutlich: Ist auf der Entscheidungsvorlage für Projekte und Business Cases viel Platz zur Beschreibung von Risiken, so liegt die Quote der Nachbudgetierung, Terminverzögerung und Ergebniseinbußen nur halb so hoch wie bei Verwendung von Entscheidungsvorlagen, auf denen wenig oder kein Platz zur Risikobeschreibung ist.
Abbildung 6: Je mehr Platz für die Risikobeschreibung, desto besser
Die Internationale Projekt- und Business Case Studie zeigt auf der Basis von Interviews mit 100 Ansprechpartnern aus verschiedenen Führungsebenen in den Bereichen Controlling, Revision und Projektsteuerung in Deutschland, Österreich und der Schweiz:
- Die Risikobeurteilung der Kalkulation eines Business Cases bzw. Projekts spielt eine zentrale Rolle für den späteren Erfolg. Die in der Praxis gängigen Risikobeurteilungen von Projekten und Business Cases sind allerdings meist nicht sachgerecht.
- Mit einfachen Maßnahmen zur Verbesserung der Risikobeurteilung und einer angemessenen Risikokultur lässt sich die Plantreue stark verbessern: Nachbudgetierungen können bspw. um bis zu 40% reduziert werden, Termin- und Ergebnistreue ähnlich deutlich.
Die sachgerechte Berücksichtigung von Risiko aus Business Cases und Projekten erfordert das "Aufbohren" der bereits für saubere Grundlagen notwendigen Bausteine "Formales Verständnis", "Methoden und Tools", "Inhalte und Annahmen" sowie "Prozesse und Organisation".
Außerdem sollte das Projekt- bzw. Business Case Risiko auf verschiedenen "Flughöhen" berücksichtigen (Einzelvorhaben, Projektportfolien, Bewilligungs-/ Priorisierungs-/ Budgetierungsprozess, Risk-Return-Steuerung) und auch die Verzahnung von operativer Projekt-Ebene mit der Finanz- und Controlling-Ebene.
Formales Verständnis
Beim formalen Verständnis geht es um die Definition des Risikos und seine Ausprägungen sowie die grundsätzlichen Ursachen (Wertschwankungen, Risikoereignisse, Abhängigkeiten und fehlerhafte Modelle).
Fragen, die sich beispielsweise stellen: Verstehen alle Beteiligten, insbesondere die Entscheider, was mit Risiko aus Projekten und Business Cases gemeint ist? Welche Mehrwerte werden durch die Risikobetrachtung erwartet?
Methoden und Tools
Bei der Auswahl der Methoden zum Risikoausweis sollte stets auch im Blick behalten werden, dass die verschiedenen "Flughöhen" abgedeckt werden können – also eine Aggregation von Einzelprojekten auf beispielsweise Projektbündel, Programme bzw. das gesamte Projektportfolio erfolgen kann. Scoring-Modelle oder Risk-Maps stoßen da an eine weitere Grenze.
Fragen, die sich beispielsweise stellen: Wie werden unsichere Werte und Ergebnisse erfasst und beschrieben? Welche Methode zur Aggregation? Welche Methode soll zur Risikobeschreibung eingesetzt werden? Wie lassen sich aussagekräftige Risiko-Rendite-Profile erzeugen? Wie sind Darstellungen adressaten- und handlungsorientiert zu wählen, so dass Akzeptanz erreicht wird?
Unserer Erfahrung nach ist die angemessene methodische Herangehensweise für Business Cases und Projekte die Monte-Carlo-Simulation, ergänzt um semi-quantitative oder qualitative Risikobeschreibungen.
