Betrugsskandal beim Kamerahersteller Olympus

Das Management war im Kern verfault


Das Management war im Kern verfault News

"Das Management war im Kern verfault und hat andere Teile um sich herum infiziert." So vernichtend lautet das Fazit eines 200 Seiten starken Untersuchungsberichts zum Betrugsskandal beim Kamerahersteller Olympus.

Das Geheimnis wurde ein Vierteljahrhundert lang bewahrt, wurde nur unter führenden Managern des weltweit für seine optischen Geräte bekannten Konzerns weitergereicht. Es ging darum, einen Verlust von 1,5 Mrd USD aus schief gegangenen Investmentgeschäften vor der Öffentlichkeit zu verbergen.

Der Skandal nahm Mitte der achtziger Jahre seinen Anfang. Wie viele andere japanische Exporteure auch, versuchte sich Olympus mittels spekulativer Finanzgeschäften vom Stachel eines steigenden Yen zu befreien. Es winkten sogar mühelos zu erzielende Gewinne.

Als 1985 die führenden Industriestaaten im so genannten Plaza Accord eine Abwertung des Dollar zur japanischen Währung beschlossen, fraß der steigende Yen die operativen Gewinne von Olympus immer mehr auf. Zu diesem Zeitpunkt entschied der damalige Präsident Toshiro Shimoyama laut Bericht, das Kerngeschäft von Olympus um "Zaiteku" zu ergänzen - um Finanzinvestments.

Wetten mit Derivaten und komplex strukturierten Bonds

Das ging gehörig daneben. Die Blase am japanischen Immobilien- und Aktienmarkt platzte. Und ließ Olympus auf Investments sitzen, die plötzlich nichts mehr wert waren. Statt diese Verluste nun abzuschreiben, entschieden sich die damals verantwortlichen Manager, noch gewagtere Wetten einzugehen. Mit Derivaten und komplex strukturierten Bonds.

Der Bericht, für den 189 aktive und ehemalige Mitarbeiter von Olympus sowie Geschäftspartner befragt wurden, nennt Hisashi Mori und Hideo Yamada als die Verantwortlichen für diese riskanten Geschäfte. Mori war seinerzeit Vizepräsident und Yamada fungierte als Chef der Bilanzbuchhaltung.

Verantwortlich für den Skandal bei Olympus waren laut dem Bericht die für viele japanischen Unternehmen typischen Fehler: ein Mangel an Transparenz und die Missachtung der Rechte von Aktionären. Nicht zu vergessen das starke Widerstreben der Beschäftigten, Autoritäten in Frage zu stellen: "Es handelt sich hier um den Inbegriff der Mentalität eines japanischen Büroangestellten im schlechtesten Sinne", resümieren die sechs an dem Bericht beteiligten Ermittler.

Keine Loyalität gegenüber den Aktionären

Als zu Beginn der neunziger Jahre immer höhere Verluste aus den Finanztransaktionen aufliefen, löste Masatoshi Kishimoto den Präsidenten Shimoyama ab. Aber auch Kishimoto habe keine drastischen Maßnahmen ergriffen, kritisiert der Bericht. Mori und Yamada verwalteten weiterhin das Portfolio der Investments. Auch unter dem nächsten Präsidenten, Tsuyoshi Kikukawa, änderte sich nichts. Dieser hatte zuvor die Abteilung Finanzen und Buchhaltung geleitet und wusste von den geheimen Geschäften.

"Unter den Verantwortlichen herrschte ungezügelt die Tendenz, das Unternehmen wie Privatbesitz zu betrachten. Das Bewusstsein der Loyalität den Aktionären gegenüber war wenig entwickelt", kritisiert der Bericht.

Toshiro Shimoyama, unter dessen Präsidentschaft die Entscheidung zu den riskanten "Zaiteku" getroffen worden war, bezeichnete die Ergebnisse der Untersuchung am Dienstag als "falsch". Ihm sei nie bekannt gewesen, dass Olympus Verluste verschwiegen habe. Seine Erinnerungen an das, was vor mehr als einem Jahrzehnt passierte, seien vage.

Die übrigen Verantwortlichen konnten für eine Stellungnahme zu dem Bericht nicht erreicht werden. Mori, Yamada und Kikukawa waren vor Wochen noch für Olympus tätig, traten aber zurück, als der Skandal aufflog.

Intransparenz dominierte das Unternehmen

Bis zum Ende der neunziger Jahre summierten sich die nichtbilanzierten Verluste aus Wertpapiergeschäften für den Konzern bereits auf 1 Mrd USD. Nun aber tauchte ein neues Problem auf: Geänderte Bilanzierungsregeln erforderten den Ausweis solcher Verluste und teilweise auch Abschreibungen.

Die Top-Manager Mori und Yamada überlegten nun, wie sie diese Vorgaben umgehen könnten. Wie aus dem Bericht hervorgeht, kamen ihnen zwei Broker namens Akio Nakagawa und Hajime Sagawa zu Hilfe. Diese beiden hatten einst für Nomura gearbeitet, Olympus schon zuvor beraten und Ende der neunziger Jahre ihre eigenen Broker-Firmen gegründet.

Gemeinsam kamen Mori, Yamada, Nakagawa und Sagawa auf die Idee, die faulen Vermögensanlagen auf Firmen zu verteilen, die nicht offiziell mit Olympus in Verbindung standen. Und somit auch nicht in den Bilanzen des Optikkonzerns auftauchen würden, so der Untersuchungsbericht. Die Absicht war, die hohen Verluste peu à peu zu realisieren und anschließend im Geheimen über einen längeren Zeitraum zurück auf die Bücher von Olympus zu übertragen.

