Die im Börsenindex DAX notierten Unternehmen kommen umfänglich der neuen gesetzlichen Verpflichtung zum individuellen Ausweis der Vorstandsvergütung nach und leisten somit einen wichtigen Beitrag zu einer verbesserten Corporate Governance in Deutschland. Allerdings offenbaren sich in den Jahresabschlüssen noch erhebliche Transparenzlücken, insbesondere bei den Pensionszuwendungen und Langzeitvergütungen (Long-Term-Incentives). Damit wird eine durchgängige Vergleichbarkeit nach wie vor verhindert. Die Defizite sind allerdings weniger auf eine mangelnde Bereitschaft der
Unternehmen, als vielmehr auf unklare gesetzliche Regelungen zurückzuführen.
Zu diesem Ergebnis kommt die Analyse "Geschäftsberichtsauswertung Vorstandsvergütung DAX 2006" der Unternehmensberatung Towers Perrin, die vor dem Hintergrund des in dieser Berichtssaison erstmals gültigen Vorstandsoffenlegungs-Gesetzes (VorstOG) durchgeführt wurde.Die Auswertung basiert auf den Jahresabschlüssen der aktuellen Berichtssaison. Im Gegensatz zu bislang verfügbaren Analysen stellt die Towers Perrin-Studie nicht die Höhe der Vergütungen, sondern die Vergütungsstrukturen sowie das 'Wie' des Vergütungsausweises in den Mittelpunkt.
"Unsere Studie belegt, dass die Unternehmen bereit sind, ihren Beitrag zu einer höheren Transparenz in der Vorstandsvergütung zu leisten. Allein das neue gesetzliche Regelwerk weist noch zu viele handwerkliche Fehler auf. Die vom Gesetzgeber mit dem VorstOG intendierte Vergleichbarkeit ist damit leider auf der Strecke geblieben", erklärt Michael H. Kramarsch, Managing Director von Towers Perrin HR Services Deutschland. Der Corporate Governance- und Vergütungsexperte ist daher überzeugt, dass das VorstOG die Diskussion um Vergütungstransparenz nicht beendet hat, sondern weiter anfeuern wird. "Wir brauchen aber nicht mehr gesetzliche Vorgaben, sondern vor allem bessere!"
Performance-Orientierung in der Vergütung etabliert
Die Gesamtvergütung eines Vorstands setzt sich im Allgemeinen aus einer Grundvergütung, einer jährlichen erfolgsabhängigen Tantieme (Bonus), Elementen der Langfristvergütung sowie aus Altersversorgungszuwendungen zusammen. Laut Analyse repräsentiert die durchschnittliche Grundvergütung eines Vorstandsvorsitzenden im DAX rund ein Fünftel der Gesamtvergütung (21 Prozent) und damit einen vergleichbar hohen Wert wie die Langfristvergütungen (20 Prozent). Die Tantieme steht mit 42 Prozent für den mit Abstand größten Anteil.
Altersversorgung samt Nebenleistungen entsprechen einem 17prozentigem Anteil an der durchschnittlichen Vergütung eines Vorstandsvorsitzenden im DAX. Für die Ordentlichen Vorstandsmitglieder ergibt sich ein analoges Bild mit leicht abgewandelten Werten.
"Am Beispiel dieser Struktur zeigt sich, dass sich in der Vorstandsvergütung eine Performance-Orientierung etabliert hat", so Dirk Filbert, Mitautor der Studie. "Die Vergütung von Leistung und Erfolg ist fest in den Vergütungssystemen der DAX-Unternehmen verankert". Zugleich ist der Anteil der - zumeist aktienbasierten - Langfristvergütungen an der Gesamtvergütung in den vergangenen Jahren von 25 Prozent auf jetzt 20 Prozent deutlich gesunken. Damit sind die deutschen Unternehmen weit entfernt von der amerikanischen Vergütungspraxis, wo Long-term-Incentives oftmals bis zu drei Viertel, in Einzelfällen sogar bis zu 90 Prozent der Gesamtbezüge eines Vorstands ausmachen.
