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Der GAU am Horizont


Der GAU am Horizont News

Kleine Atempause in der Italienkrise. Was lernen wir aus den Vorgängen der letzten Tage, die so überraschend kamen, die Aktienkurse in den Keller fallen ließen, den Euro schwächten und die Realzinsen für Euroanleihen auf Null reduzierten (gemessen an 10-jährigen Bundesanleihen)?

Erstens: Nach den jüngsten Ereignissen ist schwer vorstellbar, dass die Krise bei Italien endet. Die Illusion ist endgültig dahin, dass es sich bei der Eurokrise nur um Schwierigkeiten von drei kleineren, hochverschuldeten Ländern handelt, nicht aber um ein Problem der Gemeinschaftswährung insgesamt (wie dies Politiker und Zentralbanker immer wieder behaupten). Je länger die Finanzminister bei der Lösung der aktuellen Probleme "herumeiern", desto mehr laden sie die Finanzmärkte ein, sich ihre Gedanken über die weitere Entwicklung zu machen. Wer ist der nächste Kandidat, nach Italien?

Zu denken ist hier insbesondere an Frankreich. Es hat ein wesentlich höheres öffentliches Defizit als Italien (7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts). Es hat auch eine höhere private Verschuldung. Beim Schuldenstand liegt es zwar besser als Italien, ist aber mit über 80 Prozent ebenfalls kein Waisenknabe. Sein Wirtschaftswachstum ist nicht überragend.

Zweitens: Mit Italien weitet sich die Eurokrise nicht nur regional, sondern auch sachlich aus. Die Schuldenkrise wird zu einer Krise der allgemeinen Wirtschaftspolitik. Das Problem Italiens ist im Kern nicht in erster Linie ein Schuldenproblem. Der Fehlbetrag im italienischen Haushalt dürfte in diesem Jahr bei etwas über 4 Prozent liegen. Das ist zwar immer noch mehr als das Maastricht-Kriterium von 3 Prozent. Es ist aber weniger als halb so groß wie die entsprechenden Fehlbeträge in Griechenland oder in Portugal oder in Irland. Auch die private Verschuldung der Verbraucher und der Unternehmen ist im internationalen Vergleich nicht so besorgniserregend. Italien hat keine Schwierigkeiten, sich am Kapitalmarkt Geld zu besorgen. Am Dienstag konnte es insgesamt Mittel in Höhe von EUR 6,75 Mrd. aufnehmen, wenn auch zu einem etwas höheren Zins als zuvor. Italien hat – auch ohne sichtbaren Druck aus Brüssel – ein Stabilitätsprogramm entwickelt, das die Defizite nicht nur auf unter 3 Prozent zurückbringen soll, sondern sogar auf Null.

Natürlich hat Italien eine sehr hohe Staatsverschuldung (119 Prozent des Bruttoinlandsprodukts). Die Staatsverschuldung wird aber, anders als in Griechenland, nicht primär von internationalen Investoren finanziert, sondern von italienischen Sparern. Es gibt hier Parallelen zu Japan. Japan hat schon lange eine sehr hohe Staatsverschuldung (200 Prozent des BIP). Sie spielt aber keine Rolle, weil es vor allem Japaner sind, die die Staatspapiere halten.

Zahlungsschwierigkeiten können allerdings auftreten, wenn die Zinsen stark ansteigen. Ein Prozentpunkt höhere Zinsen (also das, was wir in den letzten Tagen gesehen haben) bedeutet langfristig einen Anstieg des öffentlichen Defizits von EUR 18 Mrd. beziehungsweise 1,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Wo die eigentlichen Probleme Italiens liegen, ist in der Wirtschaftspolitik. Der Maschinenbau in Norditalien galt jahrelang als führend auf den Weltmärkten. Inzwischen ist er zurückgefallen. Italien hatte lange Zeit höhere Wachstumsraten als beispielsweise Deutschland. Heute hinkt es weit hinterher. Trotz des weltweiten Konjunkturaufschwungs nimmt das reale Bruttoinlandsprodukt nur um ein Prozent zu (Deutschland dagegen plus 3,5 Prozent). Ein großes Problem ist natürlich auch die mangelnde Glaubwürdigkeit der Regierung. Finanzminister Tremonti ist zwar ein geschätzter Stabilitätspolitiker. Es ist aber unsicher, ob er seine Pläne auch wirklich gegen Premierminister Berlusconi durchsetzen kann.

Drittens: Wenn Italien kippt dann wäre das der GAU, der größte anzunehmende Unfall für den Euro. Die drittgrößte Volkswirtschaft des Euroraums kann nicht mehr durch den Rettungsschirm aufgefangen werden, selbst wenn er auf EUR 1.500 Mrd. verdoppelt würde.

