Länderindex Standortrisiken

Deutschland: Großer Verlierer im Standortwettbewerb


Länderindex Standortrisiken: Deutschland: Großer Verlierer im Standortwettbewerb Studie

Während die großen Familienunternehmen im vergangenen Jahrzehnt erheblich mehr neue Stellen geschaffen haben als Dax-Konzerne, steigen auf der anderen Seite die Standortrisiken massiv an. So haben die 26 größten Familienunternehmen Deutschlands im Zeitraum von 2011 bis 2020 weltweit 837.000 neue Stellen geschaffen. Dem stehen die 26 Dax-Konzerne ohne dominierende Familie mit nur gut 390.000 Stellen gegenüber. Mehr als 90 Prozent der deutschen Unternehmen sind Familienunternehmen. Sie stellen fast 60 Prozent aller Arbeitsplätze und erweisen sich auch in konjunkturell schwierigen Zeiten als stabilisierender Faktor auf dem Arbeitsmarkt. Doch Unternehmen in Deutschland können mit Spitzenstandorten in Nordamerika, Westeuropa und Skandinavien kaum noch mithalten, da die Standortrisiken in den vergangenen Jahren massiv angestiegen sind. Während andere Staaten in Infrastruktur investieren oder ihr Steuersystem reformieren, kommt Deutschland nicht voran. Der einzige klare Aktivposten ist die (noch) vergleichsweise geringe Verschuldung des Staates und der privaten Haushalte: Deutschland als relativ solides Land kann es sich leisten, auf Krisen zu reagieren. Dies sind die Ergebnisse des neuen Länderindex der Stiftung Familienunternehmen.

Die gegenwärtige Krise sollte als Chance zur Umkehr begriffen werden, vor allem zum Abbau lähmender Regulierungslasten, schreiben die Studienautoren. Die steuerlichen Bedingungen müssen sich dringend verbessern. Mit Blick auf den Fachkräftemangel ist eine echte Wende in der Bildungspolitik nötig. Die Genehmigung und Durchführung öffentlicher Investitionsvorhaben sollte sich in der Breite beschleunigen.

Deutschland auf Platz 18 von 21 Industriestaaten

Der Länderindex als Vergleich von 21 Industriestaaten erstellt im Auftrag der Stiftung regelmäßig das Wirtschaftsforschungsinstitut ZEW in Mannheim – unter der Leitung von Professor Friedrich Heinemann. Dies geschieht seit 2006 mittlerweile zum neunten Mal. Seitdem ist Deutschland um sechs Rangplätze abgerutscht.

In der aktuellen Rangliste befindet sich Deutschland auf Platz 18, vier Plätze schlechter als beim vorhergehenden Länderindex aus dem Jahr 2020. Allerdings liegen die Länder auf den Plätzen 14 bis 19 mit ihren Punktwerten sehr nah beieinander. Es gibt für Deutschland aber keinerlei Anzeichen für eine Aufwärtsbewegung. Nur Ungarn, Spanien und Italien schneiden noch schlechter ab.

Bei Steuern auf dem vorletzten Platz

Im Zeitverlauf lässt sich ablesen, dass sich Deutschland bei Steuern, Regulierung und Infrastruktur negativ entwickelt hat. Auch das Verhältnis Arbeitskosten und Produktivität zeigt einen ungünstigen Trend im Vergleich zu den Wettbewerbern. Bei der Steuerlast für Familienunternehmen rangiert Deutschland weiterhin auf dem vorletzten Platz; bedingt vor allem durch die Untätigkeit der deutschen Steuerpolitik, wie Heinemann schreibt.

Diese Nachteile waren durch die positive Tendenz beim Indikator Finanzierung nicht auszugleichen. Außerdem muss sie für die Zukunft nicht so gelten. Aktuell sei hier der Sinn für Prioritäten und zielgenaue Hilfen auf der Strecke geblieben, so Heinemann. Der Bundeshaushalt mit seinen Nebenhaushalten sei nicht mehr transparent genug. Luft für Zukunftsaufgaben sei nur zu bekommen, wenn endlich Reformen im Bereich Rente und Gesundheit stattfänden. Die Autoren weiter: "Im Hinblick auf die noch vergleichsweise gute Bewertung der öffentlichen und privaten Finanzierungssituation profitiert Deutschland derzeit noch von den Reserven, die in den wirtschaftlich starken Jahren gebildet werden konnten. Diese Polster sind jedoch endlich und schmelzen derzeit schnell ab." So fordern die Autoren Reformen in den Bereichen Rente und Gesundheit, um dem Bundeshaushalt finanziell dauerhaft Luft für Zukunftsausgaben in den Bereichen Forschung, Digitalisierung, Klima und Bildung zu verschaffen.