Da die Business-Case-Welt eine Excel-Welt ist – rund 88% der Business Cases und Projektkalkulationen sind in Excel gerechnet – bedarf es für eine brauchbare und praxistaugliche Risikoanalyse zusätzlicher Software. Für die effiziente Umsetzung der Risikoanalyse kommt es bei der Software nicht auf einen großen Umfang spezialmathematischer Funktionen an, wie sie die akademischen Tools anbieten, sondern darauf, dass die Software ohne vertiefte Kenntnisse in Mathematik und Risikomanagement schnell einsetzbar ist und auch die Dokumentation der Annahmen erlaubt. Reine Plug-Ins scheiden damit aus. Risikoereignisse und Maßnahmen sollten ebenfalls Berücksichtigung finden, und zwar auf der Basis existierender oder zu erstellender Risikoregister.
Inhalte und Annahmen
Bei der Risikoanalyse sind die Risiken "außerhalb der Kalkulation" und "innerhalb der Kalkulation" zu untersuchen. Die Risiken "außerhalb der Kalkulation" begründen sich insbesondere durch nicht quantifizierbare Risiken oder nicht erfasste Risiken – zum Beispiel Risiken, die zwei Teilprojekte mit dem Hinweis ausklammern, dies seien Risiken des jeweils anderen Teilprojekts, so dass diese hier nicht zu betrachten seien. Insgesamt würden diese Risiken fehlen. Bei den Risiken "innerhalb" der Kalkulation geht es um einen sinnvollen Aufbau des Modells, einen angemessenen Detailierungsgrad, der Konsistenz und Plausibilität von Kernannahmen, Daten und Bewertungen. Hierbei sollten die Stellhebel der Kalkulation fokussiert werden.
Fragen, die sich beispielsweise stellen: Wie sehen die Umstände aus, damit der aktuelle Planwert für diesen Stellhebel eintritt? Kann der Wert nach unten abweichen? Wodurch? Bei welcher Konstellation ist der kleinstmögliche Wert erreicht? Welches ist der kleinstmögliche Wert? Kann der Wert nach oben abweichen? Wodurch? Bei welcher Konstellation ist der größtmögliche Wert erreicht? Welches ist der größtmögliche Wert? Welche Abhängigkeiten existieren? Lassen sich die Konstellationen günstig beeinflussen? Wodurch? Gibt es unsichere Ereignisse, die die Werte verändern? Welche Maßnahmen lassen sich treffen?
Auf diese Weise kommen Dreipunktschätzungen (kleinster Wert, größter Wert, wahrscheinlichster Wert) mit inhaltlichen Hinterlegungen zustande. Die Diskussionen verlagern sich von den Zahlen zu den Annahmen, und es lassen sich die Finanz-Ebene und operative Ebene verknüpfen – die Risikoregister der Projekte liefern beispielsweise Input für die Kalkulation, und die Risikoanalyse der Kalkulation liefert wichtige, unterstützende Informationen für das operative Projekt.
Prozesse und Organisation
Entscheidend für eine erfolgreiche Verankerung der Risikobeurteilung in Prozessen und Organisation sind insbesondere:
- Es wird Akzeptanz bei den Beteiligten erzeugt – von Controlling, Fachbereichen bis zu den Entscheidern: Risikobeurteilung liefert wertvolle Informationen für die Entscheidung und Umsetzung
- Risikobeurteilung wird verbindliche Voraussetzung zur Bewilligung und Bestandteil der Entscheidungsvorlage
- Es erfolgt eine Verzahnung der operativen Ebene mit dem Controlling
Fragen, die sich beispielsweise stellen: Wer führt die Risikobeurteilung durch? Und wer aktualisiert sie zu welchen Zeitpunkten? Wer liefert wie zu? Wie werden sie im Entscheidungsprozess genutzt? Was passiert im Unternehmen mit den Ergebnissen der Risikoanalyse, durch wen, zu welchem Zeitpunkt, mit welchem Ziel? Soll die Risikobeurteilung eher klärende Funktion hinsichtlich des "Ambitionsniveaus" der Zielvorgabe haben? Oder bindenden Charakter hinsichtlich Bewilligung und Budgetierung Und wie fließen die Ergebnisse in einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess und in den Aufbau von Historien ein?
