Corporate Governace Kodex: Weiterhin hohe Zustimmung


Der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) enthält neben der Darstellung wesentlicher gesetzlicher Vorschriften zur Unternehmensführung in seiner heute geltenden Fassung vom 12. Juni 2006 insgesamt 81 Empfehlungen sowie 20 Anregungen zur Leitung und Überwachung börsennotierter Gesellschaften. Die Befolgung der Empfehlungen und Anregungen steht den Unternehmen frei. Börsennotierte deutsche Gesellschaften sind allerdings nach § 161 AktG gesetzlich verpflichtet, in einer jährlichen Entsprechenserklärung darzulegen, welche Empfehlungen sie nicht anwenden. Das Berlin Center of Corporate Governance (BCCG) führt seit Verabschiedung des Kodex im Jahr 2002 im Auftrag der Regierungskommission regelmäßig eine empirische Studie durch, um die Akzeptanz der Regelungen des DCGK in der Wirtschaftspraxis systematisch zu erheben. Zu diesem Zweck werden die an der Frankfurter Wertpapierbörse notierten Gesellschaften danach befragt, inwieweit sie den einzelnen Kodexregelungen bereits entsprechen, dies noch innerhalb des laufenden Jahres beabsichtigen oder aber eine Befolgung der Bestimmungen (auch in Zukunft) ablehnen. Die Befunde der Erhebungen werden im jährlich erscheinenden Kodex Report veröffentlicht. Der aktuelle Kodex Report (Kodex Report 2007) beruht auf der Auswertung von insgesamt 213 Fragebögen, die sich auf sämtliche Börsensegmente verteilen (siehe Abbildung). Die Rücklaufquote beträgt über alle (601) Unternehmen gerechnet 35,4 Prozent und reicht von 22,7 Prozent im General Standard bis zu 96,7 Prozent im DAX2. Der auswertbare Rücklauf ist damit gegenüber den Vorjahren noch gestiegen.

Allgemeine Trends

Der Kodex Report 2007 bestätigt im Kern drei wesentliche Trends, die sich schon in den Vorjahren abgezeichnet haben. Erstens stoßen die Kodexbestimmungen in der Praxis auf eine insgesamt sehr positive Resonanz. Ausgehend von einem ohnehin schon hohen Niveau hat die Zustimmung zum Kodex im vergangenen Jahr in der Tendenz noch leicht zugenommen. Zweitens steigt das Akzeptanzniveau der Empfehlungen und Anregungen mit der Unternehmensgröße und variiert dementsprechend auch zwischen den verschiedenen Börsensegmenten. So ist die Zustimmung zum Kodex im DAX besonders groß, während sie im General Standard vergleichsweise niedrig ausfällt. Dabei ist allerdings zu beachten, dass Abweichungen von einzelnen Kodexbestimmungen je nach den Besonderheiten eines Unternehmens wie eben beispielsweise seiner Größe durchaus Sinn machen können und dann keineswegs eine schlechte Governancepraxis signalisieren müssen. Drittens zeigt sich in typischen Verlaufsmustern, dass der Kodex sowohl in der Ursprungsversion als auch mit seinen bisherigen Ergänzungen zu Veränderungen der Corporate Governance-Gepflogenheiten deutscher Unternehmen beiträgt. Die Unternehmen führen als Folge der Empfehlungen und Anregungen des Kodex in beträchtlichem Umfang Regelungen ein, die sie so bislang nicht praktiziert hatten. Dabei ist zu beobachten, dass die meisten Kodexbestimmungen sich nach einer vergleichsweise kurzen Anpassungszeit jeweils in hohem Maße durchsetzen. Diese Entwicklung zeichnet sich nicht zuletzt auch für die im Juni 2006 neu eingefügten Bestimmungen des Kodex ab.

Die geschilderten Trends werden im Folgenden anhand der wichtigsten Kenngrößen zur durchschnittlichen Befolgungsquote der Unternehmen und zum Akzeptanzniveau der einzelnen Kodexbestimmungen veranschaulicht. Die durchschnittliche Befolgungsquote bringt zum Ausdruck, welchen Anteil aller Kodexbestimmungen ein Unternehmen (der Gesamtstichprobe bzw. der einzelnen Börsensegmente) im Durchschnitt umsetzt. Das Akzeptanzniveau bezieht sich demgegenüber jeweils auf die einzelnen Kodexbestimmungen und gibt darüber Auskunft, welcher Prozentsatz aller Unternehmen (der Gesamtstichprobe bzw. der einzelnen Börsensegmente) die betreffende Empfehlung oder Anregung anwendet.

