Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat am Freitag die finale Fassung seiner Industriestrategie vorgestellt, mit der er industrielle Großunternehmen und den Mittelstand stärken will. Von seiner ursprünglichen Idee eines Beteiligungsfazilität des Staates an Unternehmen hat er Abstand genommen. Stattdessen soll die KfW notfalls befristet Unternehmensanteile ankaufen, um die Firma vor Übernahmen zu schützen.
"Wir sind uns einig, dass wir unseren Industriestandort noch besser für die Zukunft wappnen müssen", sagte der CDU-Politiker bei der Vorstellung seiner finalen Fassung "Nationalen Industriestrategie 2030". Mit seinem Konzept reagiert Altmaier auf Befürchtungen, dass bei einem Verlust an technologischer Schlüsselkompetenz die deutsche Stellung in der Weltwirtschaft substanziell beschädigt werde und dies dramatische Folgen für die Bundesrepublik hat.
Vetorecht bei Übernahmen erweitert
Das 37-seitige Papier sieht vor, dass die Rahmenbedingungen für die Industrie mit niedrigeren Steuern und Abgaben verbessert werden soll. Auch soll das Innovationspotenzial aktiviert werden und mehr technologische Neuerungen in Anwendung gebracht werden. Ein dritter Punkt sieht den Schutz der technologischen Souveränität Deutschlands vor. Hierzu soll die Außenwirtschaftsverordnung geändert werden, um deutsche Schlüsseltechnologien besser vor Übernahmen aus dem außereuropäischen Ausland zu schützen.
Damit sollen nicht nur wie bisher Übernahmen von kritischen Infrastrukturen, wie Stromnetze, geprüft werden können, sondern auch die von kritischen Technologien wie der künstlichen Intelligenz, Robotik, Halbleiter, Biotechnologie und Quantentechnologie.
Altmaier sagte, es sei wichtig, dass die deutschen Wirtschaftszweige eine reale Chance im globalen Wettbewerb haben. "Wir wollen dafür sorgen, dass ein Ausverkauf nicht stattfindet", meinte Altmaier bei der Vorstellung seines Konzepts. Deutschland werde ein offenes Land bleiben, aber die Bundesrepublik werde genauer hinschauen. "Es richtet sich nicht gegen ein bestimmtes Land", sagte der CDU-Politiker.
Altmaier rückt von staatlichem Beteiligungsfonds ab
Als Ultima Ratio "und nur dann, wenn alle anderen Instrument nicht greifen", soll im Einzelfall bei sensiblen oder sicherheitsrelevanten Technologien über die staatseigene KfW eine befristete staatliche Beteiligung an Unternehmen erwogen und realisiert werden. Dies nennt das Ministerium nun "Nationale Rückgriffsoption", die nach Altmaier kein Fonds mit einem festen Volumen für mögliche Übernahmen vorsieht.
Seine ursprüngliche, im Februar vorgestellte Industriestrategie hatte noch solch eine Beteiligungsfazilität in Form eines Fonds vorgesehen. Darin hatte er gefordert, dass ein mit einem festen Volumen ausgestatteter Fond Unternehmensanteile aufkaufen könne und im Gegenzug andere Unternehmensanteile hätten privatisiert werden müssen. Dieser Plan hatte Kritik in der Wirtschaft und bei Ökonomen ausgelöst.
Altmaier betonte am Freitag, dass er eine Lösung durch privatwirtschaftliche Akteure als "Weiße Ritter" für die beste Option hält und er daher die Pläne angepasst habe. "Das ist die Option, die ich in jedem Fall bevorzugen", sagte Altmaier. Erst als letzte Möglichkeit würde der Staat auf die Rückgriffsoption zurückgreifen, ein Instrument, dass der Bund schon jetzt zur Verfügung hat und beim Netzbetreiber 50Herz angewendet hat.
Anders als in der ersten Fassung seiner Industriestrategie wird nun nicht mehr der Zusammenschluss von großen nationalen und europäischen Champions als Ziel genannt, zu denen er in Deutschland Siemens, Thyssenkrupp, die Deutsche Bank und Automobilhersteller gezählt hatte.
Altmaier versteht seine Strategie als Diskussionsbetrag. Es ist unklar, ob der Vorschlag innerhalb der Bundesregierung Zustimmung beim Regierungspartner SPD findet.
Lob und Kritik aus der Praxis
Die deutsche Wirtschaft hat mit Lob und Kritik auf die Industriestrategie reagiert. Positiv wurden die Pläne zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit bewertet. Vorbehalte riefen allerdings Pläne zum Schutz von ausländischen Übernahmen von Schlüsselunternehmen hervor.
BDI-Präsident Dieter Kempf begrüßte, dass Altmaier nach Kritik an seiner Strategie nun die Bedeutung des Mittelstands für Deutschland stärker betont habe. Auch mahnte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), dass die Bundesregierung die Vorschläge schnell umsetzen solle, um die deutsche Industrie mit mehr als elf Millionen Arbeitsplätzen im In- und Ausland wetterfest zu machen.
"Die neue Strategie enthält etliche sinnvolle Ansätze, welche die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland verbessern. Dazu zählt vor allem die Steuerpolitik, damit die Belastung unserer Unternehmen mit einem Satz von 25 Prozent ein international konkurrenzfähiges Niveau erreicht", sagte Kempf. Auch seien Vorschläge zur Bereitstellung von Wagniskapital und ein starkes Eintreten für eine europäische Industriepolitik Punkte, die sofort auf die politische Tagesordnung gehörten.
Auch der Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hob lobend hervor, dass Unternehmenssteuern gesenkt, ein weiterer Anstieg der Stromkosten bekämpft und schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren ermöglicht werden sollen.
Kritik an Schutzmaßnahmen von Schlüsseltechnologie
Kritisch sieht der BDI jedoch noch immer die geplante staatliche Rückgriffsoption zur Sicherung der technologischen Souveränität. "Eine Ermächtigung der Bundesregierung zur Kapitalbeteiligung des Staates an einzelnen Unternehmen ist mit den Grundprinzipien der sozialen Marktwirtschaft nicht leicht in Einklang zu bringen", monierte Kempf.
Vorbehalte hat bei diesem Punkt auch der DIHK. "Bei den angekündigten Maßnahmen im Bereich der technologischen Souveränität kommt es darauf an, Eingriffe tatsächlich auf sicherheitsrelevante Gründe zu beschränken", sagte DIHK-Präsident Eric Schweitzer. "Einen schleichenden Einstieg in eine staatlich gelenkte Industriepolitik muss die Politik vermeiden. Die erneute Verschärfung der Außenwirtschaftsverordnung darf die Attraktivität des Investitionsstandorts Deutschland für Interessenten aus aller Welt nicht weiter einschränken."