Viertens muss deshalb alles getan werden, um einen solchen GAU zu vermeiden. Dazu ist es erforderlich, dass in Italien das Sparprogramm schleunigst in Kraft gesetzt wird. Die anderen Europartner dürfen Italien nicht nur zum Sparen ermutigen (wie das die deutsche Kanzlerin getan hat). Sie müssen sich voll hinter Italien stellen und die Regierung – auch wenn es ihnen schwer fällt – unterstützen. Im Fall Griechenland dürfen keine Fragen offen bleiben. Das Krisen-Management muss schneller werden. Es darf nicht auf Fiskalprobleme beschränkt werden, sondern muss sich auch auf die gesamte Wirtschaftspolitik beziehen.

Fünftens: Vielleicht ist es ganz gut, dass die Möglichkeit eines GAUs am Horizont auftaucht, um die europäischen Politiker "zum Jagen zu tragen". Manchmal hat man den Eindruck, als werde der Ernst der Situation nicht ganz erkannt. Da wird viel darüber geredet, dass man den Steuerzahler nicht alleine zahlen lassen dürfe, dass man die Rating-Agenturen zerschlagen müsse, dass man den Banken das Handwerk legen müsse und was sonst noch alles. Das geht am Thema vorbei. Hier geht es um unsere Währung. Wenn wir nichts tun, ist nicht nur das Geld, das wir im Zuge der Krise ausgeliehen haben, verloren. Es ist die ganze Währung kaputt.

Es ist ein bedenkliches Zeichen, dass man in der Öffentlichkeit anfängt zu fragen, ob wir den Euro überhaupt brauchen.


Autor: Dr. Martin W. Hüfner, Chief Economist, Assenagon Asset Management S.A.


[Bildquelle: iStockPhoto]

Kommentare zu diesem Beitrag

Peter /14.07.2011 09:42
Wir stehen wohl erst am Anfang der Staatspleiten. Und das Herumlamentieren der Politik macht die Situation nicht besser. Warum nicht ein klares Signal und harte Maßnahmen?
Markus /14.07.2011 15:52
"....Da wird viel darüber geredet, dass man den Steuerzahler nicht alleine zahlen lassen dürfe, dass man die Rating-Agenturen zerschlagen müsse, dass man den Banken das Handwerk legen müsse und was sonst noch alles. Das geht am Thema vorbei..."

Genau das ist das Thema!!!

Es gibt nicht nur DIE EINZELNE-EINZIGE LÖSUNG mit der die Schieflage behoben werden kann.

Sicherlich haushalten fast alle Staaten und Politiker seit Jahren miserabel, nur um wiedergewählt zu werden. Steuergeschenke an Unternehmen (Pharmabranche, Banken, Hotels usw.) sind auch Teil des Problems. Umgekehrt wurde bislang die Beteiligung großer Konzerne an der Misere ausgelassen, um nicht als Buhmann oder - frau dazustehen.

-Steuer müssen rauf, gerade für Besserverdiener....
-Bankabgaben einführen bzw. deren Eigenkapitalpuffer weiter erhöhen 25% und mehr
-Ratingeinfluss eindämmen, da diese ein verschärfendes Moment in Krisenzeiten haben...
-Renditeforderungen der Investoren zurückschrauben... Wenn ich als Versicherung 10Mrd. an Prämien kassiere, kann ich nicht immer 5%-Kapitarendite aufs Prospekt knallen....Nur um noch ein paar Kunden mehr im Stamm zu haben....

Ein ALM-System für die Bundespolitik: Ich kann nicht mehr ausgeben, als ich einnehme (Juhu, Schuldenbremse, mal sehen ob dies überlebt), also entweder erhöhe ich die Einnahmen oder senke die die Ausgaben. Beides zusammen führt vielleicht schneller zu einem tragähigen Haushalt, ob man aber als Steuererhöher, Sozialkürzer und Euroretter wiedergewählt wird, bezweifle ich.

Die Herrschaften sollten sich am Riemen reißen und die Entscheidungen fällen, die dem Wohl der Masse dienen und nicht den Interessen Einzelner.
RiskNET Redaktion /14.07.2011 21:34
+++ Moody's stellt US-Spitzenbonität in Frage +++

Moody's Investors Service hat die Spitzenbonität der USA in Frage gestellt. Wie die Ratingagentur am Mittwochabend mitteilte, prüft sie das "AAA"-Rating auf eine mögliche Herabstufung. Moody's begründete den Schritt mit der zunehmenden Wahrscheinlichkeit, dass es dem Kongress nicht rechtzeitig gelingen werde, das Schuldenlimit anzuheben, was zu einem Zahlungsausfall des Anleiheschuldners USA führen würde. Ebenfalls betroffen sind von der Prüfung die "AAA"-Ratings direkt mit der Regierung verbundener Organisationen, wie Fannie Mae, Freddie Mac, der Federal Home Loan Banks, und der Federal Farm Credit Banks.
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