Entwicklung der durchschnittlichen Befolgungsquoten

Die Unternehmen der gesamten Erhebungsstichprobe praktizieren heute im Durchschnitt 67,2 Empfehlungen des Kodex. Dies entspricht bei 81 Kodexempfehlungen insgesamt einer Befolgungsquote von 82,9 Prozent. Bei den DAX-Gesellschaften liegen die entsprechenden Werte erwartungsgemäß noch höher. Diese Unternehmen befolgen im Durchschnitt 77,6 Empfehlungen, also 95,7 Prozent aller 81 Kodexempfehlungen.

Im Vorjahr betrugen die betreffenden Befolgungsquoten 81,9 Prozent für alle Unternehmen und 95,3 Prozent im DAX. Sie werden sich nach den Angaben der Gesellschaften in den Fragebögen bis Ende 2007 noch weiter erhöhen, und zwar auf 85,9 Prozent für alle Unternehmen und 97,3 Prozent für den DAX. Die Anregungen werden heute von allen Unternehmen durchschnittlich zu 61,2 Prozent und im DAX zu 83,6 Prozent befolgt. Bis Ende 2007 ist noch eine Zunahme der betreffenden Zahlen auf 64,4 Prozent für alle Unternehmen bzw. 85,5 Prozent für den DAX zu erwarten.

Geringfügige Bewegungen der Befolgungsquoten im Zeitablauf sollten generell nicht überinterpretiert werden, da naturgemäß auch die Effekte von Änderungen in der Zusammensetzung der Stichprobe sowie der Zahl der Kodexbestimmungen zu berücksichtigen sind. Ungeachtet solcher Details ist aber die Tendenz der insgesamt hohen Resonanz des Kodex durch die Erhebungsbefunde klar belegt.

Entwicklung des Akzeptanzniveaus der Kodexbestimmungen

Um die Akzeptanz der einzelnen Empfehlungen und Anregungen des Kodex differenziert zu erfassen, unterscheidet der Kodex Report drei Akzeptanzstufen:

  • allgemein akzeptierte Kodexbestimmungen, die von der ganz überwiegenden Mehrheit der Gesellschaften (90 Prozent und mehr) angewendet werden,
  • neuralgische Kodexbestimmungen, die von mehr als 10 Prozent der Unternehmen
    nicht befolgt werden, sowie
  • mehrheitlich abgelehnte Kodexbestimmungen.

Für die gesamte Stichprobe sind heute 38 und zukünftig 34 Empfehlungen in dem genannten Sinne neuralgisch. Im Vorjahr lag dieser Wert noch bei 48 Empfehlungen. Im DAX betragen die entsprechenden Zahlen im Vorjahr 10, heute 12 und in Zukunft 4. Der zwischenzeitliche Anstieg von 2006 zu heute ist auf die im vergangenen Jahr eingefügten drei neuen Empfehlungen zur Konkretisierung der Offenlegung der Vorstandsvergütungen zurückzuführen. Diese Empfehlungen werden bis Jahresende von deutlich mehr als 90 Prozent der DAX-Unternehmen umgesetzt werden und damit ihren neuralgischen Status verlieren.

Bei den 4 Empfehlungen, die auch zukünftig im DAX noch neuralgisch sein werden, handelt es sich um

  • den angemessenen Selbstbehalt bei D&O-Versicherungen für Vorstand und Aufsichtsrat (Zustimmung im DAX heute und zukünftig: 85,7 Prozent),
  • die Beratung im Aufsichtsratsplenum über die Struktur des Vergütungssystems für den Vorstand (Zustimmung im DAX heute und zukünftig: 86,2 Prozent),
  • die Begrenzung der Wechsel des bisherigen Vorstandsvorsitzenden oder eines Vorstandsmitglieds in den Aufsichtsratsvorsitz oder den Vorsitz eines Aufsichtsratsausschusses (Zustimmung im DAX heute: 72,4 Prozent; zukünftig: 79,3 Prozent) und
  • die erfolgsorientierte Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder (Zustimmung im DAX heute: 86,2 Prozent; zukünftig: 89,7 Prozent).

