Wenn heute von beeindruckenden Entwicklungen in Asien gesprochen wird, ist meist von China die Rede. Der "kleine" Nachbar Indien steht häufig in dessen Schatten, dabei ist er gemessen an der Bevölkerungszahl die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt und schon aus diesem Grunde attraktiv für deutsche Unternehmen. Jedoch ist ein Engagement in Indien nicht risikolos, bestehen doch in wirtschaftlicher, politischer rechtlicher und kultureller Hinsicht deutliche Unterschiede zu Europa. Speziell Compliance-Risiken sind ohne ein Verständnis von Indien schwer zu greifen, dürfen aber im Falle eines Engagement nicht vernachlässigt werden.
In Zeiten der Eurokrise suchen deutsche Unternehmen noch stärker als zuvor ihr Wachstum auf Märkten außerhalb der europäischen Gemeinschaft. Neben China gilt Indien als einer der attraktivsten Märkte für Direktinvestitionen in Asien. Deutschland zählt in Indien zu einem der zehn wichtigsten Direktinvestoren. Im Vergleich zu China ist die Investitionssumme aber gering und birgt noch viel Potenzial. Die USA und auch Großbritannien sind hingegen schon mit deutlich höheren Investitionsbeträgen in Indien vertreten. Sicherlich ist dies auch auf historische Gründe zurückzuführen. Und so sind, anders als in China, die großen ausländischen Unternehmen, die ein jeder Inder kennt, nicht Volkswagen oder Bosch, sondern Marken wie beispielsweise Vodafone, Sony oder auch Pepsi. Das haben auch die deutsche Wirtschaft sowie die deutsche Regierung erkannt: Aktuell läuft in Indien das Deutschlandjahr mit der Initiative "Germany and India: Infinite Opportunities". Diesen November wird die Asien-Pazifik-Konferenz der Deutschen Wirtschaft im indischen Delhi stattfinden. Die deutsche Wirtschaft und auch Politik sind sichtbar bemüht, ihren Fußabdruck in Indien zu vergrößern.
Kein Indien-Investment ohne aktives Compliance Management
Dies erweist sich allerdings als nicht einfach, denn Indien ist und bleibt für viele ein schwer zugängliches Land. Zwar demokratisch, ist Indien insbesondere für seine traditionelle Gesellschaft, seine Bürokratie, sein Kastensystem, für große soziale Unterschiede und seine arme Landbevölkerung bekannt. Auf der anderen Seite ist Indien eines der vier BRIC-Staaten und gilt damit als eine der aufstrebenden neuen Mächte, die immer mehr Einfluss auf unsere Wirtschaft und Politik ausüben. Lange galten diese Länder als verlängerte Werkbank der westlichen Welt; heute werden sie aber verstärkt als ernstzunehmende politische Größen und als attraktive Absatzmärkte wahrgenommen. So generieren deutsche Dax-30-Unternehmen wie Infineon, BMW oder Linde schon heute rund 30 Prozent ihres Jahresumsatzes in Asien. Dieser Trend wird sich in den kommenden Jahren verstärken. Umso wichtiger wird es für deutsche Unternehmen sein, sich mit genau diesen Märkten auseinanderzusetzen. Dabei spielen zum einen selbstvertändlich wirtschaftliche Themen eine wichtige Rolle, zum anderen darf eine Auseinandersetzung mit der anderen Kultur und Gesellschaft nicht unterschätzt oder vernachlässigt werden, sonst kann ein Markteintritt schnell zum Risiko für das ganze Unternehmen werden.
Die Arbeitsgruppe "Global Economic Ethics" der "stiftung neue verantwortung" hat sich im Rahmen des Projektes "Neue Mächte, neue Werte?" unter anderem mit dem Thema Compliance-Risiken in Schwellenländern auseinandergesetzt. Um diese zu erkennen und greifbar zu machen, wurden basierend auf Experteninterviews verschiedene Szenarien erstellt, die realistisch erscheinende Zukünfte darstellen. Hauptsächlich wurde untersucht, welche Auswirkungen das Aufstreben der Emerging Countries auf das westliche Wertesystem hat und welche Konsequenzen sich für deutsche Unternehmen daraus ergeben. Das Ergebnis der Studie sind Handlungsempfehlungen an deutsche Unternehmen sowie die Politik zur Wahrung der Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.
Teilergebnisse dieser Studie, die sich speziell auf Indien beziehen, werden in diesem Artikel dargestellt. Der Artikel gliedert sich in insgesamt vier Abschnitte: Nach der Einleitung folgt eine Beschreibung der aktuellen wirtschaftlichen, rechtlichen und politischen Situation Indiens. Dieser Teil schließt ab mit einer Darstellung der wohl derzeit wichtigsten Compliance-Themen für ausländische Investoren. Im dritten Abschnitt dieses Artikels wird ein Indien-Szenario 2020 beschrieben. Dieses Szenario gehört zu einer Reihe von Szenarien, die im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen der Arbeitsgruppe Global Economic Ethics der "stiftung neue verantwortung" und der Hochschule Konstanz (HTWG) entstanden sind. In dem darauf folgenden Abschnitt wird auf die wichtigsten zukünftigen Compliance-Risiken eingegangen, die sich aus dem vorgestellten Szenario ergeben. Der Artikel schließt ab mit einem Fazit hinsichtlich der Konsequenzen von Compliance-Risiken für deutsche Unternehmen in Indien.
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