Ich muss noch einmal auf den "Währungskrieg" unter den Politikern zurückkommen. Im Vorfeld des Gipfels der G-20 in Seoul Anfang November wird darüber spekuliert, es könne ein neues Plaza-Abkommen oder gar eine grundlegende Reform des internationalen Währungssystems beschlossen werden. Zumindest könnte so etwas in Auftrag gegeben werden. Das wäre für die Märkte sehr wichtig. Nach dem Plaza-Abkommen im September 1985 hatte sich der Wert des Dollars gegenüber der D-Mark in weniger als zwei Jahren um 40 % verringert. Der französische Staatspräsident Sarkozy hat eine Kommission eingesetzt, die grundlegende Änderungen des Währungssystems vorbereiten soll. Ist so etwas realistisch?
Im Kern geht es heute – anders als bei Plaza – nicht um die Währungen der Industrieländer, sondern um das Verhältnis des Dollars zu den Währungen der Emerging Markets (insbesondere China). Hier ist die Welt in Unordnung geraten. Es gibt zwar auch Probleme im Verhältnis des Dollars zum japanischen Yen, dem Schweizer Franken und zuletzt auch dem Euro. Sie sind aber weniger eine Frage des Systems. Ihre Ursache liegt vielmehr in der hohen Liquidität an den Märkten, die die Spekulation begünstigt und Rendite sucht.
Das Verhältnis der Industriestaaten zu den Schwellen- und Entwicklungsländern war über Jahre von klaren Prinzipien geprägt. Ziel war die Förderung der Dritten Welt. Dazu sollte diesen Staaten ein Defizit in der Leistungsbilanz zugestanden werden. Auf diese Weise konnten sie mehr investieren als ihnen an inländischer Ersparnis zur Verfügung stand. Finanziert werden sollte das Ganze durch Kapitalimporte aus den Industrieländern. Diese brauchten dazu einen Überschuss in der Leistungsbilanz.
Abbildung: Leistungsbilanzsalden der Entwicklungs- und Industrieländer in Mrd. Dollar [Quelle: IWF]
Die Grafik zeigt, dass das System etwa bis zum Jahr 2000 gut funktionierte. Insbesondere in den 90er Jahren hatten die Industrieländer einen Überschuss in der Leistungsbilanz, mit dem sie die Fehlbeträge in der Dritten Welt finanzieren konnten. Danach jedoch geriet das Modell in Unordnung. Die Leistungsbilanzen der Emerging Markets drehten ins Plus. Umgekehrt mussten die Industrieländer (vor allem die USA) erhebliche Fehlbeträge in Kauf nehmen. Gleichzeitig erhöhten sich die Kapitalbewegungen. Es floss immer mehr Geld in die Dritte Welt. In der Spitze (2007) waren es USD 1.300 Mrd. Dabei hatten diese Länder in jenem Jahr bereits einen Überschuss in der Leistungsbilanz von USD 700 Mrd. Es gab also einen Mittelzufluss von USD 2.000 Mrd. Seitdem hat sich die Situation wieder etwas beruhigt. Das Ungleichgewicht ist aber geblieben.
Lange Zeit hat man den Sprengsatz in dieser Entwicklung nicht richtig beachtet. In den letzten drei Jahren der Wirtschafts- und Finanzkrise waren die Schwellenländer über die Kapitalzuflüsse sogar gar nicht so unglücklich. Sie erleichterten die Bekämpfung der Rezession. Umgekehrt hatten die Industrieländer mit dem Kapitalabfluss keine größeren Probleme, weil die Zentralbanken unbegrenzt Geld "drucken" konnten. Jetzt aber bricht der Konflikt in voller Härte aus. In den Schwellenländern droht wegen der hohen Liquidität eine Blase, insbesondere bei den Banken und im Immobiliensektor. Die Industrieländer, vor allem die USA, fürchten um ihre Wettbewerbsfähigkeit auf den internationalen Märkten, wenn ihre Währungen so stark sind.
Das erklärt, warum jetzt so viel Druck gemacht wird. Es geht dabei a) um die Verringerung der Leistungsbilanzsalden in der Welt (das berühmte "Rebalancing") und im Zusammenhang damit b) die Aufwertung des chinesischen Renminbi. Beides ist vernünftig. Die Schwellen- und Entwicklungsländer sollten ihre Binnennachfrage fördern, auch um ihr Wachstum auf eine breitere Basis zu stellen. Die USA sollten ihren Fehlbetrag in den laufenden Posten reduzieren, Deutschland seinen Überschuss. Der Renminbi ist nach allen Rechnungen über-bewertet; sein Wechselkurs sollte steigen (was dann auch den Wechselkurs anderer asiatischer Länder nach oben zieht).
Aber beides reicht nicht, um die Ungleichgewichte abzubauen. Zum einen dauern strukturelle Anpassungen in den Leistungsbilanzen eine lange Zeit. Die haben wir nicht. Zum anderen sind die internationalen Kapitalbewegungen wegen der Unterschiede im Wachstum und bei den Zinsen so groß, dass sie durch eine Verringerung der Leistungsbilanzsalden kaum ausreichend kompensiert werden könnten.
Die Folge ist: Es wird weiter erhebliche Interventionen auf den Devisenmärkten geben. Allein die Chinesen haben im dritten Quartal USD 200 Mrd. gekauft. Gleichzeitig werden die Schwellenländer verstärkt Kapitalverkehrskontrollen einführen. Beides erhöht die Unsicherheit auf den internationalen Kapitalmärkten. Aus meiner Sicht liegt hier ein größeres Risiko für die weitere Entwicklung der Weltwirtschaft als in einem "Double Dip", einer Rezession mit zwei Tälern, in den USA.
Autor: Dr. Martin W. Hüfner, Chief Economist, Assenagon Asset Management S.A.
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