Aktuell vollzieht sich ein Paradigmenwechsel im Risikomanagement. Praktiker beginnen zu verstehen, dass extreme Ausschläge an Finanzmärkten möglichst realitätsgetreu abzubilden sind. Die Fokussierung auf das Phänomen starker Schwankungen ist aufgrund der steigenden Anforderungen an das Risikomanagement sowie wegen der höheren Komplexität vieler Finanzprodukte unbedingt erforderlich. Dadurch wird die Zukunftsfähigkeit herkömmlicher Ansätze grundsätzlich in Frage gestellt. Der vorliegende Artikel beleuchtet eine viel versprechende Klasse von Wahrscheinlichkeitsverteilungen, die diesen gewachsenen Ansprüchen gerecht wird: die α-stabile Verteilungsklasse.
Umfangreise Analysen von Marktdaten haben gezeigt, dass finanzwirtschaftliche Verteilungen schwere Ränder aufweisen. Bei der Beobachtung empirischer Erträge von Vermögenswerten fällt auf, dass starke Schwankungen ungewöhnlich oft auftreten. Zu nennen sind hier das Platzen der Dotcom-Blase oder die Ausschläge bei Börsencrashs. Das relativ häufige Auftreten extremer Ereignisse mit besonders hohen Schäden wird durch die Normalverteilungsannahme nicht hinreichend gut wiedergegeben (umfangreiche empirische Untersuchungen einer Vielzahl von Finanzmärkten unterstreichen diese Beobachtungen, lehnen die Normalverteilungshypothese ab und formulieren stattdessen die α-stabile Hypothese). Weitere empirische Studien belegen außerdem, dass die Erträge nur selten symmetrisch verteilt sind. In der Regel ist die beste Beschreibung eine schiefe Verteilung.
Eine neue Verteilungsklasse
Beginnend mit Arbeiten von Mandelbrot im Jahr 1963 gab es fortlaufend Bestrebungen, Verteilungen mit schweren Rändern in den Finanzwissenschaften konsistent zu etablieren. Die angemessene Quantifizierung schwerer Verteilungsränder ist bei praktischen Anwendungen von großem Nutzen: Das Potenzial für hohe Erträge wird besser ausgeschöpft und das Risiko für hohe Verluste eklatant reduziert. Mit Hilfe von Verteilungen mit schweren Rändern haben Institute die Möglichkeit, bessere Strategien zur Risikobewältigung und -steuerung zu entwickeln und diese aktiv zu nutzen. Zudem werden durch die Anwendung solcher Verteilungen automatisch auch die Randabhängigkeiten zwischen verschiedenen Zufallsvariablen berücksichtigt.
Aktuell ist in diesem Bereich das Aufkommen α-stabiler Verteilungen zu beobachten. Inzwischen tritt diese Verteilungsklasse auch in praktischen Anwendungen des Risiko-/Ertragsmanagements, aber zum Beispiel auch in den Geowissenschaften auf. Das intensive Interesse an den α-stabilen Verteilungen zeigt sich zudem in der Pressepräsenz und der zunehmenden Anzahl entsprechender Produkte. Diese Erfolgsgeschichte wurde erst durch die Überwindung der bislang bestehenden Hürden möglich. Doch was hat es mit dieser Verteilungsklasse nun tatsächlich auf sich? Sind alle Probleme gelöst? Welche zukünftigen Entwicklungen sind zu erwarten?
Download des kompletten Artikels in der RiskNET eLibrary: