Viele Menschen kommunizieren heute anders als noch vor einigen Jahren. Social-Media-Plattformen wie Xing, Twitter oder Facebook beherrschen zunehmend die Medienberichterstattung und übertreffen in der Nutzungsintensität und -zeit immer häufiger die der klassischen Print- und Online-Medien. 53 Millionen Deutsche – rund 76 Prozent der Bevölkerung – sind inzwischen regelmäßig online. Weltweit surfen rund 2,4 Milliarden Menschen in den Weiten des globalen Netzes. Nach Berechnungen des US-amerikanischen Halbleiterherstellers Intel beläuft sich der globale Datentransfer auf 639.800 GB pro Minute. Was in 60 Sekunden in den Weiten des WWW passiert, hat der US-Konzern auch ermittelt. Demnach werden beispielsweise satte 204 Millionen E-Mails versendet. Im Online-Lexikon Wikipedia werden sechs neue Artikel veröffentlicht. 135 Rechner werden Teil eines Botnetzes. Das mobile Internet wächst um 1.300 Nutzer. Rund 47.000 Apps für iOS- und Android-Geräte werden heruntergeladen. Waren im Wert von 83.000 US-Dollar wechseln bei Amazon den Besitzer. Bei Youtube werden 1,3 Millionen Videos angesehen und 30 Stunden Videomaterial hochgeladen. Und Google verzeichnet über 2 Millionen Suchanfragen.
Thomas Plünnecke (Foto unten), Pressesprecher bei der 1&1 Internet und GMX, wies in einem Vortrag auf der Jahreskonferenz der Risk Management Association darauf hin, dass eine klassische Pressemitteilung an Bedeutung verliert. So lesen viele Journalisten (Massen-) Mailings gar nicht mehr. Studien zeigen auf, dass ein Leser im Durchschnitt rund 10 Sekunden mit dem Lesen solcher Mailings verbringt. Und im Anschluss klicken nicht wenige Leser auf "Delete".
Klare Spielregeln für soziale Netzwerke
Das Fundament für ein präventives Risikomanagement im Bereich Social Media bilden klare Spielregeln für alle Mitarbeiter im Bereich Social Media. Diese Spielregeln bilden so genannte Social Media Guidelines. Sie definieren den Rahmen der beruflichen und privaten Kommunikation im Internet, schützen Unternehmen und Mitarbeiter und tragen zu einer einheitlichen Kommunikation bei. Thomas Plünnecke wies darauf hin, dass Unternehmen solche Spielregeln auch dann formulieren sollten, wenn sie selbst nicht im Web 2.0 aktiv sind. In Kurzform sollten diese Spielregeln sich unter anderem mit den folgenden Themen beschäftigen:
- Wer spricht für die Firma?
- Web-2.0-Aktivitäten koordinieren.
- Eigene Meinung auch als solche kennzeichnen.
- Firmengeheimnisse und Urheberrecht beachten.
- Richtig über die eigene Arbeit reden.
- Transparenz.
- Beschwerden melden und bearbeiten.
- Netiquette beachten.
- Eigene Firma und Wettbewerber nicht diskreditieren.
- Über die Konsequenzen nachdenken.
- Im Zweifelsfall die Experten fragen.
- Krisenmanagement im Kontext Social Media
Hinsichtlich der Installierung von Social Media-Richtlinien oder Monitoringprozessen als Frühwarnsystem sind die Unternehmen eher zurückhaltend, so das Ergebnis einer Studie aus dem Jahr 2011 des Kompetenzportals RiskNET unter 2.400 Risikomanagern und Kommunikationsverantwortlichen aus dem deutschsprachigen Raum: Bei knapp der Hälfte der Befragten existieren noch keine firmeninternen Richtlinien für den Umgang mit den Social Media. Auch geben zwei Drittel der Unternehmen zu, bislang keinen Monitoringprozess für Social Media-Plattformen etabliert zu haben. Und nur bei gut jedem zehnten Unternehmen gibt es eine regelmäßige qualitative bzw. quantitative Bewertung der möglichen Reputationsrisiken durch die Nutzung von Social Media-Plattformen.
Aus Sicht des Kommunikationsexperten Plünnecke ist jede Beschwerde eine Mini-Krise. Daher müssen Beschwerden von Kunden oder anderen Interessengruppen ernst genommen werden. Unternehmen sollten vor der Krise wissen, wie sie mit der Krise umgehen. Es geht also um ein präventives Risikomanagement. Dabei ist die Erkenntnis, dass Prävention vor Reaktion gestellt werden sollte, nicht neu. Von dem berühmtesten Arzt des Altertum, Hippokrates, ist das Zitat überliefert, dass Vorbeugen besser als heilen ist.
Unternehmen sollten deshalb immer darüber informiert sein, was im Internet über sie berichtet wird. Sich einen Überblick über branchenrelevante Bewertungsportale und Foren zu verschaffen, ist hierfür unverzichtbar. Um stets auf dem aktuellen Stand zu bleiben, helfen ergänzend "Such-Alarme" der bekannten Suchmaschinen.
Kritik wird in der Social-Media-Welt online offener, nicht selten sogar viel aggressiver geäußert. Und manchmal verselbstständigt sie sich, was dann zu einem "Shitstorm" führen kann. Die berühmt-berüchtigte Zorneswelle der Community ist über nicht wenige prominente Unternehmen hinweggefegt – vom Burger-Riesen McDonald’s über den Spülmittelkonzern Henkel bis hin zum Schokoriegelhersteller Nestlé oder der Deutschen Bahn.
Nach der Krise ist vor der Krise
Ein Blick in die Praxis der Schmährufe zeigt, dass Argumente sich mit Beleidigungen und Bedrohungen vermischen. Nicht selten startet eine Dominorallye, die Unternehmen nur noch schwer stoppen können. "Die eigenen Mitarbeiter sollten gezielt für das Thema sensibilisiert werden. Schulungen, Mailings oder Informationen im Intranet sind die Schlüssel für ein adäquate Kommunikation."
Unternehmen müssen sich darüber im Klaren sein, dass selbst auf den entsprechenden Social-Media-Plattformen aktiv sein müssen, um aktiv gegenzusteuern. "Dabei ist es wichtig, einen professionellen und ruhigen Umgangston zu wahren", sagt Plünnecke. "Keinesfalls sollten Unternehmen sich im Web 2.0 auf einen verbalen Schlagabtausch einlassen."
Hierbei wird auch deutlich, dass Ausflüchte, Zensur und das Schwingen der juristischen Keule der Online-Reputation mehr schaden, als dass man die Schmährufe eindämmen kann. Das Rezept des Kommunikationsexperten: "Negativem Feedback sollte mit konstruktiven Statements begegnet werden." Oberstes Gebot im Krisenfall ist Ruhe. Je stärker Sie gegen die Kritiker ankämpfen, desto heftiger fällt deren Gegenreaktion aus. Fazit: Nach der Krise ist vor der Krise!
[Bildquelle oben © aey - Fotolia.com / Bildquelle Plünnecke: Thomas Plünnecke]