40 von 1.000 Autozulieferer sind Pleite

Desaströse Ertragslage lässt Unternehmensinsolvenzen steigen


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Die schwere Wirtschaftskrise zwingt immer mehr deutsche Unternehmen zur Aufgabe. Allein in den ersten sechs Monaten des Jahres mussten 16.650 Firmen einen Insolvenzantrag stellen. Im Vergleich zum Vorjahr (14.570) entspricht das einem Zuwachs um gut 14 Prozent. Finanzierungs- und Liquiditätsengpässe gepaart mit einer sehr schlechten Auftragslage dürften die Insolvenzspirale auch in den kommenden Monaten in Bewegung halten. Besserung ist derzeit nicht in Sicht  "Die Ertragslage im Mittelstand ist desaströs", sagt Helmut Rödl (Foto unten) vom Verband der Vereine Creditreform, der regelmäßig aktuelle Insolvenz- und Gründungszahlen erhebt. Auch die Verbraucherinsolvenzen verzeichnen im ersten Halbjahr 2009 wieder eine Zunahme um vier Prozent auf 50.350 Fälle. Die "sonstigen" Insolvenzen, u. a. überschuldete Nachlässe, Insolvenzen von ehemals selbstständig Tätigen,  nahmen im ersten Halbjahr um 4,6 Prozent auf 14.850 Fälle zu. Damit befassten sich die deutschen Gerichte mit insgesamt 81.850 Insolvenzfällen.

Insolvenzschäden steigen auf  20 Milliarden Euro

Die durch Unternehmensinsolvenzen entstandenen Verluste und Schäden belaufen sich im ersten Halbjahr auf 20,8 Milliarden Euro. Damit liegt das Schadensniveau 5,5 Milliarden Euro höher als im Vergleichszeitraum 2008. Allein 14,3 Milliarden Euro der Schadenssumme entfallen auf private Gläubiger; der öffentlichen Hand fehlen insgesamt 6,5 Milliarden Euro. Die durchschnittliche nicht einbringliche Forderungssumme privater Gläubiger pro Unternehmensinsolvenz beträgt für das erste Halbjahr dieses Jahres 859.000 Euro. Die Zahl der durch Insolvenz bedrohten Arbeitsplätze erhöht sich parallel zur Zunahme der Unternehmensinsolvenzen um deutliche 54,4 Prozent auf 254.000. "Die Unternehmen kämpfen mit einem akuten Liquiditätsproblem, das sich in der Regel unmittelbar in der Zahlungsfähig bzw. -unfähigkeit niederschägt", weiß Insolvenzexperte Rödl. Kernproblem in vielen Betrieben sei nach wie vor ein strukturelles Eigenkapitaldefizit.

Verarbeitendes Gewerbe am stärksten von Insolvenzen betroffen

Am deutlichsten zugenommen haben die Insolvenzen im Verarbeitenden Gewerbe: Hier erhöhte sich nach Angaben von Creditreform die Zahl der Konkurse um 31,4 Prozent auf 1.550 betroffene Betriebe (Vorjahr: 1.180). Im Gegensatz dazu ist das Baugewerbe bisher noch glimpflich durch die Konjunkturkrise gekommen: Hier wird ein Anstieg der Insolvenzen um 7,6 Prozent auf 2.680 betroffene Unternehmen verzeichnet. Nach Rechtsformen unterschieden, dominieren nach wie vor die Kleingewerbetreibenden das Insolvenzgeschehen. Wenngleich sich ihr Anteil binnen Jahresfrist von 53,2 Prozent auf 46,5 Prozent verringerte. Die Konkurse der GmbH legten hingegen zu, und zwar von 32,8 auf 38,5 Prozent. Die Mehrzahl der insolventen Betriebe (61,5 Prozent) setzt weniger als 500.000 Euro im Jahr um (Vorjahr: 66,7 Prozent). Jeder dritte insolvente Betrieb (32 Prozent; Vorjahr: 28,9 Prozent) fällt in die Umsatzklasse zwischen 500.000 und 5,0 Mio. Euro. 6,6 Prozent der insolvent gewordenen Betriebe setzt mehr als 5 Millionen Euro im Jahr um. Ein Drittel (34,6 Prozent; Vorjahr: 34,0 Prozent) der Insolvenzen stellen Unternehmen, die nicht älter als vier Jahre sind. Die Zahl der insolventen Betriebe, die schon mehr als zehn Jahre am Markt agieren, nahm im Jahresverlauf leicht um 0,8 Prozentpunkte auf 35,4 Prozent (Vorjahr: 34,6 Prozent) zu.

40 von 1.000 Autozulieferer sind Pleite

In der ersten Hälfte des Jahres 2009 beschäftigten einige spektakuläre Insolvenzen die Medien, allen voran die Pleite des Handels- und Touristikkonzerns Arcandor. 52.000 Arbeitsplätze sind von der Insolvenz bedroht. Auch die Insolvenz des Einzelhandels-Discounters Woolworth bringt Unruhe unter die fast 10.000 Mitarbeiter. Die erste große Pleitewelle traf die Kfz-Zuliefer-Betriebe: Im Sog der schrumpfenden Autoproduktion mussten allein im ersten Halbjahr dieses Jahres 40 der rund 1.000 Autozulieferer in Deutschland aufgeben. Von den Unternehmensaufgaben sind rund 20.000 Arbeitsplätze betroffen.


[Bildquelle: iStockPhoto]

Kommentare zu diesem Beitrag

Pleitegeier /27.06.2009 23:30
Das ist eben der normale Lebenszyklus, der auch für Unternehmen (und theoretisch für Banken) gilt. Nur dass man eben Banken nicht sterben lässt :-)

Aber hier rächt sich die dünne Eigenkapitaldecke und aggressives Wachstum ohne Basis. Zu viele finanzierte Investitionen ohne Beitrag zur Wertschöpfung, dem eigenen Image, Ego und Schein gezollt, drücken nun die mageren Erträge unter schwarze Null. Vielleicht hätte hier dort auch ein Verwaltungssitz ohne Marmor, Edelstahl und Glas gereicht, wäre die eine oder andere Leasing-Limousine eine Nummer kleiner gewählt worden und man hätte das Kapital zur Stärkung der Risikotragfähigkeit nutzen sollen.

Was seit den 80er Jahren manchem wie Disney World im Großformat vorkam, letztendlich nur geleast und finanziert, rächt in ertragsschwachen Jahren besonders. Und erstaunlich: Manch einem Unternehmen in maroden Produktionshallen geht es noch gut während andere hochpolierte Stätten nun der Insolvenz geweiht sind.

Wie war das noch mit der Investitionsrechnung und der gesunden Eigenkapitalausstattung???
Thorsten /28.06.2009 07:41
@Pleitegeier: Du hast völlig Recht. Im Kern handelt es sich um strategische Fehlentscheidungen, die sich nun rächen und unter dem Mäntelchen der Finanzkrise hervortreten. Und na klar, schuld ist die Finanzkrise ... und nicht etwa die Inkompetenz der strategischen Entscheider ;-(
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