Der deutschen Wirtschaft geht es offenbar besser als zuletzt gedacht, sie dürfte im ersten Quartal ein leichtes Wachstum verzeichnet haben. Nach einem unerwartet deutlichen Anstieg der Produktion im März und einer Revision des Vormonatswerts ist die Produktion im ersten Quartal 2012 erstmals seit Sommer 2011 wieder marginal gestiegen. Damit droht von dieser Seite entgegen den bisherigen Befürchtungen zumindest keine konjunkturelle Bremsung. Zusätzlichen Schwung erhielt die Produktion im März von der Bauwirtschaft, die nach einem witterungsbedingten Rückschlag im Vormonat im März außerordentlich stark anzog. Insgesamt bestätigen die Produktionsdaten das positive Bild, das am Vortag bereits die Auftragseingänge gezeichnet hatten.
Nach Mitteilung des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) stieg die Produktion gegenüber dem Vormonat um 2,8 Prozent, während die von Dow Jones Newswires befragten Volkswirte einen Anstieg von nur 1,0 Prozent prognostiziert hatten. Die Bauproduktion schnellte um 30,7 Prozent in die Höhe, nachdem sie im Februar witterungsbedingt um 16,9 Prozent gesunken war. Zudem war die gesamte Produktion im Februar neuen Berechnungen zufolge nur um 0,3 Prozent gesunken. Ursprünglich war ein Rückgang von 1,3 Prozent gemeldet worden. Diese Aufwärtsrevision eingerechnet lag die Produktion im März um 2,7 Prozent höher als erwartet.
Damit stieg die Produktion im ersten Quartal 2012 um 0,1 Prozent, was das Bundeswirtschaftsministerium als Stagnation umschrieb. Im vierten Quartal war die Produktion noch um 1,8 Prozent gesunken.
Nach Mitteilung des Ministeriums erhöhte sich die Industrieproduktion im März gegenüber dem Vormonat um 1,5 Prozent, wobei alle industriellen Hauptgruppen Zuwächse verzeichneten. Die Konsumgüterproduktion stieg um 3,0 Prozent, während die Herstellung von Vorleistungsgütern um 0,3 Prozent zunahm. Die Produktion von Investitionsgütern war um 2,0 Prozent höher als im Vormonat, was jedoch teilweise auf Nachmeldungen aus den Vormonaten zurückzuführen war.
Nach Aussage des Ministeriums deuten die Daten darauf hin, dass "die industrielle Aktivität wieder spürbar Fahrt" aufnimmt. "Damit haben sich die weiteren Aussichten für die Industriekonjunktur merklich verbessert", befand das Ministerium.
Im vierten Quartal 2011 war die deutsche Volkswirtschaft um 0,2 Prozent geschrumpft. Würde das Bruttoinlandsprodukt auch im ersten Jahresviertel sinken, läge nach gängiger Definition eine Rezession vor.
Volkswirte sehen sich nach Veröffentlichung dieser Daten in der Erwartung bestätigt, dass die deutsche Wirtschaft im ersten Quartal gewachsen ist, was nach den extrem schwachen Ergebnissen der jüngsten Einkaufsmanagerumfragen zunehmend in Zweifel gezogen worden war. "Die heutigen Zahlen stützen unsere Prognose, dass das Bruttoinlandsprodukt trotz schwacher Einzelhandelsumsätze um 0,2 Prozent gestiegen ist", sagte UniCredit-Volkswirt Alexander Koch.
Alexander Krüger, Chefvolkswirt des Bankhauses Lampe, sah nun ebenfalls keinen Grund mehr, seine Wachstumsprognose von 0,2 Prozent zu ändern. "Die schlechte Stimmung unter den Einkaufsmanagern ist nach den heutigen Daten noch weniger verständlich", sagte er. Er wie auch Evelyn Hermann von BNP Paribas rechnen zudem damit, dass die Wirtschaft ordentlich Schwung mit ins laufende zweite Quartal genommen hat. Selbst unter zurückhaltenden Annahmen sei für das zweite Quartal ein Wachstum von 0,4 Prozent denkbar, sagte Krüger.
Und Commerzbank-Volkswirtin Ulrike Rondorf sagte: "Die heutigen Zahlen machen uns zuversichtlicher, dass das Bruttoinlandsprodukt tatsächlich wie von uns erwartet um 0,1 Prozent gegenüber dem Schlussquartal 2011 gewachsen ist, auch wenn die Umsätze im Einzel- und Großhandel sowie im Gastgewerbe laut den Zahlen von Statistischen Bundesamt im ersten Quartal deutlich nachgegeben haben." Allerdings rechnet sie wegen des Rückgangs des Einkaufsmanagerindex und der im Trend weiter abwärts gerichteten Auftragseingänge für die kommenden Monate nicht mit einem kräftigen Aufschwung.
Auch ING-Volkswirt Carsten Brzeski mahnte zur Vorsicht: "Es wäre voreilig, jetzt anzunehmen, die deutsche Wirtschaft könnte stark wachsen, während der Rest der Eurozone wankt", warnte er. Und Alexander Krüger sagte: "23 Prozent der deutschen Exporte gehen in Länder, die sich in einer Rezession befinden."
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Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Rainer Brüderle, hat den Fiskalpakt als eine wichtige Voraussetzung für weiteres Wachstum in Europa eingestuft. "Es ist kein Gegensatz, Haushalte zu konsolidieren und Wachstum auf den Weg zu bringen, im Gegenteil, das eine bedingt das andere", sagte Brüderle in Berlin.