Fazit
Es ist ein gewisser Weg zur Schaffung von Transparenz und Sicherheit bei Business Cases und Projekten zurückzulegen. Wir erleben häufiger, dass das Bestreiten dieses Weges durch die interne Revision forciert wird, um das Interne Kontrollsystem zu verbessern und dem Unternehmen Schutz und Impuls in einem aktuellen "Schmerzbereich" zu geben.
Zunächst müssen für den Bereich der Kalkulation und Auswahl von Business Cases und Projekten Grundlagen geschaffen werden hinsichtlich Verständnis, Methoden und Tools, Inhalten und Annahmen sowie Prozesse und Organisation. Außerdem ist Risikobeurteilung sachgerecht zu etablieren.
Gute erste Ansatzpunkte zur Einführung oder Optimierung der Risikobeurteilung sind die Entscheidungsvorlage, die Methodik und das Tool. Die Entscheidungsvorlage zeigt den Mitarbeitern den Stellenwert des Themas Risiko bei Entscheidungen. Mit der Methodik werden Wissen und Standards aufgebaut, um die Qualität der Risikobeurteilung zu erreichen. Das Tool schließlich zeigt den Mitarbeitern, dass und wie die Ergebnisse aus den Risiko-Aufgaben konkret nutzbar sind.
Der Angang zur Schaffung von Transparenz und Sicherheit bei Business Cases und Projekten ist dabei in den verschiedenen Unternehmen unterschiedlich. Vielerorts begleiten wir unsere Kunden in einem sequenziellen Aufbau – erst Grundlagen, dann Risiko. Mancherorts wird dieses in einem Arbeitsgang erledigt, mancherorts auf das Risikothema vorerst verzichtet. Am Ende des Tages ist aber jeder der Schritte ein Schritt in die richtige Richtung, und das richtige Vorgehen hängt von verschiedenen Faktoren ab, bspw. einerseits von Größe und Häufigkeit der Projekte und der Größe, Komplexität der Unternehmen sowie andererseits von der aktuellen Aufstellung, insbesondere auch auf der Umsetzungsseite, und der Risiko-Vorerfahrung.
Nehmen Sie gern mit Dr. Tobias Ihde Kontakt auf (info@drihdeundpartner.de). Die komplette Projekt und Business Case Studie 2009 schicken wir Ihnen auf Anfrage unter www.drihdeundpartner.de oder www.trisolutions.de gern kostenlos zu.
Autor: Dr. Tobias Ihde
Dr. Ihde und Partner Unternehmensberater
TriSolutions GmbH
MOTI Risikomanagement GmbH
Inhaltliche Schwerpunkte seiner Arbeit bilden die Bewertung, Steuerung und Risikobeurteilung von Projekten und Business Cases auf Ebene des Einzelvorhabens, des Projektportfolios und auf der Ebene der Gesamtunternehmensplanung sowie klassische Risikomanagement-Projekte in Treasury und Risikocontrolling.
Vor seiner aktuellen Tätigkeit war Tobias Ihde bei DaimlerChrysler und der Managementberatung Droege & Comp. tätig.
Literatur des Autors zum Thema:
Ihde, T.: Stresstests für Projekte, in: Gruber, W./ Martin, M./ Wehn, C. (Hrsg.): Szenarioanalysen und Stresstests in der Bank- und Versicherungspraxis, Stuttgart 2010.
Internationale Projekt und Business Case Studie 2009, www.drihdeundpartner.de
Ihde, T./ Stoll, K./ Ihde, F.: Projektaudit. Erfolgsfaktor Risikobeurteilung – Internationale Projekt und Business Case Studie 2009 (Auszüge), in: Compliance, Risk, and Audit (11/2009), S. 35-41.
Ihde, Tobias; Ihde, Florian: Projektrisiken prüfen und verhindern durch IT-gestützte begleitende Prüfung, in Foerschler, D. (Hrsg.): Innovative Prüfungstechniken und Revisionsvorgehensweise, Frankfurt a.M. 2007.
[Bildquelle oben: iStockPhoto]
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