Verfolgt man die jüngsten Aussagen und Berichte bedeutender Vertreter der weltweit wichtigsten Zentralbanken, so gerät man als Manager eines Volatilitätsportfolios ein wenig ins Schmunzeln. Ein derartiges Ausmaß an regelrechter Marketing-Unterstützung hätten wir nicht aus dem Lager erwartet, welches in den vergangenen Jahren stets erfolgreich Entwicklungen aufkeimender Marktvolatilität mit Hilfe von koordinierten geldpolitischen Maßnahmen bekämpft hat. Offensichtlich scheint sich innerhalb der Gemeinschaft der Zentralbanker nun die Sorge breit zu machen, dass die Dosis der exzessiven Bereitstellung von Liquidität, auch im Hinblick auf die globalen Volatilitätsmärkte, zu hoch war.
So erwähnt die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in ihrem im Juni 2014 veröffentlichten Jahresbericht, dass das derzeitige Umfeld niedriger realisierter und impliziter Volatilitäten sowie hieraus abgeleiteter Risikoprämien von einer zunehmenden Divergenz in Aktienpreisen und Fundamentaldaten begleitet wird.
Andreas Dombret (Deutsche Bundesbank) erläutert in seiner Eröffnungsrede im Rahmen eines gemeinsamen Seminars zwischen der türkischen Zentralbank und der Bundesbank in Istanbul, dass die realisierte Volatilität an den Märkten mit einer zunehmenden Normalisierung der Geldpolitik zunehmen dürfte. Aus Sicht der Bundesbank seien die derzeitigen Marktrisiken jedoch nur unzureichend in den Volatilitätsmärkten reflektiert. Ursächlich hierfür sei die "Suche nach Rendite" seitens der Anleger und der hiermit verbundenen Monetarisierung verschiedenster Risikoprämien. Dombret verdeutlicht, dass niedrige Volatilität nicht mit niedrigem Risiko gleichzusetzen sei. Weiterhin sei die Kombination aus niedriger Inflation, niedriger Zinsen, niedriger Volatilität und im Überfluss verfügbarer Liquidität die perfekte Mischung für einen "Cocktail, welcher am nächsten Morgen zu einem schlimmen Kopfschmerz führen könnte".
Charlie Bean (Bank of England) fühlt sich durch die derzeitigen Niveaus an den Volatilitätsmärkten auf "schaurige" Art und Weise an die Zeit vor der globalen Finanzkrise erinnert. William C. Dudley (Federal Reserve Bank of New York) äußerte sich besorgt über das "ungewöhnlich niedrige" Volatilitätsniveau, da jene Entwicklung simultan über alle Asset-Klassen hinweg zu beobachten sei.
Zu guter Letzt finden die Volatilitätsmärkte Eingang in die Kommentare der obersten Vertretung der amerikanischen Zentralbank. Janet Yellen bemerkte kritisch, dass zu niedrige Volatilitäten sowohl auf realisierter als auch auf impliziter Basis ein nicht zu unterschätzendes Gefahrenpotenzial für die Finanzmarktstabilität bergen, falls jenes Umfeld von zu starker Risikoneigung der Investorengemeinschaft begleitet wird. Soviel Beachtung wie im Augenblick hat die Asset-Klasse "Volatilität" aus den Reihen der Währungshüter noch nie erfahren.
Ob die von der Zentralbank verordnete "Liquiditätsdosis" tatsächlich zu hoch gewesen ist, wird die Zukunft zeigen. Eine eindeutige Diagnose zu stellen, ist schwierig und würde dem Reiben der berühmten Glaskugel gleichkommen. Die Anamnese der Volatilitätsmärkte untermauert jedoch die Sorgen der Zentralbankenvertreter. So notiert der von der Investmentbank Merrill Lynch publizierte "BofA Merrill Lynch IMktRisk"-Index, welcher einen etablierten asset-klassen-übergreifenden Indikator für kurzfristige implizite Volatilitäten darstellt, auf einem Allzeittief. Implizite Volatilität beschreibt bekanntermaßen nicht das Risiko eines Assets, sondern ist vielmehr ein numerischer Ausdruck der mit der jeweiligen Anlage verbundenen Unsicherheit. Insofern können wir den Volatilitätsmärkten in jedem Falle eine Blase des Wohlbehagens und der Selbstzufriedenheit zuschreiben!
Abbildung: "BofA Merrill Lynch IMktRisk"-Index [Quelle: Bloomberg]
Verbindet man die wenig streitbare Sorglosigkeit der Finanzmärkte mit einem prospektiven Zinsanhebungszyklus maßgeblicher Zentralbanken, so lassen sich die zu Beginn dieses Artikels zitierten Bedenken nachvollziehen. Setzt man die US Federal Funds Rate (Bloomberg Kürzel: FDFD Index) ins Verhältnis zur realisierten 1-Jahresvolatilität auf den S&P 500-Index, können wir das von Dombret erwähnte höhere Volatilitätsniveau aufgrund einer normalisierten Geldpolitik grafisch verifizieren. Fraglich bleibt jedoch, ob zu lange Nullzins-Perioden in Verbindung mit einer Überdosis an Liquidität auch zu höherer Volatilität führen können. Als Folge fortwährender expansiver Geldpolitik wäre ein Umfeld erhöhter Marktvolatilität unausweichlich.
Abbildung: 1-Jahresvolatilität auf den S&P 500-Index sowie FDFD Index [Quelle: Bloomberg]
Inwiefern ein Investor die an den Finanzmärkten herrschende Sorglosigkeit beurteilt und im Rahmen seiner individuellen Asset-Allokation berücksichtigt, ist abhängig von seinen Präferenzen. Präferenzunabhängig ist jedoch die Tatsache, dass Investitionen in Volatilität eine Möglichkeit darstellen, positiv konvexe Auszahlungsprofile für Krisenzeiten im Portfolio zu etablieren. Der am Markt verlangte Preis für diesen verlässlichen Diversifikationsmechanismus ist auf einem historischen Tiefpunkt (exemplarisch dargestellt anhand der impliziten 6-Monatsvolatilität auf den S&P 500-Index).
Abbildung: Implizite 6-Monatsvolatilität auf den S&P 500-Index [Quelle: Assenagon Equity Derivatives Database (AEDD)]
Aus unserer Sicht sind Investitionen in Volatilität unerlässlich, da sie langfristig das Verhältnis von Ertrag und Risiko in einem ausgewogenen Portfolio optimieren. Vielmehr gilt auch hier das Credo: Die Dosis entscheidet!
Autor:
Tobias Knecht, Senior Vice President, Portfolio Management & Structuring, Assenagon Asset Management S.A.