Die Türkei und kein Ende. Auf den "Putschversuch" folgten die noch immer anhaltenden "Säuberungen" in Politik, Militär, Wissenschaft und Wirtschaft. Kein Tag vergeht, an dem die Medien nicht über verhaftete Menschen in der Türkei berichten. Mehr noch: Die Verbalattacken gegen alle angeblichen internen und externen Feinde der Türkei und ihre AKP nehmen an Schärfe zu. Das Präsidialsystem unter Präsident Recep Tayyip Erdogan wird ausgebaut und weiter gefestigt. Die Verfassung ist quasi ausgehebelt und die Regierung herrscht mit einem Ausnahmenzustand. Freie Meinungsäußerung – so sie nicht im Sinne Erogans ist – existiert nicht mehr. Zeitungen werden geschlossen, Sender abgeschaltet und Journalisten verhaftet. Die Türkei ist mit ihrer harten Hand auf dem besten Weg in ein totalitäres System. Dass die Ereignisse der letzten Wochen auch wirtschaftlich nicht ohne Folgen bleiben, unterstrich nun die Rating-Agentur Standard & Poor's (S&P). Sie hat zuerst die Kreditwürdigkeit der Türkei herabgestuft. Nun folgte der nächste Schritt mit der Einstufung der Türkei als "Hochrisiko-Land". Die Agentur Moody`s prüft nach Informationen des Handelsblatts, die "Herabstufung von gleich 17 türkischen Geldinstituten". Infolge der politischen Turbulenzen musste die Istanbuler Börse einen Kurssturz von 15 Prozent verzeichnen. Dies sei nach Handelsblatt-Informationen "der größte Verlust" seit den Massenprotesten im Sommer 2013.
Lira und Tourismus im freien Fall
Die harsche Kritik aus der Türkei ließ nicht lange auf sich warten. Erdogan sprach von "Türkenfeindlichkeit". Zudem sei die Türkei auf die derzeitige Lage ausreichend vorbereitet, wie es "Zeit Online" vermeldete. Darüber hinaus kündigte laut Zeit Online "Vizeministerpräsident Mehmet Şimşek Maßnahmen gegen die Ratingagentur an. Es gebe keinen Grund, die Bonität der Türkei herabzusetzen." Fakt ist, dass die türkische Währung Lira zusehends verfällt, wovon auch ausländische Kreditinstitute betroffen sind. Nach Aussagen des Auswärtigen Amts schüre "der Wertverlust der Lira (…) die Inflation, die nach 7,4% in 2014 im vergangenen Jahr auf 7,7% stieg und damit deutlich über dem längerfristigen Inflationsziel der Notenbank (5%) liegt".
Zudem ist der Tourismus in die Türkei stark rückläufig. So berichtete die Onlineausgabe von "der Standard" von einem "enormen Rückgang der Einnahmen aus dem Tourismus im zweiten Quartal um mehr als ein Drittel". Konkret heißt das nach Aussagen des Standard: "Knapp 7,5 Millionen Besucher kamen zwischen April und Juni mit einem Tourismusvisum im Land an; 10,7 Millionen waren es dagegen im Vorjahr in diesem Zeitraum. Im Monat Juni lag der Einbruch bereits bei knapp 41 Prozent." Mit anderen Worten: Das Tourismusgeschäft ist im freien Fall. Eine Besserung versprechen auch die kommenden Monate nicht.
Reisebeschränkungen und politische Spannungen
Reisen in die Türkei werden sich darüber hinaus Menschen mit deutscher und türkischer Staatsangehörigkeit genau überlegen. So warnt das Auswärtige Amt auf seinen Internetseiten: "Für Personen, die neben der deutschen auch die türkische Staatsangehörigkeit besitzen, kann die Notstandsregelung unter Umständen Reisebeschränkungen bei der Ausreise bedeuten."
Landesweit ist weiterhin "mit politischen Spannungen sowie gewaltsamen Auseinandersetzungen und terroristischen Anschlägen zu rechnen". Schwierige Zeiten für die Türkei – nicht nur politisch und gesellschaftlich, sondern auch wirtschaftlich.
Eckdaten: Die Türkei und ihre Wirtschaft
Nach Aussagen der Industrie- und Handelskammer (IHK) Ulm zählt die Türkei zu den zwanzig wichtigsten Handelspartnern Deutschlands. "Nach den Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) haben sich die Ausfuhren deutscher Unternehmen in die Türkei innerhalb von 10 Jahren fast vervierfacht und die Einfuhren von dort beinahe verdoppelt. Der Wert der exportierten Waren lag 2014 bei 19,3 Mrd. Euro, der Wert der Importe bei 13,3 Mrd. Euro. Der deutsche Außenhandelssaldo mit der Türkei wies damit ein Plus von rund 6 Mrd. Euro aus." Und das Auswärtige Amt schreibt: "Vor allem in der Westtürkei sind die Leicht- und Schwerindustrie stark vertreten (Textil, Fahrzeuge, Chemie, Maschinen, Elektrobranche) und tragen ca. 25% zum BIP bei. Größten Anteil am BIP (ca. 60%) hat der Dienstleistungssektor mit weiter steigender Tendenz. Laut Angaben der Weltbank arbeiten noch über ein Drittel der Erwerbsbeschäftigten in der Landwirtschaft und leisten einen Beitrag von knapp 10% zum BIP."