Die Dominorallye geht weiter

Der Riese fällt: Washington Mutual bricht zusammen


In der bislang größten Bankenpleite der US-Geschichte ist jetzt die Sparkasse Washington Mutual Inc (WaMu) von der zuständigen Aufsichtsbehörde geschlossen worden. In einem Notverkauf wurden anschließend Einlagen, Filialen und bestimmte Verbindlichkeiten des Instituts mit sofortiger Wirkung von der drittgrößten US-Bank J.P. Morgan Chase & Co. übernommen. Der US-Einlagensicherungsfonds FDIC musste nicht einspringen. Auch die Kunden der Sparkasse seien nicht betroffen, beruhigte die Federal Deposit Insurance Corp, die von der Aufsichtsbehörde Office of Thrift Supervision (OTS) als Konkursverwalter eingesetzt worden ist. WaMu werde am Freitag ganz normal die Schalter öffnen. Der Übergang werde nahtlos sein. Zur Schließung hatten nach Darstellung der FDIC unter anderem Einlagenabflüsse im Gesamtvolumen von 16,7 Mrd. USD in den vergangenen zehn Tagen geführt. Das Kreditinstitut habe nicht mehr über ausreichend liquide Mittel verfügt, um seinen Verpflichtungen nachzukommen, erklärte die Aufsicht. Washington Mutual habe sich zuletzt in einem unsicheren und unsoliden Zustand befunden. J.P. Morgan zahlt der FDIC für das übernommene Geschäft 1,9 Mrd. USD. Insgesamt werden die Kosten für das Bankhaus, das erst im März bei der ebenfalls zusammengebrochenen Investmentbank Bear Stearns einsprang, aber höher ausfallen. So wird der neue Eigner rund 31 Mrd. USD auf das übernommene Kreditportfolio wegen der zu erwartenden Ausfälle abschreiben. Ferner wird J.P. Morgan für 8 Mrd. USD neue Aktien platzieren, um die Kapitalbasis zu stärken. Kapital und Schulden des WaMu-Mutterkonzerns sind nicht Teil der Transaktion, so dass die großen Gläubiger und die Aktionäre der Washington Mutual Inc leer ausgehen dürften. Einer der Betroffenen wird damit die Beteiligungsgesellschaft TPG Capital sein. Die frühere Texas Pacific Group hatte erst im März 7 Mrd. USD in Washington Mutual gesteckt - und damit J.P. Morgan ausgestochen, die bereits seinerzeit eine Komplettübernahme anbot. Unklar ist bislang, wie die faulen Immobilienkredite von Washington Mutual aufgefangen werden. Das von US-Finanzminister Henry Paulson angekündigte Rettungspaket für Banken im Volumen von 700 Mrd. USD ist noch immer politisch heiß umstritten. Der Kongress konnte sich bislang nicht einigen. Die Aufsichtsbehörden reagierten im Fall Washington Mutual schneller als sonst üblich. Bis Mittwochabend hatten sie Gebote angefordert; nur 24 Stunden später wurde das Institut geschlossen und die Assets verkauft. Üblicherweise lassen sich die Behörden in solchen Fällen Zeit über das Wochenende, um einen reibungslosen Übergang für die Bankkunden zu gewährleisten. FDIC-Chairman Sheila Bair erklärte, der Einlagensicherungsfonds habe schnell einen Käufer finden müssen, um die verunsicherten Kunden zu beruhigen.

Das Institut aus Seattle hatte als einfache Sparkasse begonnen, mit dem Immobilienboom der vergangenen Jahre seine Aktivitäten aber besonders auf den Hypothekenmarkt ausgerichtet. Laut Aufsichtsbehörde OTS hat der Konzern in den zurückliegenden drei Quartalen Verluste von 6,1 Mrd. USD angehäuft. Washington Mutual Bank und ihre Tochter Washington Mutual FSB kommen zusammen auf eine Bilanzsumme von 307 Mrd. USD und Einlagen von 188 Mrd. USD. WaMu ist in 15 US-Bundesstaaten mit gut 2.200 Filialen vertreten. J.P. Morgan Chase erschließt sich mit der Übernahme im Retail-Banking die attraktiven Märkte der US-Bundesstaaten Kalifornien, Florida und Washington. Das Netz der nach Niederlassungen bisher viertgrößten US-Bank wird künftig 5.400 Filialen in 23 US-Bundesstaaten umspannen, wie J.P. Morgan erklärte. Mit Einlagen von mehr als 900 Mio. USD rückt der neue Konzern damit auf die Führungsposition in der US-Bankenlandschaft vor. Das Management von J.P. Morgan äußerte sich zuversichtlich zu den Aussichten des übernommenen Geschäfts. Die Übernahme werde aus dem Stand positiv zum Ergebnis beitragen, versprach das Institut seinen Anteilseignern. Die Kosten der Übernahme werden von J.P. Morgan mit rund 1,5 Mrd. USD vor Steuern erwartet. In gleicher Höhe sollen bis 2010 die jährlichen Kosten sinken. Dazu werden unter anderem bis zu 10 % der Filialen geschlossen. Der Name Washington Mutual wird anscheinend verschwinden. Bis Ende 2010 solle die Integration und Umfirmierung abgeschlossen sein. Der Zusammenbruch von Washington Mutual übertrifft den bislang größten Kollaps in der Branche bei Weitem. 1984 traf es Continental Illinois mit 40 Mrd. USD Aktiva. WaMu hatte sich zuletzt vergeblich zum Verkauf gestellt. Citigroup, Wells Fargo und Banco Santander zeigten sich zwar zunächst interessiert, zogen sich nach Prüfung der Bücher aber wieder zurück. Auch ein Versuch, weitere Beteiligungsgesellschaften zum Einstieg zu bewegen, war nicht von Erfolg gekrönt. Washington Mutual ist das jüngste Opfer der US-Finanzkrise. Mit insgesamt zwölf Bankenpleiten musste sich der Einlagensicherungsfonds in diesem Jahr bislang befassen. Zuletzt hatte sich die Situation nochmals verschärft, als die Investmentbank Lehman Brothers insolvent wurde und sich Wettbewerberin Merrill Lynch im letzten Moment unter das Dach der Bank of America rettete (RISIKO MANAGER berichtete). In den darauf folgenden Tagen zogen WaMu-Kunden in großem Umfang aus Angst ihre Ersparnisse ab, zumal nur wenige Tage später auch der größte Versicherer der USA, American International Group, mit 85 Mrd. USD Finanzspritze seitens der US-Notenbank vor dem Kollaps bewahrt werden musste. Unterdessen wies der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) darauf hin, dass Washington Mutual "keine Sparkasse im deutschen Sinne" sei. Das US-Institut sei lediglich aus einer Savings & Loans Association hervorgegangen und auch nicht Mitglied des Weltinstituts der Sparkassen (WIS).

[Text: RISIKO-MANAGER.com]

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