Das Jahr des Hundes

China zwischen Reform- und Wachstumsdruck


Das Jahr des Hundes: China zwischen Reform- und Wachstumsdruck Kolumne

Das Jahr des Hundes dürfte eine Zeit der Veränderungen in China einleiten. Politische Entscheidungsträger sind gezwungen, zwischen wichtigen Wirtschaftsreformen auf der einen und dem Erhalt des Wachstums auf der anderen Seite abzuwägen. Mit den einhergehenden Veränderungen entsteht auch Volatilität, wodurch es noch wichtiger als sonst sein wird, diejenigen Firmen, die eine grundlegend positive Veränderung erfahren, von denjenigen zu unterscheiden, die einfach nur einen zyklischen Rückenwind erleben, der vielleicht bald wieder abebbt.

Nimmt man 2006 als das letzte Jahr des Hundes zum Maßstab und vergleicht, was sich seitdem in Europa und China wirtschaftlich und politisch seitdem getan hat, so sticht Europa zunächst deutlicher hervor. Hier waren grundlegende Einschnitte zu verzeichnen wie die Finanzkrise 2007-08 oder der Brexit, um nur zwei zu nennen. Bei genauerer Betrachtung wird jedoch deutlich, dass sich die chinesische Wirtschaft in einem massiven Wandlungsprozess befindet, der verglichen mit anderen globalen Märkten zu grundlegenden Änderungen geführt hat. Und das ist nur der Anfang.

Reformen auf der Angebotsseite – den Überschuss abbauen

Beginnen wir mit dem heiklen Thema des Überangebots. Viele Jahre lang litten bestimmte Branchen in China darunter, dass mehr produziert als nachgefragt wurde. Das höhlte die Effizienz der Binnenwirtschaft aus und sorgte für internationale Spannungen, da die chinesischen Hersteller mit ihrer Überproduktion die globalen Märkte überschwemmten und die Preise nach unten trieben. Reformen auf nationaler Ebene erreichten nur geringe Verbesserungen, weil die lokale politische Führung das Wachstum nicht aufgeben oder für eine steigende Arbeitslosigkeit verantwortlich gemacht werden wollte.

Dennoch kommt langsam Bewegung in die Sache. Einige Provinzen profitieren von einem makroökonomischen Umfeld, das Kapazitätsverringerungen oder M&As fördert. Wenn wir beispielsweise den Stahlsektor betrachten, so hat China das Ziel ausgegeben, die Kapazitäten bis 2020 um 150 Millionen Tonnen zu verringern.1 Damit waren sie bislang erfolgreich, sodass das Ziel bereits bis Ende diesen Jahres erreicht sein sollte. Schlussendlich geht es darum, die Branche zu konsolidieren, indem die 10 größten Produzenten ihren Marktanteil von 40 auf 60 Prozent verkleinern und weniger effiziente Kapazitäten verringert werden. Das wäre eine erhebliche Veränderung der Branche.2 Für jene chinesische Unternehmen, die ineffizient arbeiten, besteht also ein hohes Risiko. Dafür verbessert sich der Ausblick für die Unternehmen, die die Konsolidierung überleben.

Finanzreform – viel erreicht, noch viel zu tun

Auch den chinesischen Banken eilte in der Vergangenheit der Ruf voraus, ineffizient zu sein und sich nur langsam zu modernisieren. Viele von ihnen haben sich jedoch als höchst innovativ erwiesen. Doch Innovation birgt auch Risiken. Ein hohes Niveau an staatlicher Kontrolle hat auf dem chinesischen Finanzmarkt Anreize geschaffen, die Regulierung dadurch zu umgehen, indem die Kreditvergabe von traditionellen Darlehen hin zu "Anlageprodukten" verlagert wurde. Dabei handelt es sich um einen unübersichtlichen Bereich, mit geringeren Kapitalanforderungen. Bei vielen Banken sind infolgedessen die Anlagen höher als der Kreditbestand. Dieser Effekt hat zwar das Vermögenswachstum begünstigt, aber gleichzeitig ein bedeutendes Systemrisiko geschaffen. Im vergangenen Jahr war zu beobachten, dass die chinesische Finanzaufsicht damit begann, schärfere Maßnahmen zu ergreifen, um das Wachstum der sogenannten "Schattenbanken" zu begrenzen. Das hatte bereits einen spürbar positiven Einfluss auf die Kreditvergabepraxis. Trotz der jüngsten Verlangsamung des Vermögenswachstums der Banken ist das Niveau der Systemschulden noch immer hoch und erfordert auch mittelfristig weitere Reformen.