In Japan war diese Praxis in den neunziger Jahren weit verbreitet unter dem Begriff "Tobashi". Das Wort bedeutet soviel wie jemanden auf eine Flugreise schicken. Für das erste "Tobashi"-Experiment gründeten die Broker Nakagawa und Sagawa einen Fonds auf den Cayman Islands namens Central Forest. Dieser sollte einige der verlustreichen Anlagen von Olympus kaufen.

Für dieses Geschäft sollte Olympus japanische Staatsanleihen im Volumen von 21 Mrd JPY bei der Liechtensteiner LGT Bank deponieren. Diese wiederum sollte als Gegenleistung einen Kredit von 18 Mrd JPY an Central Forest vergeben, so die Ergebnisse des Untersuchungsberichts. Zwischen 1998 und 2000 seien auf diese Weise 65 Mrd JPY an wertlosen Anlagen auf der "Europäischen Route", wie der Bericht diese Praxis betitelt, aus den Büchern von Olympus verschwunden.

Transfer von wertlosen Papieren auf Konten der Commerzbank und der Société Générale

Die Olympus-Manager Mori und Yamada bastelten nun mit der "Singapur Route" einen weiteren Weg. Auf ihm transferierten sie insgesamt 60 Mrd JPY an wertlosen Papieren von Olympus auf Konten der Commerzbank und der Société Générale. Der Untersuchungsbericht unterstellt keiner der drei genannten Banken - LGT Bank, Commerzbank und Société Générale - in dieser Sache ein Fehlverhalten.

Die Commerzbank teilte am Dienstag zu diesem Sachverhalt mit: "Die Commerzbank hat zu jeder Zeit in voller Übereinstimmung mit Gesetzen und Verpflichtungen gehandelt und wird alle möglichen Untersuchungen der Aufsichtsbehörden unterstützen." Die Société Générale wollte keinen Kommentar abgeben.

Der Untersuchung zufolge haben Mori und Yamada ihre Vorgesetzten bei Olympus jederzeit über den Stand ihrer Aktivitäten unterrichtet. Das waren in jener Phase, also zwischen 1998 und 2000, die Präsidenten Kishimoto und Kikukawa.

Aber nicht immer lief alles glatt. So stieß der damalige Wirtschaftsprüfer von Olympus, KPMG AZSA, im Jahr 1999 auf Hinweise, dass der Konzern an "Tobashi" beteiligt ist. Diese Praxis war zu diesem Zeitpunkt bereits gesetzwidrig. Mori und Yamada bestritten dies zwar gegenüber KPMG. Die Bilanzprüfer ließen jedoch nicht locker und noch im selben Jahr musste Olympus die Existenz eines solche Fonds einräumen und einen Verluste von 16,8 Mrd JPY realisieren.

Auch an anderer Stelle lief es schief: Im Jahr 2000 gründete Olympus mit dem ehemaligen Nomura-Broker Nobumasa Yokoo einen Investmentfonds in Japan. Auch dieser sollte faule Wertpapiere von Olympus aufkaufen. Der Fonds mit dem Namen G.C. New Vision Ventures investierte jedoch auch in Start-up-Unternehmen. Die meisten dieser Firmen gingen pleite oder mussten auf Anordnung ihr Geschäft einstellen. Für Olympus zog dies weitere Verluste nach sich.

Vor drei Jahren schließlich kaufte Olympus den Ermittlungen zufolge drei kleinere japanische Unternehmen zu einem übertrieben hohen Preis von insgesamt 73,2 Mrd JPY. Dies waren der Recycler Altis, der Kosmetikaproduzent Humalabo und News Chef, ein Hersteller von Gehäusen für Mikrowellen. Durch den inflationären Kaufpreis konnte Olympus den Großteil ihrer Verluste im folgenden Jahr abschreiben. Dies ermöglichte es dem Konzern, den Kredit der LGT Bank in Liechtenstein zurückzuzahlen und so die "Europäische Route" zu schließen.

Damit blieben nur noch die Fonds der "Singapur Route". Internen Unterlagen von Olympus zufolge konnten Mori und Yamada auch diese stilllegen. Die Manager glichen die dort liegenden Verluste aus. Das letzte der vielen verlustreichen Geschäfte wurde demnach im März 2010 geschlossen.



[Bildquelle: iStockPhoto]

Kommentare zu diesem Beitrag

Judi /07.12.2011 21:55
Da frage ich mich, doch was hier ein Compliance-Management-System oder ein IKS gebracht hätte??? Nix ... es wäre Teil des korrupten Systems gewesen und hätte - ähnlich wie die WPs - nur an der Oberfläche gekratzt. Da ist es doch nur fair, dass sich der Laden in die Insolvenz verabschieded und der Vorstand inkl. AR in den Knast geht.
sepp /07.12.2011 22:05
Immerhin hat jetzt die gesamte Führung Konsequenzen aus dem Bilanzskandal gezogen und tritt im kommenden Jahr geschlossen zurück. ;-)
Risk Academy

Die Intensiv-Seminare der RiskAcademy® konzentrieren sich auf Methoden und Instrumente für evolutionäre und revolutionäre Wege im Risikomanagement.

Seminare ansehen
Newsletter

Der Newsletter RiskNEWS informiert über Entwicklungen im Risikomanagement, aktuelle Buchveröffentlichungen sowie Kongresse und Veranstaltungen.

jetzt anmelden
Lösungsanbieter

Sie suchen eine Softwarelösung oder einen Dienstleister rund um die Themen Risikomanagement, GRC, IKS oder ISMS?

Partner finden
Ihre Daten werden selbstverständlich vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Weitere Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.