Zur weiteren Konkretisierung der Aufsichtsvorschriften für Banken und Versicherungen hat die Europäische Kommission am 10. Oktober drei delegierte Rechtsakte erlassen. Im Bereich des Versicherungswesens werden damit die Vorschriften zur Umsetzung der Solvency-II-Richtlinie weiter detailliert. Dazu zählen insbesondere Regelungen zur Bewertung von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten, die Festlegung der Eigenkapitalhöhe und der Kalibrierung der verschiedenen Vermögenswertklassen, in die ein Versicherer investieren darf oder auch die Art und Weise, wie Versicherungsunternehmen geführt und organisiert werden sollten. Um insbesondere kleineren Versicherern die Anwendung von Solvency II zu erleichtern, wurden für bestimmte Fälle zudem vereinfachte Methoden und Ausnahmen festgelegt. Die nunmehr bekannt gegebenen Detailbestimmungen stellen das Kernstück des Regelwerks für die Beaufsichtigung von Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen dar.
Sie zielen darüber hinaus auf eine stärker differenzierte Risikoorientierung ab und sollen den einzelnen Versicherungsunternehmen eine bessere Absicherung ihrer tatsächlichen Risiken ermöglichen. Ferner sollen sie der Assekuranz in ihrer Eigenschaft als Investor Anreize geben, mehr Gelder in sichere, einfache und transparente Verbriefungsmärkte in Europa zu lenken, und damit zu deren Entwicklung und Liquidität beizutragen. Daher ist für derartige Verbriefungsinstrumente auch eine günstigere Behandlung vorgesehen. Daneben enthält das Paket Regelungen zur Beurteilung der Gleichwertigkeit der Solvabilitätsvorschriften von Drittländern, Rahmenbestimmungen zur Nutzung interner Modell sowie Vorschriften für Versicherungsgruppen.
Die beiden anderen delegierten Rechtsakte enthalten für die europäischen Institute einerseits Detailregelungen zur Bestimmung der Liquiditätsdeckungsanforderungen (Liquidity Coverage Ratio – LCR), sowie andererseits weiterführende Vorschriften zur Ermittlung der Verschuldungskennziffer (Leverage Ratio). Die Finanzkrise hat auf eindrucksvolle Weise gezeigt, dass einige Institute nicht über ausreichend flüssige Mittel (wie Bargeld) verfügten, um Nettoliquiditätsabflüssen in Stressphasen standzuhalten. Vor diesem Hintergrund enthält der delegierte Rechtsakt zur LCR detaillierte quantitative Liquiditätsvorschriften, welche regeln, wie die in Krisenzeiten zu erwartenden Liquiditätsabflüsse zu berechnen sind und welche liquiden Aktiva Banken vorhalten müssen, um diesen standzuhalten. Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes erklärt dazu: "Damit wird ein zentrales Element der Basel III-Regelungen zur Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit von Banken auch in schweren Stressszenarien umgesetzt.
Für die Banken ist es wichtig zu wissen, welche Anforderungen sie ab dem 1. Oktober 2015 einhalten müssen." Erfreulich sei, dass die Kommission das zu Grunde liegende Baseler Rahmenwerk an europäische Gegebenheiten angepasst habe und dabei berücksichtige, dass in der EU die Regelungen für alle Banken – unabhängig von ihrer Größe – gelten. So wurden etwa die für die Liquiditätspuffer zugelassenen Wertpapierarten ausgeweitet, um eine ausreichende Diversifizierung zu sichern. Kritisiert hingegen wird, dass die Kommission in einigen Aspekten unnötigerweise über das Baseler Rahmenwerk hinausgehen, wodurch zum Teil auch die Idee einer zentralen Liquiditätssteuerung konterkariert wird.
Die Verschuldungsquote ist grundsätzlich definiert als das Verhältnis aus Aktiva und Kapitalbasis eines Instituts. Mit dem jetzt vorgelegten delegierten Rechtsakt wird die Methode zur Berechnung der Leverage Ratio geändert. Ziel dieser Änderungen ist es, ein gemeinsames Verständnis der Komponenten der Verschuldungsquote zu etablieren, ihre internationale Vergleichbarkeit zu erleichtern und dadurch gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Auf Basis der nunmehr neu geschaffenen Definition ist die tatsächlich ermittelte Leverage Ratio Quote ab Anfang 2015 offenzulegen. Eine verbindliche Verschuldungsquote wird darin aber nicht festgelegt. Über die Einführung einer solchen verbindlichen Quote wird erst 2016 entschieden.
Das vorgelegte Regelungspaket ist Teil der Justierung des aktuellen Regulierungsrahmens und zielt darauf ab, die Realwirtschaft wirkungsvoll zu unterstützen, ohne dabei die Finanzstabilität zu gefährden. "Diese detaillierten Vorschriften stellen die notwendige Ergänzung zur Solvency-II-Richtlinie und zur Eigenkapitalverordnung dar", erklärte der für Binnenmarkt und Dienstleistungen zuständige Kommissionsvizepräsident Michel Barnier. "Sie zeigen auch, dass Europa bei der Umsetzung international vereinbarter Grundsätze eine Vorreiterrolle einnimmt und seine Finanzinstitute widerstandsfähiger macht, gleichzeitig aber dem Finanzierungsbedarf der Realwirtschaft und der Diversität des europäischen Finanzsektors Rechnung trägt."