Zunehmend rücken auch die Cyber-Risiken in den Mittelpunkt der Risikolandkarte von Unternehmen. Allerdings dominiert weithin das Phänomen der Risikoverdrängung. Computerkriminalität wird zu einer immer größeren Bedrohung für Unternehmen, so das Ergebnis einer KPMG-Studie, die auf einer Befragung von Führungskräften aus 500 Unternehmen aller Branchen und Größen basiert. Jedes vierte Unternehmen war in den letzten zwei Jahren Opfer von e-Crime. Besonders betroffen war die Finanzdienstleistungsbranche. Zwei Drittel der Befragten rechnen damit, dass die Bedrohungslage sogar noch weiter zunimmt.
85 Prozent der in den letzten beiden Jahren von e-Crime betroffenen Unternehmen gaben an, dass die Angriffe immer komplexer werden, nicht zuletzt durch die zunehmende Verbreitung mobiler Telekommunikation. Die Täter werden dadurch schwerer zu identifizieren. Offenbar ist es für die Unternehmen zunehmend ein Problem, e-Crime-Delikte überhaupt zu erkennen. Immer öfter werden die Angriffe von professionell organisierten Gruppen ausgeführt (laut 77 Prozent der Befragten) und sind ganz gezielt auf einen bestimmten Geschäftsbereich oder auf bestimmte Daten ausgerichtet (laut 74 Prozent der Befragten). Die Attacken kommen verstärkt aus dem Ausland, beklagen 73 Prozent der betroffenen Unternehmen. China wird als die Hauptgefahrenquelle gesehen, gefolgt von Russland und dem restlichen Osteuropa. Durch die Kombination von Professionalisierung, Internationalisierung und neuen Technologien entsteht eine völlig neue Bedrohungskulisse, so die Autoren der Studie.
Häufig keine Berücksichtigung im Risikomanagement
Trotz wachsender Bedenken gegenüber den Folgen eines Cyber-Angriffs für Kunden und die eigene Reputation unterschätzen viele führende Unternehmen in Europa diese Risiken weiterhin und begegnen ihnen nur mit unzureichenden Maßnahmen. Zudem ist bei einem Großteil der Unternehmen das Ausmaß der Schäden, die beispielsweise aus dem Verlust von Kunden- oder Mitarbeiterdaten aufgrund eines Hacker-Angriffs entstehen können, noch immer nicht umfassend in deren Risikomanagementstrategien integriert. Den Ergebnissen des von Marsh im Rahmen der jährlichen Digital Threats Conference durchgeführten Cyber Risk Survey 2013 zufolge gaben 71 Prozent der Befragten an, dass ihre Bedenken im Hinblick auf Cyber-Risiken in den vergangenen zwölf Monaten zugenommen haben. Weiterhin sagten 54 Prozent, dass ihr Unternehmen erst kürzlich Ziel eines Cyber-Angriffs gewesen sei.
Neben der seit Jahren steigenden Internetkriminalität ist auch die Gefahr von Terroranschlägen und Cyber-Kriegen gestiegen. Der Computervirus Stuxnet in der von Siemens gebauten Steuerungsanlage eines iranischen Atomkraftwerks und 14 weiteren Industrieanlagen im September 2010 war erst ein Vorgeschmack, so Experten.
Phänomen Risikoverdrängung
Mehr als 80 Prozent der Studienteilnehmer der KPMG-Studie sehen für die Gesamtwirtschaft ein hohes bis sehr hohes Risiko, von e-Crime-Vorfällen betroffen zu werden. Jedes vierte Unternehmen gab zudem an, tatsächlich betroffen gewesen zu sein. Vor diesem Hintergrund ist es überraschend, dass nur knapp ein Drittel der Befragten das Risiko, mit dem eigenen Unternehmen von e-Crime betroffen zu werden, als hoch bis sehr hoch einschätzen. Bei den bisher nicht durch e-Crime geschädigten Unternehmen erwartet dies sogar nur ein Viertel. Die Tendenz der Unternehmen, durchaus ein allgemeines Risiko wahrzunehmen, sich selbst jedoch in Sicherheit zu wähnen, ist aber nicht spezifisch für e-Crime: In der Risikowahrnehmung sind es immer die anderen Unternehmen, die tatsächlich von Risikoeintritten betroffen sind.
Während 17 Prozent der Befragten – basierend auf dem Cyber Risk Survey 2013 – die möglichen finanziellen Schäden ihres Unternehmens aus einem Cyber-Angriff mit über fünf Mio. US-Dollar bezifferten, gaben 22 Prozent an, in ihrem Unternehmen sei bislang keine dezidierte Abschätzung der finanziellen Folgen eines Cyber-Angriffs vorgenommen worden. Was ihre Einschätzung zum Reifegrad des Risikomanagements im Bereich Datensicherheit in ihrem Unternehmen anbelangt, waren nur 23 Prozent der Befragten der Ansicht, dass die Steuerung von Cyber-Risiken vollständig in die Risikomanagementprozesse ihres Unternehmens eingebettet und optimal ausgestaltet sei.
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