Wachstum gebe es nur, wenn Vertrauen da sei. Vertrauen entstehe aber nicht, wenn die Haushalte nicht in Ordnung gebracht würden. Die Finanzierung von Staatshaushalten sei nur dann zu ertragbaren Konditionen möglich, wenn die Finanzmärkte Vertrauen hätten. "Deshalb ist ein innerer Zusammenhang: Der Fiskalpakt ist die Basis auch für mehr Wachstum in Europa", betonte der FDP-Politiker. Es sei unverzichtbar, dass diese Geschäftsgrundlage erhalten bleibe.
Europa brauche Wachstum, aber keine schuldenfinanzierten Konjunkturprogramme. Das Wachstum müsse aus realwirtschaftlichen Veränderungsprozessen resultieren. Europa müsse wettbewerbsfähiger werden. Die Reformen müssten umgesetzt und der Binnenmarkt realisiert werden.
Brüderle rechnet damit, dass erst nach dem Ende des Wahlkampfes zur französischen Assemblée Nationale die entsprechende Handlungsfähigkeit zwischen Frankreich, Deutschland und den übrigen europäischen Partnern erreicht wird. "Ich hoffe sehr, wenn die Rauchschwaden des Wahlkampfes verzogen sind, auch der Parlamentswahl, dass man sich zusammenfindet und Europa voranbringt", sagte Brüderle.
Deutschland und Frankreich seien aufeinander angewiesen. Das enge Einvernehmen zwischen beiden Regierungen sei der Nukleus der europäischen Veränderungsprozesse. Bei dem Besuch des künftigen französischen Staatspräsidenten Francois Hollande in der kommenden Woche werde voraussichtlich zunächst das erste persönliche Kennenlernen zwischen ihm und der Kanzlerin im Vordergrund stehen.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) sieht günstige Aussichten für eine Wirtschaftserholung in Deutschland, die aber von externen Risiken beeinträchtigt werden könnte. Besonders könnten sich Zuspitzungen der Lage in einigen Euro-Ländern negativ auswirken, erklärte der IWF in der Abschlusserklärung seiner jüngsten Konsultationen mit Deutschland. Eine Mission des Währungsfonds hatte sich zuvor in Deutschland aufgehalten und dabei Bundesbank und Regierung besucht.
"In Deutschland sind die Bedingungen für eine von der Binnennachfrage geleitete Erholung nach dem Rückgang Ende 2011 intakt", erklärte der Währungsfonds und sagte voraus, dass das Wachstum in der zweiten Jahreshälfte 2012 sein Potenzial erreicht, gestützt durch Verbrauch und Investitionen. Die Belastung aus dem letztjährigen Rückgang der Binnennachfrage gehe zurück, und die Arbeitsmarktbedingungen hätten sich weiter verbessert.
In diesem Kontext hielt der Währungsfonds Kreisen des IWF zufolge seine Prognose für das Wachstum in Deutschland von 0,6 Prozent für dieses und 1,5 Prozent für das kommende Jahr aufrecht. "Im Moment sehen wir die Entwicklung sehr auf der Linie mit dem, was wir im April vorhergesagt haben", hieß es.
Jedoch warnte der Währungsfonds vor einer möglicherweise schlechteren Entwicklung. "Der kurzfristige Ausblick wird allerdings überschattet von einer Reihe von Abwärtsrisiken aus externen Quellen", erklärte der IWF in dem Bericht. Hauptrisiko sei eine Intensivierung der Eurokrise, die direkt auf Deutschland durch reale und finanzielle Kanäle und indirekt durch gedämpftes Unternehmer- und Verbrauchervertrauen überspringen könnte. "Allgemein niedrigere Wachstumsaussichten würden ebenfalls die Aussichten für die Aktivität überschatten," so der IWF.
Kurzfristige Priorität habe es, den Übergang zu einem auf Binnennachfrage basierten Wachstum fortschreiten zu lassen. Der fiskalische Ansatz mit einer moderaten Konsolidierung und einer vollen Tätigkeit der automatischen Stabilisatoren sei angemessen. Zunahmen bei Löhnen und einigen Vermögenswerten wären nach Einschätzung des IWF "Teil des natürlichen Prozesses einer Neubalancierung der Wachstumsquellen". Dies würde einer Verringerung von Ungleichgewichten im Euroraum helfen. Der IWF betonte, in Übereinstimmung mit dem Mandat der Europäischen Zentralbank könnte in diesem Kontext die Inflation in Deutschland etwas höher liegen als im Schnitt der Eurozone.
Ausdrücklich forderte der Fonds Deutschland dazu auf, "aktiv daran teilzunehmen, die gemeinsame Vision der Wirtschafts- und Währungsunion einer Nach-Krisen-Architektur zu artikulieren". Gesamteuropäische Maßnahmen könnten eine Nutzung von EU-Strukturfonds und eine Erhöhung der Ausleihekapazität der Europäischen Investitionsbank beinhalten. "Als größte Volkswirtschaft der Eurozone kann Deutschland eine entscheidende Rolle spielen, um die aus der Krise entstandenen Herausforderungen anzugehen", betonte der Fonds.
Jedoch wolle der IWF damit keiner Abkehr Deutschlands vom Konsolidierungskurs das Wort reden. "Die diesbezüglichen Pläne im Haushalt sind angemessen", hieß es. Allerdings werde auch kein ambitionierterer Kurs gefordert. Zudem ermunterte der Währungsfonds die Bundesregierung, Strukturreformen zur Erhöhung des Potenzialwachstums fortzusetzen. Auch forderte der IWF, die Gelegenheit für Finanzsektorreformen zu ergreifen. "Insbesondere glauben wir, dass größere Anstrengungen nötig sind, um die Landesbanken zu restrukturieren und ihre Geschätsmodelle zu reformieren."