Selbst die neuralgischen Empfehlungen werden im DAX heute schon auf beachtlich hohem Niveau akzeptiert und in keinem Fall mehrheitlich abgelehnt. Eine mehrheitliche Ablehnung neuralgischer Empfehlungen findet auch über alle Unternehmen betrachtet nur selten statt. In Zukunft wird es voraussichtlich gar keine Empfehlung mehr geben, die nicht von mindestens der Hälfte aller Unternehmen befolgt wird. Im Vorjahr lagen hier hingegen noch drei Empfehlungen unter der Akzeptanzschwelle von 50 Prozent, und zwar die beiden Empfehlungen zur individualisierten Veröffentlichung der Vergütung von Vorstand und Aufsichtsrat sowie die Empfehlung eines angemessenen Selbstbehalts bei D&O-Versicherungen. Die Regelung zum individualisierten Ausweis der Vorstandsvergütung ist inzwischen gesetzlich normiert worden. Die empfohlene Offenlegung der Aufsichtsratsvergütungen hingegen wird heute mehrheitlich (von 57,5 Prozent aller Unternehmen) umgesetzt und in ihrer Akzeptanz in Zukunft noch (auf 65,6 Prozent) steigen. Die Kodexempfehlung zur Vereinbarung eines Selbstbehalts erfährt demgegenüber heute noch Ablehnung von einer knappen Mehrheit aller Unternehmen. Bis Ende des Jahres ist allerdings auch insoweit noch eine Akzeptanzzunahme zu erwarten, da dann die Hälfte aller Unternehmen dieser Empfehlung folgen möchte.

Die Zahl neuralgischer Anregungen liegt bezogen auf die Gesamtstichprobe vergleichsweise hoch, da heute nur eine und in Zukunft zwei dieser Bestimmungen die Schwelle von 90 Prozent Zustimmung überschreiten. Allerdings ist eine mehrheitliche Ablehnung auch bei den Anregungen die Ausnahme. Wie im Vorjahr werden heute vier Bestimmungen von der Mehrheit aller Unternehmen nicht angewendet. Hierzu zählen die Anregungen,

  • den Aktionären die Verfolgung der Hauptversammlung über moderne Kommunikationsmedien zu ermöglichen (Akzeptanz heute 24,5 Prozent, zukünftig 28,8 Prozent),
  • im Corporate Governance-Bericht auch zu den Anregungen des Kodex Stellung zu nehmen (Akzeptanz heute 38,3 Prozent, zukünftig 45,5 Prozent),
  • auf den langfristigen Unternehmenserfolg bezogene Bestandteile der Aufsichtsratsvergütung zu beschließen (Akzeptanz heute 30,8 Prozent, zukünftig 33,3 Prozent) und
  • die Wahl bzw. Neuwahl der Aufsichtsratsmitglieder zu unterschiedlichen Terminen und für unterschiedliche Amtsperioden durchzuführen (Akzeptanz heute 48,0 Prozent, zukünftig 54,5 Prozent).

Die letzte Bestimmung zum sog. „staggered board“ ist unverändert die einzige Anregung, die heute und auf absehbare Zeit von weniger als der Hälfte der DAX-Gesellschaften umgesetzt wird. Demgegenüber plant eine (knappe) Mehrheit aller Unternehmen, dieser Anregung zukünftig zu folgen. Über die Gesamtstichprobe betrachtet würde dann die Anzahl der mehrheitlich abgelehnten Anregungen von 4 auf 3 sinken.

Fazit: Hohe Akzeptant des DCGK

Im DAX wird von den insgesamt 101 Empfehlungen und Anregungen des Kodex lediglich eine Anregung von einer knappen Mehrheit abgelehnt. Die übrigen Regelungen erfahren dagegen zukünftig mit zwei Ausnahmen eine durchweg hohe Akzeptanz von mehr als 75 Prozent und überwiegend sogar mehr als 90 Prozent. Auch über alle Unternehmen betrachtet werden in Zukunft voraussichtlich keine Empfehlung und lediglich 3 Anregungen unter der Schwelle von 50 Prozent liegen. Damit lässt sich feststellen, dass sich der Deutsche Corporate Governance Kodex fünf Jahre nach seiner Verabschiedung als Kernbestand von Standards guter Corporate Governance in der deutschen Wirtschaft fest etabliert hat.


Quellenhinweise:

v. Werder, Axel/Talaulicar, Till/Kolat, Geog L. (2003): Kodex Report 2003: Die Akzeptanz der Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex. In: Der Betrieb, 56. Jg., S. 1857-1863.

v. Werder, Axel/Talaulicar, Till/Kolat, Georg L. (2004): Kodex Report 2004 – Die Akzeptanz der Empfehlungen und Anregungen des Deutschen Corporate Governance Kodex. In: Der Betrieb, 57. Jg., S. 1377-1382.

v. Werder, Axel/Talaulicar, Till (2005): Kodex Report 2005: Die Akzeptanz der Empfehlungen und Anregungen des Deutschen Corporate Governance Kodex. In: Der Betrieb, 58. Jg., S. 841-846.

v. Werder, Axel/Talaulicar, Till (2006): Kodex Report 2006: Die Akzeptanz der Empfehlungen und Anregungen des Deutschen Corporate Governance Kodex. In: Der Betrieb, 59. Jg., S. 849-855.

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