Herausforderung Langfristvergütungen
Alle DAX-Unternehmen bis auf Altana, BMW, Deutsche Postbank und Hypo Real Estate verfügen über eine langfristige Vergütungskomponente für die Mitglieder des Vorstands. Bedingt durch Veränderungen der Bilanzierungs- und Insider-Vorschriften ist ein deutlicher Trend weg von klassischen Aktienoptionen hin zu Plänen mit ausgewogenerem Chancen-/Risikoprofil zu verzeichnen. Aus dem Rückgriff auf diese Plantypen ergibt sich eine veränderte Marktpraxis bei den Laufzeiten,die sich im Gegensatz zu den Aktienoptionen (5 bis 7 Jahre) auf in der Regel 3 Jahre reduzieren. Zugleich ist eine zunehmende Bedienung der Pläne in bar zu verzeichnen. Nach internationalen Bilanzierungsrichtlinien (IFRS 2) wirkt der für Cash-bediente Pläne gebildete Aufwand - im Gegensatz zum Aufwand bei Bedienung in Aktien - auch nach HGB steuermindernd. Zudem ist für nicht in Aktien bediente Programme kein Beschluss der Hauptversammlung notwendig, auch die Administration gestaltet sich einfacher.
Das VorstOG macht zwar die Vorgabe, den Wert zum Zeitpunkt der Gewährung anzugeben. Es fehlt aber die Klarstellung, detaillierte Bilanzvorgaben wie IFRS 2 für die Bewertung zu verwenden. Im internationalen Vergleich fehlen zudem aussagekräftige Informationen, wann, wie und mit welchen Gewinnen Langfristvergütungen realisiert werden.
Noch keine Transparenz bei Altersversorgungszuwendungen
Traditionell verfügten deutsche Vorstände über so genannte endgehaltsabhängige Leistungszusagen in der betrieblichen Altersversorgung, über die ein definierter Versorgungsprozentsatz des letzten Festgehaltes (zum Beispiel 60 Prozent) ab Rentenbeginn als monatliche Rente gezahlt wird. Über derartige Zusageregelungen verfügen noch knapp zwei Drittel der DAX-Unternehmen (62 Prozent). 24 Prozent der Unternehmen haben ihre Versorgungspläne für Vorstände bereits auf beitragsorientierte Systeme umgestellt - ein Trend, der sich fortsetzen wird. Dabei wird jährlich ein Prozentsatz der Barvergütung auf ein Pensionskonto eingezahlt, das sich bis Rentenbeginn verzinst und den zur Verfügung stehenden Kapitalstock ergibt. Rund 14 Prozent der Unternehmen gewähren eine Festrente.
Mit diesen Beschreibungen endet die Vergleichbarkeit der Regelungen in der Altersversorgung. Denn das VorstOG folgt der Tradition des HGB und definiert die Altersversorgung nicht als Bestandteil der Gesamtvergütung und legt dem entsprechend auch keine Bewertungsvorschriften fest. Ein individueller Ausweis ist nicht gefordert. Trotzdem versuchen viele Unternehmen, die entsprechenden Angaben in der Altersversorgung individuell auszuweisen. Da es aber nur mangelhafte Vorschriften gibt, werden die Unternehmen allein gelassen. Die Vergleichbarkeit bleibt auf der Strecke.
Auf dem Weg zu sinnvoller Transparenz
Mit dem VorstOG schließen die deutschen Publizitätsvorschriften grundsätzlich zu den internationalen Standards auf, wenngleich aufgrund der bestehenden Regelungslücken noch nicht von einem Gleichziehen mit führenden Standards gesprochen werden kann.
Als Reaktion auf die Studienergebnisse sollten laut Michael H. Kramarsch die handwerklichen Fehler des Gesetzes zügig, aber ohne Aktionismus beseitigt werden. "Ziel ist keine größtmögliche, sondern eine sinnvolle Transparenz, die eine Beurteilung der Angemessenheit und Ausgestaltung der Vorstandsvergütung erlaubt." Die Unternehmen dürften bei der Auslegung des Gesetzes nicht allein gelassen werden. "Was sie brauchen, sind nicht mehr, sondern bessere Regeln, die durchdacht sind und vor allem im Sinne der Kapitalmarktakteure Transparenz bei Vergütungsstrukturen und -höhen schaffen."