OECD fordert von Deutschland schnelle Arbeitsmarkt- und Bildungsreformen

Chancen- und Risikoanalyse für Deutschland


Chancen- und Risikoanalyse für Deutschland: OECD fordert von Deutschland schnelle Arbeitsmarkt- und Bildungsreformen News

Um das Wachstum auch in den kommenden Jahren zu sichern, muss Deutschland nach Forderungen der OECD schnell Reformen in der Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik auf den Weg bringen. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sah allerdings in den Empfehlungen in weiten Bereichen eine Unterstützung für die deutsche Wirtschaftspolitik.

Deutschland verzeichne heute dank der Reformen des vergangenen Jahrzehnts sowohl historisch als auch international eine der niedrigsten Arbeitslosenraten, erklärte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in ihrem "Wirtschaftsbericht Deutschland 2014", den Generalsekretär Angel Gurría in Berlin an Gabriel übergab. Der stark gewachsene Niedriglohnsektor und der hohe Anteil von Menschen in befristeten Beschäftigungsverhältnissen seien jedoch problematisch. Die deutlich gesunkene Arbeitslosigkeit habe sich auch nicht positiv auf das Armutsrisiko in Deutschland ausgewirkt.

"Deutschland hat die Wirtschaftskrise bemerkenswert gut bewältigt", betonte Gurría zwar. Auch wenn Reformen in Krisenzeiten häufig leichter anzustoßen seien, müsse der Prozess aber auch gerade in guten Zeiten weitergehen. "Für Deutschland heißt das: Das Land muss jetzt handeln."

Deutschland soll nach dem Willen der Pariser Organisation eine vorhandene "Zweiteilung" des Arbeitsmarktes abbauen: auf der einen Seite Arbeitnehmer mit unbefristeten Verträgen, einem höheren Kündigungsschutz und häufig auch komfortablerem Gehalt, und auf der anderen Seite solche mit befristeten Verträgen, wenig Schutz und geringerem Lohn. "Ein allgemeiner, von einer unabhängigen Expertenkommission festgelegter Mindestlohn könnte dabei helfen", erklärte die OECD.

Gabriel sah damit in weiten Bereichen eine Unterstützung für die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung. Die OECD erkenne an, dass die deutsche Wirtschaft in einem schwierigen internationalen Umfeld "bemerkenswert widerstandsfähig" sei. "Es gibt eine gute Prognose für unser Land, aber die Aufforderung der OECD, ruht euch nicht aus", konstatierte Gabriel und begrüßte, "dass der Bericht auch kritisch auf Probleme sozialer Ungleichheit und die Gefahr einer Spaltung am Arbeitsmarkt hinweist".

Gurría unterstützte "ausdrücklich" die Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns. Die Pariser Organisation lobte zwar diesen Politikansatz der Großen Koalition, andere Vorhaben kritisierte sie aber. So plädierte der Bericht dafür, Umverteilungsausgaben für Rentner aus dem allgemeinen Steueraufkommen und nicht über Sozialversicherungsbeiträge zu finanzieren, wie dies die Regierung bei der Mütterrente plant.

Um das Wachstumspotenzial zu steigern, schlug die OECD zudem vor, den Faktor Arbeit weniger zu besteuern und die Sozialabgaben vor allem für Geringverdiener zu senken. Zum Ausgleich schlug sie vor, die Grundsteuern auf Immobilienbesitz nach aktualisierten Wertansätzen zu erheben und Gewinne aus dem Verkauf fremdgenutzter Immobilien nicht mehr von der Steuer zu befreien. Zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit sollen zudem die Beschäftigungschancen für Betroffene durch gezielte Zuschüsse und Weiterbildungsanreize verbessert werden.

"Mindestens ebenso wichtig" ist es nach Dafürhalten der OECD außerdem, schon jungen Menschen gleich gute Startbedingungen für Bildung und Beruf zu ermöglichen. Hierzu müsse der starke Zusammenhang zwischen sozialem Hintergrund und den Leistungen und Aussichten der Schüler durchbrochen werden. Die OECD fordere "ein inklusiveres Wachstumsmodell", hob Gurría hervor.

Die Ökonomen der Pariser Organisation, der 34 Länder angehören, haben für Deutschland erst in der vergangenen Woche Wachstumsraten vorhergesagt, die deutlich über denen der anderen Euro-Länder liegen. Für dieses Jahr erwarten sie ein Wachstum von 1,9 Prozent und für nächstes von 2,1 Prozent. "Deutschland steht ein breit angelegter Aufschwung bevor", sagte Gurría am Dienstag. Die Bundesregierung sieht für dieses Jahr 1,8 Prozent und für kommendes 2,0 Prozent und damit in beiden Jahren etwas weniger Wirtschaftswachstum.

Die kurzfristigen Aussichten scheinen aber seit Dienstag etwas eingetrübt, denn die ZEW-Konjunkturerwartungen sanken stärker als erwartet. Sie gaben im Mai gegenüber dem Vormonat deutlich auf 33,1 von zuvor 43,2 Zählern nach. Dafür war die Entwicklung in der Ukraine verantwortlich, aber laut dem Chef des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, Clemens Fuest, auch, "dass die deutsche Wirtschaft das hohe Wachstumstempo nicht halten kann".

Gabriels Ministerium selbst bestätigte diese Einschätzung noch am Dienstag. Insgesamt habe sich die Erholung zwar gefestigt und an Breite gewonnen, schrieben die Konjunkturexperten des Wirtschaftsministers in ihrem neuen Monatsbericht. "Allerdings wird im Gegenzug die Frühjahrsbelebung etwas schwächer ausfallen als gewohnt."

Die OECD sieht in neuen, qualitativ hochwertigen Arbeitsplätzen und einem besseren Zugang zum Arbeitsmarkt auch eine wirtschaftliche Notwendigkeit, weil die Bevölkerungsalterung sich auch auf das Potenzialwachstum auswirken werde. Dann werde es für Deutschland aber schwieriger, die öffentlichen Leistungen zu finanzieren, die zum gesellschaftlichen Wohl beitragen. "Dazu gehören insbesondere die Gesundheitsversorgung und Pflegedienste", warnte die Organisation.

Sie forderte auch erneut weitere Reformen der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute, namentlich der Landesbanken. "Geraten die Landesbanken noch einmal in finanzielle Schwierigkeiten, könnten davon auch die Sparkassen erfasst werden", warnten sie und rieten den Ländern, mit der Restrukturierung der Landesbanken fortzufahren, "unter anderem durch Privatisierungen".



[Bildquelle: © JiSign - Fotolia.com]

 

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