Der Begriff "Insolvenz" ist in Deutschland negativ belegt. Er kennzeichnet ein Tabuthema, denn Insolvenz wird landläufig gleichgesetzt mit persönlichem Versagen und unternehmerischer Unfähigkeit. Diese Ansicht ist nach unserer über 30-jährigen Erfahrung als Gläubigervertreter im Insolvenzbereich weitgehend falsch. Die Krise ist vielfach unvermeidbar. Wie weitreichend allerdings deren Auswirkungen tatsächlich im Einzelfall sind, liegt häufig gerade auch in der Hand des Unternehmers.
Ursachen der wirtschaftlichen Schieflage eines Unternehmens
Die Anzahl der Unternehmensinsolvenzen ist, nach einem Abflauen in den Vorjahren, seit einigen Monaten wieder angestiegen. Für das laufende Jahr 2009 werden rund 20 Prozent mehr Insolvenzverfahren als im Vorjahr erwartet. Man rechnet mit einer Anzahl von 35.000 bis 36.000 Verfahren bundesweit.
Es geschieht immer wieder, dass auch eigentlich gesunde Unternehmen in eine wirtschaftliche Schieflage geraten. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Eine auf der Befragung ehemaliger Geschäftsführer insolventer Unternehmen beruhende Studie der Seghorn Inkasso GmbH Bremen zeigt, dass fast immer mehrere Gründe zusammen kamen. Im Schnitt nannten die 317 Geschäftsführer jeweils vier Ursachen. In der Gesamtauswertung sind die sechs wichtigsten demnach:
Insolvenzursache | % der Befragten |
---|---|
mangelhafte Kapitalausstattung | 62,1 |
Zahlungsausfälle und Zahlungsrückstände der Kunden | 51,1 |
konjunkturelle Lage, Strukturwandel | 46,1 |
Lohn- und Verwaltungskosten | 31,2 |
staatliche Steuer-, Wirtschafts- und Sozialpolitik | 29,0 |
persönlicher / familiärer Bereich, Teilhaberschwierigkeiten | 18,6 |
[Kostenlose Anforderung der Studie unter: www.seghorn.de, unter: Inkasso Aktuell - Zahlen, Daten, Fakten]
Zerschlagung des Unternehmens oder Planverfahren
Kaum ein Unternehmer bleibt von der Insolvenz eines Kunden verschont. Der übliche Ablauf: Insolvenzeröffnung, Einstellung mangels Masse oder eine denkbar geringe Insolvenzquote innerhalb des Verfahrens. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bedeutet in der Praxis regelmäßig im Ergebnis die völlige Liquidation des Unternehmens, also seine Zerschlagung. Der volkswirtschaftliche Schaden ist immens. Die Folgen sind nicht nur für die betroffenen Arbeitnehmer erheblich. Vielfach hat sich auch der Unternehmer für die Verbindlichkeiten des Unternehmens noch persönlich verpflichten müssen und wird als Folge der Firmeninsolvenz selbst zum Insolvenzfall. Überdies kommen viele Unternehmen in den Sog einer Insolvenz ihres Kunden und können damit selbst in eine Krise geraten.
Die Zerschlagung eines Unternehmens mit seinen gravierenden Auswirkungen ist aber nicht zwingend die Folge des eröffneten Insolvenzverfahrens. Die Insolvenzordnung lässt auch den Weg einer Sanierung und zumindest die teilweise Rettung des Unternehmens über einen Insolvenzplan zu. Im Insolvenzplan werden vollständig die Modalitäten der Tilgung der Verbindlichkeiten und des Teilverzichts der einzelnen Gläubiger, sowie die Rahmenbedingungen der Fortführung des Unternehmens für alle Gläubiger verbindlich geregelt.
Leider hat dieses Verfahren zur Erhaltung des Unternehmens in der Praxis kaum eine Bedeutung gewinnen können (nur rund zwei Prozent aller Insolvenzverfahren sind Planverfahren). Die Gründe hierfür sind fast immer recht banal: Entweder kann sich das Unternehmen generell nicht mehr am Markt halten (dann ist ein Plan sinnlos) oder aber ein Plan ist nicht darstellbar, da keine ausreichenden finanziellen Mittel (mehr) zur Verteilung an die Gläubiger zur Verfügung stehen.