Wandel bei den Unternehmen –  eine stark veränderliche Landschaft

Nirgends ist die Geschwindigkeit des Wandels deutlicher spürbar als im chinesischen Einzelhandel. Die Zunahme von Onlinetransaktionen hatte Auswirkungen für Unternehmen weltweit, aber nur wenige Länder wurden durch diese Disruption so geprägt wie China. Etwa 15 Prozent aller Einzelhandelsumsätze werden hier online getätigt3, sodass in China der Anteil des Onlinehandels fast doppelt so hoch ist wie in den USA. Der Marktführer Alibaba ist bereits Inbegriff, über ein "neues Einzelhandelsmodell" das "Einkaufserlebnis" der verbleibenden 85 Prozent des Offlinehandels "neu zu definieren". Darüber hinaus haben sich chinesische Internetfirmen sehr viel weiter in die Finanzdienstleistungen hinein ausgeweitet als ihre westlichen Pendants. Dadurch ist China der größte E-Finance-Markt der Welt geworden, mit etwa 500 Millionen E-Payment-Nutzern, 400 Millionen Anlegern, die Finanzprodukte online erwerben und etwa 160 Millionen Onlinekreditnehmern.4 Der Verlagerung der wirtschaftlichen Aktivitäten ins Internet sind viele konventionelle Unternehmen, die sich als zu langsam oder nicht anpassungsfähig erwiesen haben, zum Opfer gefallen. Gleichzeitig befürchten wir, dass die Aktienkurse einiger chinesischer Internetfirmen anfällig für eine übertriebene Begeisterung sein könnten.

Auch in Zukunft wird die Disruption durch Online-Innovationen tiefgreifend sein und die Folgen werden weit über die Internetbranche hinaus spürbar werden. Für uns ist es aber entscheidend, über die kurzfristigen Gewinnprognosen hinaus zu schauen und unsere Internetpositionen auf Anzeichen zu prüfen, ob sie im Laufe der weiteren Branchenentwicklung vom Räuber zur Beute werden.

Renditedivergenzen

Nicht nur Mutter Teresa als auch Donald Trump sind in einem Jahr des Hundes geboren. Ähnlich unterschiedlich fallen die Marktrenditen für Unternehmen in China aus. Die erheblichen Veränderungen haben große Chancen aber auch erhebliche Risiken geschaffen. Bis heute hat ein positives makroökonomisches Klima die chinesischen Unternehmen gestützt, die sich sonst möglicherweise in Schwierigkeiten befänden. Durch eine sich verändernde operative Umgebung könnte sich diese Unterstützung 2018 abschwächen und zu einer Situation führen, die der Selbstzufriedenheit der Anleger angesichts der auf sie zukommenden Herausforderungen einen schweren Schlag versetzen könnte. Um Probleme im Jahr 2018 zu vermeiden, heißt es, weitaus wählerischer zu sein. China verfügt trotz all der genannten Herausforderungen aus Bottom-Up-Sicht einige der attraktivsten Investmentopportunitäten der Welt.

Autor:

Charles Sunnucks, Assistant-Fondsmanager Emerging Markets bei Jupiter Asset Management

Charles Sunnucks, Assistant-Fondsmanager Emerging Markets bei Jupiter Asset Management

Referenzen:

1 SEAISI, An Update on China's Steel Industry, April 2017
2 SEAISI, An Update on China's Steel Industry, April 2017
3 CLSA
4 CLSA, China leapfrogs the West: world's largest ecosystem, Sep 2017

[ Bildquelle Titelbild: Adobe Stock ]
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