Die deutsche Regierung stützt den Vorschlag der EU-Kommission, mit Hilfe der neuen Eigenkapitalvorschriften für die Assekuranz (Solvency II) die Beaufsichtigung der Versicherungswirtschaft einem drastischen Systemwechsel zu unterziehen. Die Aufsicht für die Versicherungsgesellschaften müsse der wirtschaftlichen Realität angepasst werden, so Jörg Asmussen, Abteilungsleiter im Bundesfinanzministerium im Interview der Börsen-Zeitung. "Das System der Gruppenaufsicht ist der wirtschaftlichen Realität anzupassen. Gruppen werden in einem immer stärkeren Maße zentral geleitet."
Asmussen unterstrich jedoch, die Reform der Versicherungsaufsicht werde kein Selbstläufer werden. Es gehe auch "um politische Befindlichkeiten", die bei der Gestaltung des neuen Systems "berücksichtigt" werden müssten. Der Brüsseler Vorschlag sei "mutig". Die Kommission will erstmals für die Versicherungskonzerne eine europäische Gruppenaufsicht einrichten. Diese Rolle soll in der Regel die Heimataufsicht übernehmen. Damit wäre die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht für die Allianz und deren französische Tochter AGF zuständig. Ein Vorstoß der EU, über moderne Eigenkapitalvorschriften für die Banken (Basel II) die Aufsicht stärker zu zentralisieren, war vor Jahren vor allem am Widerstand der neuen EU-Staaten gescheitert. Asmussen ist sich auch sicher, dass die im Kontext von Solvency II diskutierten Überlegungen auch Auswirkungen auf die Weiterentwicklung der Aufsicht im Bankensektor haben werden.
Solvency II soll keine Mittel zur Marktbereinigung sein
Asmussen wies jedoch auch darauf hin, dass Solvency II kein Mittel zur Marktbereinigung sein soll. "Sowohl große als auch kleine Versicherungsgesellschaften ziehen aus dem System einen großen Vorteil: Sie werden sich ihrer eigenen Risikostruktur bewusster und unterfallen einem verbesserten Aufsichtssystem." Natürlich können Gruppen besser Diversifikationseffekte nutzen als kleine Anbieter und dadurch die Kapitalanforderungen mindern. "Doch können kleine und mittlere Versicherungsgesellschaften auch Vorteile geltend machen: etwa eine Spezialisierung auf bestimmte Zweige, die bessere Kenntnis des eigenen Geschäfts, die Unabhängigkeit von der Börse oder eine größere Nähe zum Kunden", so Asmussen weiter.
Konkurssicherung im Kontext Solvency II
Asmussen sprach sich zudem dafür aus, den Systemwechsel in der Assekuranz über einen Vorstoß zur Konkurssicherung zu flankieren. Derzeit gibt es in Europa, anders als im Bankensektor mit der EU-Richtlinie zur Einlagensicherung, für die Versicherungsindustrie keine einheitlichen Vorschriften. Die Tatsache, dass kein einheitliches Konkurssicherungssystem existiere, könne "bei der Ausgestaltung von Solvency II nicht unberücksichtigt bleiben". Ziel von Solvency II ist es, Insolvenzen besser zu vermeiden. Daher hat die Bundesregierung auch ein starkes Interesse an der raschen Verabschiedung der Richtlinie.
[Quelle Interview: Börsenzeitung]