Kommentar

Da kommt sie wieder, die Inflation


Da kommt sie wieder, die Inflation News

Das Inflationsklima hat sich verändert. Bis Mitte des Jahres schien die Welt noch in Ordnung. Die Preissteigerungsrate ging fast überall auf dem Globus zurück. In Europa verringerte sie sich von 2,8 % zu Jahresbeginn auf 2,4 %. Anfang Juli senkte die Europäische Zentralbank die Leitzinsen und betonte ausdrücklich, dass sich nach ihrer Einschätzung der Rückgang der Inflationsrate fortsetzen werde und diese im kommenden Jahr unter 2 % liegen werde.

Und jetzt wird alles anders kommen. Im Laufe des Juni hat sich die Situation gedreht. An den Märkten ist zwar noch alles ruhig. Auch die Zahlen, die nächste Woche zu den Verbraucherpreisen veröffentlicht werden, wer-den noch keine große Veränderung zeigen. Aber es ist absehbar, dass sich das Bild ändert.

Was ist passiert? Es begann Anfang Juni damit, dass die Preise für Weizen und Mais in die Höhe schossen, als klar wurde, dass durch die Dürre in den USA ein Großteil der Ernte vernichtet würde. Auch in anderen Gegenden soll es mit der Ernte Probleme geben. Mais ist auf den Weltmärkten jetzt 52 % teurer als vor sechs Wochen, Weizen 44 %.

Nur wenige Tage später ist der Ölpreis nach oben in Bewegung gekommen. Zuerst hing das mit dem Streik der norwegischen Ölarbeiter zusammen. Inzwischen hat es aber eine Eigendynamik bekommen. Nordseeöl Brent kostet heute 15 % mehr als Mitte Juni. Das wirkt sich schon jetzt an den Tankstellen aus, zumal es mit der Urlaubssaison zusammenfällt.

Ab Anfang Juli ist dann der Euro auf den Devisenmärkten abgesackt. Gegenüber dem US-Dollar hat er sich seitdem um 4 % abgewertet, gegenüber anderen wichtigen Währungen der Welt um 3 %. Das sieht relativ wenig aus. Es bedeutet aber, dass zum Beispiel ein Liter Superbenzin allein dadurch mehr als 5 Cent teurer wird.

Schließlich kommen noch Faktoren hinzu, die speziell für Deutschland relevant sind und sich schon lange abzeichneten. Die Löhne steigen in diesem Jahr schneller. Nach den Statistiken der Bundesbank liegen die Tariflöhne derzeit um 2,5 % über dem Vorjahr, die Lohnstückkosten im produzierenden Gewerbe um gut 2 %. In einigen Branchen sind die Steigerungen noch höher. Im Zusammenhang mit der Energiewende werden die Strompreise angehoben werden.

Positiv für die Inflation ist nur, dass das gesamtwirtschaftliche Wachstum gering ist. Preisüberwälzungsspielräume halten sich daher in Grenzen. Insgesamt wird die Inflationsrate in den nächsten Monaten nicht mehr nach unten gehen, sondern sich erhöhen, im Euroraum wieder in Richtung 3 %.

Die schönen Zeiten rückläufiger Inflation gehen zu Ende: Preissteigerung im Euroraum in % gegenüber dem Vorjahr [Quelle: EZB]
Die schönen Zeiten rückläufiger Inflation gehen zu Ende: Preissteigerung im Euroraum in % gegenüber dem Vorjahr [Quelle: EZB]


Nun kann man, wie es manche Ökonomen in den nächsten Wochen tun werden, die Nahrungsmittel- und Energiepreise aus der Inflationsrate herausrechnen, weil sie auf exogene Faktoren zurückzuführen sind und daher nichts mit der hausgemachten Geldentwertung zu tun haben. Das ist dann die sogenannte "Kernrate". Sie sieht sicher besser aus. Eine Betrachtung nur der "Kernrate" ist aber Augenwischerei. Für Verbraucher und Sparer ist Preissteigerung gleich Preissteigerung, woher sie auch immer kommt. Zudem wirken sich höhere Öl- und Nahrungsmittelpreise verzögert auch auf die Löhne und die Kosten der Unternehmen aus. Sie kommen daher früher oder später in der allgemeinen Geldentwertung an. Das Einzige, worauf man hoffen kann ist, dass die Ernteausfälle einmalig sind und sich die Nahrungsmittelpreise im nächsten Jahr wieder zurückbilden. Denkbar ist auch, dass die Ölpreise bei schwächerer Weltkonjunktur wieder herunterkommen.

Was bedeutet die neue Inflation? Das Wichtigste ist, dass die sozialen Probleme in der Welt zunehmen. Das betrifft nicht nur die Schwellen- und Entwicklungsländer. Auch die von der Eurokrise gebeutelten Menschen in Südeuropa, die sich sonst schon überall einschränken müssen, werden zusätzlich belastet. Es könnte noch mehr soziale Unruhen geben. Das macht die Lösung der Eurokrise noch schwieriger. Positiv ist die Inflation lediglich für die öffentlichen Haushalte, die von den zunehmenden Mehrwertsteuereinnahmen profitieren.

Die von vielen erwartete Erholung der Weltwirtschaft im zweiten Halbjahr wird unwahrscheinlicher. Geld- und Fiskalpolitik können nicht mehr so viele expansive Impulse geben (auf diesen Impulsen basiert aber die Hoffnung der Konjunkturoptimisten). Zudem verringert sich die Kaufkraft der Verbraucher.
Die Zentralbanken müssen den Fokus wieder stärker auf die Stabilität legen. Das gilt vor allem für die Schwellen- und Entwicklungsländer, wo die Zinsen zuletzt deutlich nach unten gegangen sind. Auch die Europäische Zentralbank wird es sich drei Mal überlegen, ob sie die Leitzinsen im Herbst noch einmal um einen Viertelprozentpunkt senkt.

Schlechte Zeiten auch für Anleger. Die ohnehin schon mageren Zinsen werden real noch geringer. Eigentlich müssten die Renditen bei höheren Inflationserwartungen steigen. Damit ist aber in der überhitzten Atmosphäre der Bonds-Märkte nicht zu rechnen. Aktien leiden darunter, dass die Unternehmen die Kostensteigerungen bei schwacher Konjunktur nur schwer überwälzen können. Damit geraten die Unternehmensgewinne unter Druck.

 

Autor: Dr. Martin W. Hüfner, Chief Economist, Assenagon Asset Management S.A. 


[Bildquelle oben: © ferkelraggae - Fotolia.com]

 

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