Nun ist es also Gewiss. Günther Oettinger, seines Zeichens ehemaliger Ministerpräsident von Baden-Württemberg, wird neuer EU-Digitalkommissar.
Wie die Jungfrau zum Kind kommt nun Oettinger zur Verantwortung für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft in Europa. Der als "Aktenfresser" bekannte Schwabe, bis dato für das Energieressort auf europäischer Ebene zuständig, soll es nun richten. In diesem Zusammenhang stellt sich ernsthaft die Frage: wie? Mit Verlaub, Oettinger ist ein erfahrener Politiker. Fleißig, akribisch, lange im politischen Zirkus aktiv und mit Steherfähigkeiten in der EU-Politik versehen.
Das ist erst mal ein Pfund. Aber Digitales? Sichtlich um Worte ringend trat Oettinger nach seiner Ernennung vor die Kameras. Seine politischen Gegner spotten: "Da wird der Bock zum Gärtner gemacht", oder "er sei eine Fehlbesetzung". Und Günther Oettinger? Er selbst hält den Ball flach und sieht sich "nicht als digital native". Sicher muss man auch Politikern einen Vertrauensvorschuss geben. Ob 100 Tage, mehr oder weniger, sei dahingestellt. Sicher ist nur, dass die Zeit drängt. Zu viele ungelöste Fragen sind mit dem digitalen Thema verwoben, sollten auf der politischen Agenda eigentlich ganz oben stehen. Angefangen beim Thema Abhörskandale über Cybercrime bis hin zum Zankapfel von Urheberrechten in einer vernetzten Welt.
Mit anderen Worten: Wir sind mittendrin. Nur der neue EU-Kommissar scheinbar nicht. Was es braucht, ist ein erfahrener Politiker, der sich in der Sache auskennt. Der Substanz auf dem Feld der digitalen Agenda mitbringt – das Große und Ganze im Blick hat. Sollte es Oettinger nicht gelingen, die drängenden Fragen zu klären und eine einheitliche Marschrichtung vorzugeben, droht ein erneutes (oder weiteres) Versanden der Themen. Ein Risiko, das die möglichen Chancen für einen neuen digitalen Weg in Europa aktuell zu überwiegen scheint.