Zeitpunkt der Antragstellung
Die Praxis zeigt, dass das Zeitmoment im Insolvenzverfahren eine maßgebliche Rolle spielt. In Kreisen der Insolvenzverwalter wird beklagt, dass "eigentlich rettungswürdige Firmen" zu spät die Notbremse der Insolvenz gezogen hätten. Allein aus diesen Gründen kämen Planverfahren (mangels Masse) oft nicht mehr in Frage. Vielfach sei die Krise des Unternehmens bereits ein Jahr vor dem Zusammenbruch erkennbar gewesen. Als wesentlicher "Fehler" der Unternehmer wird angesehen, dass sie sich hinter dem "Prinzip Hoffnung" verstecken oder aber auch aus Scham den Weg zum Insolvenzgericht nicht finden.
Soweit ein Unternehmer bei Erkennbarkeit einer nahenden Insolvenz abwartet, hilft dies weder seinem Unternehmen, noch seinen Arbeitnehmern, noch seinen Gläubigern, noch ihm selbst. Das Unternehmen wird in der Folgezeit sukzessive ausbluten, bis die Zahlungseinstellung folgt.
Auch der Unternehmer selbst läuft große Risiken. Zunächst kann ziemlich schnell die Situation entstehen, dass fällige Sozialversicherungsbeiträge oder vereinnahmte Umsatzsteuer nicht mehr abgeführt werden können und so eine persönliche Haftung für diese Gelder im Raume steht.
Überdies zeigt die Praxis, dass gerade in kleinen und mittelständischen Betrieben zur Rettung des Unternehmens das Privatvermögen der Geschäftsführer oder Inhaber als Sicherheit für weitere Kredite eingesetzt wird. Folge ist bei der späteren Insolvenz, dass nicht nur das Unternehmen zerschlagen wird, sondern auch das Privatvermögen verloren ist. Dies mit der weiteren Folge, dass auch der mithaftende Unternehmer selbst das Insolvenzverfahren über sein Vermögen beantragen muss.
Richtig ist es, sich die Vorteile eines Planverfahrens bei rechtzeitiger Insolvenzantragstellung unter Nutzung des Insolvenzgrundes der drohenden Zahlungsunfähigkeit vor Augen zu halten:
- Der Verwalter hat die Möglichkeit, das Unternehmen ganz oder in Teilen umzustrukturieren und neu aufzustellen. Er kann sich von langfristigen Verträgen lösen und so die Lage des Unternehmens entspannen.
- Über das Insolvenzausfallgeld für die Arbeitnehmer kann er kostengünstig drei Monate wirtschaften.
- Der Firmenname nimmt wenig Schaden, Planverfahren treffen auf Akzeptanz. Die Kundenbeziehungen können gerettet werden
- Der Eigenantrag ist weit problemfreier als der Fremdantrag, da das Sperrfeuer eines antragstellenden Gläubigers ausbleibt.
- Das Privatvermögen des Unternehmers bleibt unangetastet.
Ein weiterer wichtiger Faktor ist, dass die Modalitäten eines Planverfahrens durchaus beeinflusst werden können. Zur Vorlage eines Insolvenzplanes ist nämlich neben dem Insolvenzverwalter auch der Insolvenzschuldner berechtigt. Der Unternehmer hat hier die große Chance, seine branchenspezifischen Erfahrungen und seine noch funktionierenden Kundenkontakte einzubringen. Er könnte damit schon zeitig auf das Ziel hinarbeiten, später das Unternehmen, beispielsweise in Form einer Auffanggesellschaft, wieder zu übernehmen.
Betrachtet man das Ergebnis zu später und frühzeitiger Stellung eines Insolvenzantrags, dann liegen die Vorteile auf der Hand. Der Unternehmer, der weitsichtig handelnd den Insolvenzantrag frühzeitig stellt, hat keinerlei Grund für Zurückhaltung oder Scham. Er handelt im Gegenteil verantwortungsvoll und gerade auch im Sinne seiner Arbeitnehmer und Gläubiger.