Der Finanzzyklus Deutschlands ist nach Erkenntnissen der Europäischen Zentralbank (EZB) nur schwach mit den Finanzzyklen der anderen Eurozone-Länder synchronisiert. Das ist weiteres Argument dafür, Geldpolitik und makroprudenzielle Politik unabhängig voneinander zu betreiben, und zwar national eigenständig.
EZB-Volkswirt Paul Hiebert machte bei der ersten gemeinsamen makroprudenziellen Konferenz von EZB und Internationalem Währungsfonds (IWF) in Frankfurt zunächst darauf aufmerksam, dass konjunkturelle Zyklen - auf die die Geldpolitik achtet - und Finanzzyklen - das Auf und Ab von Kreditvergabe, Haus-, Aktien- und Anleihepreisen und Renditedifferenzen - nicht zwingend synchron laufen.
Es ist also möglich, dass sich eine Volkswirtschaft in einem Konjunkturaufschwung befindet, während gleichzeitig der Finanzyklus abwärts gerichtet ist. Entsprechend kann es gleichzeitig Bedarf an einer expansiven Geldpolitik und einer restriktiven makroprudenziellen Politik geben.
Makroprudenzielle Politik dient dem Ziel, Risiken für das Finanzsystem zu mindern. Sie ergänzt damit die mikroprudenzielle Überwachung einzelner Banken und sonstiger Finanzinstitutionen. Im Rahmen der makroprudenziellen Aufsicht können die Aufsichtsbehörden Warnungen vor Risiken und Fehlentwicklungen kommunizieren und zugleich Handlungsoptionen zur Gefahrenabwehr aufzeigen. Dazu gehören auch Kapitalzuschläge.
Im Euroraum kommt nach Hieberts Erkenntnis erschwerend hinzu, dass die Finanzyklen der einzelnen Länder nicht synchron laufen. Hiebert hat bei seinen Untersuchungen ein "Cluster" von Ländern mit hohem Gleichlauf der Finanzzyklen gefunden. Es sind Großbritannien, Irland, Belgien, Spanien und Finnland. "Deutschland ist im Hinblick auf Finanzzyklen fast völlig abgekoppelt", sagte er.