Mit der fortschreitenden Verflechtung der Weltwirtschaft wächst auch der Grad der internationalen Arbeitsteilung, die mit strukturellen Anpassungen in den Volkswirtschaften verbunden ist. Wie entwickelte sich vor diesem Hintergrund der Außenhandel Deutschlands in den vergangenen Jahren? Das ifo Institut ermittelte nun, dass der ausländische Wertschöpfungsanteil in deutschen Exporten im Verlauf der vergangenen Jahre deutlich stieg. Insbesondere Vorleistungen aus China und den Mittel- und Osteuropäischen Ländern gewinnen für deutsche Exporte weiter an Bedeutung.
Neben geografischen und technologischen Motiven spielt auch das Lohnniveau eine wichtige Rolle bei der Entscheidung von Unternehmen, ihre Produktionsstufen auszulagern und Zwischengüter aus dem Ausland zu importieren. Hans-Werner Sinn prägte vor einigen Jahren den Begriff der Basarökonomie, der die fortschreitende Verringerung des Anteils heimischer Wertschöpfung am Produktionswert der deutschen Industrie beschreibt. Forscher nahmen nun so genannte internationale Input-Output-Tabellen zur Hand, die einen Datenbestand der Jahre 1995 bis 2009 umfassen, um die strukturelle Entwicklung des Außenhandels für die vergangenen Jahre Deutschlands zu untersuchen. "Damit sehen wir, in welchem Land und in welchem Sektor die importierten Vorleistungen, also die eigentliche Wertschöpfung, tatsächlich entsteht", erklärt Gabriel Felbermayr, Leiter des Bereiches Außenhandel am ifo Institut.
Deutsche Exporte: Vorleistungen aus China sowie Mittel- und Osteuropa
Generell gilt: Je größer ein Land ist, desto geringer ist der ausländische Wertschöpfungsgehalt der Exporte und umgekehrt. Deutschland hat im internationalen Vergleich einen recht hohen Anteil ausländischer Wertschöpfung in den Exporten. Die Forscher ermittelten, dass der Anteil der ausländischen Wertschöpfung an deutschen Exporten im Jahr 1995 bei einem Niveau von 13,5 Prozent lag und 2008 schon einen Wert von 20 Prozent erreichte. Das ist rund doppelt so viel wie die USA oder Japan (im Schnitt 9,3 Prozent und 10,8 Prozent). Auch Frankreich, Großbritannien oder Österreich erreichen ähnlich hohe Werte. Erst im Jahr 2009 wurde diese Entwicklung durch die Wirtschaftskrise gebremst und der ausländische Wertschöpfungsgehalt sank in Folge dessen um 2 Prozentpunkte.
Damit weist Deutschland im Jahr 2009 aber immer noch einen relativ hohen ausländischen Wertschöpfungsanteil von 18 Prozent aus, und dieser ist in den meisten Sektoren des Verarbeitenden Gewerbes sogar noch höher. Im Fahrzeugbau und in der Leder- und Textilindustrie beträgt er beispielsweise jeweils rund 25 Prozent. Dabei kommen viele Vorleistungen aus der Europäischen Union und aus Asien. Während China insbesondere als Wertschöpfungslieferant für deutsche Exporte in der Textil- und Lederindustrie sowie in der Elektrotechnik von Bedeutung ist, wird für deutsche Elektrotechnikexporte unter anderem auch auf Wertschöpfung aus Japan, Taiwan, Korea, Indien und Indonesien zurückgegriffen. Der Fahrzeug- und Maschinenbau bezieht seinen Wertschöpfungsanteil hingegen zunehmend aus den Mittel- und Osteuropäischen Ländern (MOEL), die – wie China – ihre Wertschöpfungsanteile an deutschen Exporten im Verarbeitenden Gewerbe ausweiten konnten. "Die Auslagerungsdynamik war mit Zuwächsen im Beobachtungszeitraum zwischen 7 und 8 Prozentpunkten vor allem in den Sektoren Lebensmittel, Fahrzeugbau und Sonstige Industrien besonders groß. Damit ist für Deutschland der langfristige Trend zur Basarökonomie ungebrochen", ergänzt Felbermayr.
Was die sektorale Herkunft der ausländischen Wertschöpfung anbelangt, so bezieht Deutschland insbesondere Wertschöpfung im Form von Metall- und Chemischen Erzeugnissen sowie Elektrotechnik. Des Weiteren: 40 Prozent der Textilien, die in deutschen Exporten enthalten sind, kommen aus China und wenn Deutschland Waren exportiert, die Kunststoffe enthalten, kommen im Schnitt 20 Prozent der Wertschöpfung aus den MOEL, bei Wertschöpfung in der Fahrzeugbauindustrie sind es sogar 23 Prozent.
Deutsche Wettbewerbsfähigkeit kaum durch Produktionsverlagerung bedingt
Ein weiteres Ergebnis, zu dem die ifo-Experten um Felbermayr kommen: Häufig wird die Verlagerung von Produktionsschritten in die MOEL als ein Grund für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie genannt. Was die Fahrzeugexporte anbelangt, so hat sich der Wertschöpfungsanteil der MOEL zwischen 1995 und 2009 um 2,5 Prozentpunkte auf 3,6 Prozent erhöht. Er liegt damit beispielsweise höher als in Frankreich (Erhöhung von 0,3 Prozent auf 1,6 Prozent), wo mehr Wertschöpfung aus Südeuropäischen Ländern steckt, wo das Potenzial für Kostenvorteile geringer ist. Die Auslagerung von Produktionsstufen nach Osteuropa hat sicherlich wettbewerbsfördernd gewirkt. Allerdings ist der Anteil der MOEL-Wertschöpfung mit 3,6 Prozent des Exportwerts immer noch sehr gering. "Damit lässt sich die Stärke der deutschen Wettbewerbsfähigkeit also nicht begründen", ergänzt Felbermayr.
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