Professor Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen: "Der Industriestandort Deutschland hat dramatisch an Qualität verloren. Gerade die hohen Energiepreise, an denen wir wenig ändern können, müssten doch Anreiz bieten, die übrigen Rahmenbedingungen für Investitionen zu verbessern. Im internationalen Vergleich auf den hintersten Plätzen – das ist nicht das Feld, in das wir gehören."

In der aktuellen Rangliste befindet sich Deutschland auf Platz 18, vier Plätze schlechter als beim vorhergehenden Länderindex aus dem Jahr 2020. Allerdings liegen die Länder auf den Plätzen 14 bis 19 mit ihren Punktwerten sehr nah beieinander. Es gibt für Deutschland aber keinerlei Anzeichen für eine Aufwärtsbewegung. Nur Ungarn, Spanien und Italien schneiden noch schlechter ab.

Abb. 01: Zeitlicher Verlauf des Ranking für Deutschland von 2006 bis 2022 [Quelle: Berechnungen von ZEW und Calculus Consult]

Abb. 01: Zeitlicher Verlauf des Ranking für Deutschland von 2006 bis 2022 [Quelle: Berechnungen von ZEW und Calculus Consult]

Abwärtstrend in der Bildungspolitik

Angesichts des wachsenden Mangels an qualifizierten Arbeitskräften ist es auf dem Gebiet "Arbeitskosten, Produktivität, Humankapital" unabdingbar, dass die Bildungspolitik den Abwärtstrend bei grundlegenden Fähigkeiten in Mathematik und Deutsch stoppt und umkehrt.

Hier müssen Reformen – auch unter der Zielsetzung der Standortsicherung und der Befähigung junger Menschen zur Berufsausbildung – endlich die Ursachen angehen, so die Studienautoren.

Spitzenreiter USA kämpft mit Inflation

Angeführt wird die Rangliste von den USA, Kanada, Schweden und der Schweiz. Die USA zeigen herausragende Ergebnisse bei den Standortfaktoren Energie und Regulierung. Doch wer die USA als unschlagbar attraktiven Standort auch für deutsche Unternehmen betrachtet, darf die dort überdurchschnittliche Inflation nicht vergessen, schreibt Heinemann. Der Preis- und Lohndruck sei hoch in den USA. Verbunden mit der Dollar-Aufwertung mindert das die Attraktivität des Standorts.
Der Länderindex wird als gewogener Durchschnitt von sechs Subindizes errechnet: Steuern, Arbeit, Regulierung, Finanzierung, Infrastruktur und Investitionen, Energie. Er kann Punktwerte zwischen 0 und 100 annehmen. Starke Verbesserungen zeigten Japan und Schweden, große Verluste verzeichneten Österreich und die Niederlande.

Tab. 01: Ranking der Länder [Quelle: Berechnungen von ZEW und Calculus Consult]Tab. 01: Ranking der Länder [Quelle: Berechnungen von ZEW und Calculus Consult]

 

Methode: 
Der "Länderindex Familienunternehmen" 2022 bewertet die Attraktivität des deutschen Standortes im internationalen Vergleich aus Sicht von Familienunternehmen zum neunten Mal seit 2006. Dem am besten bewerteten Land wird in den einzelnen Subindizes sowie in der Gesamtbewertung des "Länderindex Familienunternehmen" der Wert 100 zugewiesen, dem am ungünstigsten bewerteten Land der Wert null. Die Bewertungen der restlichen Länder werden anschließend anhand einer entsprechenden linearen Transformation auf den dazwischen liegenden Wertebereich transformiert. Die Werte der Inputvariablen geben somit den Prozentsatz der Bewertung wieder, den das jeweilige Land gemessen am Wert des am besten bewerteten Landes erzielt. Als Datenquelle für die Erhebung wurden für die einzelnen Themengebiete und Länder jeweils statistische Quellen verwendet, wie beispielsweise die Tax Research Platform des International Bureau of Fiscal Documentation (IBFD), Statistiken von Eurostat und der OECD oder die Ergebnisse der PISA-Studie. Im Detail sind die Methodik Gewichtung und Quellenerhebung im Anhang der Studie aufgeführt.

 

 

[ Bildquelle Titelbild: Adobe Stock.com / shootingankauf ]
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