Deutschland macht sich bereit, der zu lockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) mit eigenen Maßnahmen entgegenzutreten. Am 2. Mai wird das Kabinett ein Gesetz zur Stärkung der deutschen Finanzaufsicht beraten, das ab 2014 Maßnahmen gegen einen zu starken Anstieg der Hypothekenkreditvergabe und damit auch der Immobilienpreise ermöglichen würde. Eine zu lockere Geldpolitik führt zu einem Anstieg der Inflation, weil sie die Preise von Öl und anderen Rohstoffen, Konsumgütern und auch von Vermögenswerten wie Immobilien steigen lässt.
Bundesbankpräsident Jens Weidmann hatte am Montag bei einer Rede in New York erneut vor den Gefahren einer für Deutschland zu lockeren EZB-Geldpolitik gewarnt und angekündigt: "Wir werden andere Instrumente einsetzen müssen, um mit diesem Phänomen fertig zu werden. Diese Instrumente beinhalten makroprudenzielle Werkzeuge, die wir gegenwärtig mit unserem Gesetzgeber diskutieren." Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte, es gebe Anzeichen dafür, dass eine neue Blasenbildung auftreten könnte.
Die deutschen Wohnimmobilienpreise sind im vergangenen Jahr um 5,5 Prozent gestiegen, nachdem sie bereits im Vorjahr um 2,5 Prozent zugelegt hatten. Selbstgenutztes Wohneigentum verteuerte sich um 2,5 Prozent. Der erste nennenswerte Anstieg der deutschen Immobilienpreise seit Anfang der 1990er Jahre fällt mit einer für Deutschland zu expansiven EZB-Geldpolitik zusammen. Das nährt Befürchtungen, Deutschland könnte vor einer Immobilienpreisblase stehen. Und die würde nicht nur die Preisstabilität, sondern auch die Finanzstabilität gefährden.
Nach Angaben informierter Kreise könnte der in dem Gesetz vorgesehene Ausschuss für Finanzstabilität dem entgegenwirken, indem er sektorspezifische Kapitalanforderungen an Banken stellt und deren Möglichkeit zur Beleihung von Immobilien einschränkt. Auf diese Weise könnte der Kreislauf aus steigenden Immobilienpreisen und steigender Hypothekenkreditvergabe zum Erwerb weiterer Immobilien durchbrochen werden. Es wäre ein Werkzeug zur Bekämpfung von Immobilienpreisblasen gefunden, das spezifischer wirkt und feiner dosierbar ist als der Leitzins der Zentralbank.
Klaus-Peter Flosbach, finanzpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, sprach von einer "entscheidenden Verbesserung gegenüber dem bisherigen Finanzaufsichtssystem" und sagte: "Im Rahmen der makroprudentiellen Aufsicht werden auch die Auswirkungen der expansiven Geldpolitik berücksichtigt werden. Das halte ich unter anderem wegen der Gefahr von Blasenbildungen und des Eingehens erhöhter Risiken zur Renditesteigerung für wichtig."
Es hat seit dem Platzen von Immobilienpreisblasen in den USA, in Spanien oder Irland nicht an Forderungen gefehlt, die Zentralbanken sollten die Entstehung solcher Blasen künftig verhindern, in dem sie eine tendenziell etwas rigidere Politik betreiben. Dieses Konzept des "leaning against the wind" ist aber ebenso umstritten wie der Vorschlag, Blasen durch Zinserhöhungen gezielt zum Platzen zu bringen.
Im Euroraum sind solche Methoden besonders schwer anwendbar, weil die Geldpolitik mit Blick auf den gesamten Währungsraum gemacht wird, während Immobilienpreisblasen in enger umgrenzten Gebieten auftreten und oft auch die Folge nationaler Politik sind.
Ein weiteres Argument der Zentralbanken gegen eine Beeinflussung der Immobilienpreise hat allerdings immer noch Gültigkeit: Wollte der Ausschuss für Finanzstabilität die Kreditvergabe gemessen am Preis einer Immobilie (loan to value ratio) begrenzen, müsste er auch wissen, ob dieser Preis angemessen oder ob er überhöht ist. Und zwar in Echtzeit. Immobilienpreisblasen werden aber in der Regel erst dann als solche erkannt, wenn sie platzen.
Bestehen wird der Ausschuss für Finanzstabilität aus je drei Vertretern von Finanzministerium, Bundesbank und Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), sowie einem Vertreter der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung. Das Finanzministerium wird den Vorsitzenden und dessen Stellvertreter stellen, das Gremium wird vier Mal im Jahr tagen und an den Bundestag berichten.
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Gegen den Widerstand Deutschlands wird EU-weit auf höchster Ebene die Möglichkeit vorbereitet, klamme Banken doch direkt mit Kapital aus den europäischen Rettungsfonds zu stützen. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung arbeiten die Europäische Zentralbank (EZB) und die Gruppe der Euro-Länder an einer entsprechenden Initiative. Damit soll vermieden werden, dass ein ganzes Land den Fonds anzapfen muss, obwohl nur den Banken geholfen werden soll. Deutschland ist strikt dagegen, weil es befürchtet, dass auf diesem Wege Geld fließt, ohne das Reformzusagen gemacht werden.
Eine Arbeitsgruppe der Euro-Länder soll schon in den nächsten beiden Wochen prüfen, wie die direkte Vergabe von Krediten aus dem ESM an angeschlagene, aber überlebensfähige Banken abgewickelt werden könnte, heißt es in dem Zeitungsartikel weiter. Grund für die Eile sei die Krise in Spanien und die Sorge, dass sie sich auf weitere Euro-Länder ausbreiten könnte. "Sitzt Spanien erst unter dem Rettungsschirm, konzentrieren sich die Märkte auf Italien", sagte ein Vertreter eines Euro-Landes.
Die spanischen Banken benötigen dringend Finanzhilfen, um Kredite an Unternehmen vergeben zu können. EZB-Präsident Mario Draghi hatte in den vergangenen Monaten versucht, die Lage am europäischen Bankenmarkt durch die Vergabe von 1000 Milliarden Euro an zinsgünstigen Krediten zu entspannen. Draghi räumte am Mittwoch vor dem EU-Parlament in Brüssel allerdings ein, er habe "mit einer schnelleren Weitergabe der Kredite an die Wirtschaft gerechnet".